Von Erlbach gingen viele hinüber; die jungen Leute schon bald nach dem Essen, die älteren nach dem Rosenkranz.
Der Weg zieht sich eine leichte Stunde über einen Hügel durch das Schneiderhölzl; man sieht schon von weitem den Weblinger Kirchturm und den Maibaum, der vor dem Wirtshause steht. Der Weg sah heute bunt aus.
Die Erlbacher Mädel gingen in Scharen zu vieren und mehr miteinander. Ihre Kopftücher leuchteten lustig über die Felder, und wenn sie beim hohen Kreuz am Waldsaum waren, kam der Wind in die Tücher und blähte sie auf. Die Zipfel flatterten wie Fahnen und verschwanden hinter der Höhe.
Die Burschen hielten sich auch zusammen und marschierten an den Mädeln vorbei. Sie führten laute Unterhaltung im Gehen; einer blies auf der Mundharmonika, und andere sangen:
»Dieses scheane Land,
Es üst mein Heimatland,
Dieses scheane Land ...«
»Jackl, heunt sauf'n ma r' ins grad gnua.«
»Da Peter isch Zechmoasta. Hast as Geld bei dir, des ma z'samm g'legt hamm?«
»I scho. Dös g'langt überall'n hi. Bal no an Wirt 's Bier net ausgeht.«
»Herrschaftseiten! Und Juhu! Jui!«
»Dieses scheane Land,
Es üst mei Heimatland.«
»Toni, spiel auf!«
Wenn sie an den Mädeln vorbeigingen, rückten sie ihre Hüte und schnackelten. Die Lustigsten sprangen in die Höhe, pfiffen und schrien.
Das Weibervolk drängte sich zusammen und lachte und stieß sich mit den Ellenbogen an.
»Hoscht an Kistler Hans g'sehg'n?«
»Ah, dös is oana! Und da Christl!«
»Jessas na!«
Und die Burschen freuten sich wieder, wenn sie den Eindruck sahen. So ging es über die Felder und durch den Wald.
Der Lärm wurde durch den Wind fortgetragen und steckte die Scharen an, die hinterdrein kamen.
Einer von den Letzten war der Xaver, der Sohn vom Hieranglbauern, ein junger Mensch, der sich mehr auf sein Geld einbildete, als gut war.
Wenn er bei einer Unterhaltung mittat, gab er sich ein Ansehen, als müßten sich die anderen geehrt wissen. Deswegen ging er auch heute abseits und hielt sich zurück, daß niemand glauben konnte, dem Hierangl Xaver wäre es um das Tanzen zu tun.
Holten ihn seine Kameraden ein, dann gab er ihnen den Gruß zurück, und wenn sie ihn aufforderten, mitzugehen, sagte er, daß er noch früh genug nach Webling komme. Den Mädeln rief er keine Scherzreden zu, und er gab sich keine Mühe, ihnen zu gefallen. Als die Ursula vom Schullerbauern mit zwei anderen vorbeiging, redete sie ihn an:
»Xaverl, geahscht it am Tanzboden?«
»Vielleicht kimm i; vielleicht net aa.«
Sie drehte den Kopf nach ihm um und lachte verlegen. Er gab ihr nicht an und blieb zurück.
Als er zum Feldkreuz kam, stand sie auf einmal neben ihm. Sie hatte im Walde gewartet und rückte jetzt verlegen an ihrem Kopftüchel.
»Daß d' gar nimmer kimmst, Xaverl? Seit guatding drei Wocha hoscht di nimma sehg'n lassen?«
»Unter der Arndt hon i koa Zeit auf dös.«
»Sinscht host d'a wohl Zeit g'numma.«
»Jetzt is halt net ganga.«
Sie ging schweigend ein paar Schritte neben ihm her.
Dann fragte sie: »Hoscht d'as dahoam scho g'sagt?«
»Ob i was g'sagt hab?«
»Frag' it a so! Hoscht nix g'sagt, daß i in der Hoffnung bin?«
»Dös geht do bei mir dahoam neamd was o! De wern sie nix bekümmern um dös.«
»Hoscht ma's du it g'hoaßen, daß d' mi heiratst?«
»Da is mir nix bekannt.«
»So redst du jetzt? A so tatst ma's du macha? Hoscht d' ma's it g'hoaßen? Hoscht it g'sagt, du brauchst durchaus koan Angst it z' hamm?« – »Geh du dein Weg und laß mir mei Ruah!«
»Jetzt tat'st di weglaugna, du ganz Schlechter! Aba du derfst di zahl'n grad gnua!«
»Des werd si aufweisen; da sand anderne aa no beteiligt.«
»Dös ko'st du net mit Wahrheit behaupten.«
»Jetzt geh mir aus'n Weg! I ho mit dir nix mehr z'reden.«
Die Ursula kam das Weinen an. Dicke Tränen liefen ihr über die Backen, und sie wischte sich mit den schwieligen Händen über das Gesicht, daß es um und um naß wurde.
Sie wollte reden, aber die Worte kamen nur ruckweise heraus. »Wie'st dös erstmal ... Wie'st ans Fenschta kemma bist ... do hoscht g'sagt, i brauch mi nix bekümmern, hoscht g'sagt, und's Heiraten is ma g'wiß ... und jetzt gangst mit solchene Lugen um, und bei da Hollastauden hiebei, da hoscht g'sagt, i brauch mi durchaus nix bekümmern, und jetzt brach'st d'as so für, als wenn anderne beteiligt g'wen war'n – –«
»Dös werd sie aufweisen,« sagte der Hierangl Xaver und ging weg.
Es war ihm nicht mitleidig zumute, und er sah sich nicht um nach der Ursula, die mit den Ärmeln ihre Tränen trocknete und nicht wußte, sollte sie stehen bleiben oder dem Xaver nachlaufen. Weil sie aber sah, daß er schnell dahinging, dachte sie, daß ihr alles Reden nichts helfen würde.
Sie richtete das Kopftüchel zurecht und öffnete ihren Handkorb. Auf der Innenseite des Deckels war ein Spiegel angebracht, und Ursula betrachtete ihr Bild darin.
Es sah nicht vorteilhaft aus. Über das sommersprossige Gesicht waren schwärzliche Streifen gezogen; sie kamen von den Tränen und den schmutzigen Fingern.
Auf zehn Schritte wäre es zu sehen gewesen, daß sie geflennt hatte; deswegen spuckte sie in ihr Taschentuch und verwischte die Spuren. Und dann ging sie langsam ihren Weg, auf den Tanzboden.
Der Weblinger Wirt hatte einen guten Tag. Saal und Stuben waren gefüllt, und im Nebenzimmer saßen alle Honoratioren, auf die er gerechnet hatte.
Die Herren Lehrer aus der Umgebung, der Förster von Pellheim, der Verwalter von Hohenzell und der Stationskommandant Hermann. Unter der Türe erschien ein junger Mann. Er grüßte freundlich und wurde von allen willkommen geheißen. »Bei mir ist noch Platz,« sagte der Lehrer Stegmüller von Erlbach. »Darf ich die Herrschaften miteinander bekannt machen? Herr Mang, Kandidat der Theologie – Fräulein entschuldigen, jetzt hab ich den Namen vergessen ...«
»Sporner,« sagte das hübsche Mädchen, welches neben ihm saß.
»Fräulein Sporner, die Nichte des Herrn Collega von