»Wir haben es versucht«, beteuerte Private First Class Richard Boyd mit vor Zorn zitternder Stimme, während er den bunten Feuerregen in der Ferne betrachtete. »Wir haben wirklich alles versucht, aber jetzt können sie von mir aus verrecken.«
Lieutenant Colonel George Custer Armstrong, der mit silbergrauem Haar und einem Arm in einer blutbefleckten Schlinge Strenge ausstrahlte, musterte das Bataillon im Morgengrauen und hielt eine bewegende Rede, bevor sie gecharterte Flugzeuge von United und Air France bestiegen, um ihre lange Heimreise anzutreten.
Operation Iraqi Freedom sei abgeblasen worden, erklärte er ihnen. »Die Welt hat uns wieder. Wir haben eine neue Mission erhalten, die wichtiger ist, streng genommen vielleicht sogar die wichtigste, derer sich die Armee seit der Gründung der Republik angenommen hat. Wir müssen dafür sorgen, dass Amerika die Pandemie übersteht«, proklamierte er.
Die Kameraden wechselten Blicke und bemühten sich mit kurzem Grinsen um Unauffälligkeit, während sie in Reih und Glied standen. Es geschah wirklich: Sie flogen endlich nach Hause.
Während die Kompanie an Bord der Flugzeuge ging, stellte das Erste Platoon fest, dass Jungspund Private Tyrone Botus, den alle Rook nannten, spurlos verschwunden war. Er hatte sich in der vergangenen Nacht in die Nähe der Quarantänezelte geschlichen, um die Feldflaschen seiner Einheit aufzufüllen. Sie konnten ihn nirgendwo finden.
Wir haben Bajonette, die sollten Eindruck schinden
Jake Sherman, der Funker des Platoons, reicht Lieutenant Bowman den Hörer des SINCGARS auf seinem Rücken. »LT, War Dogs Six in der Leitung«, sagt er mit Kaugummi im Mund.
War Dogs lautet das Rufzeichen der Kompanie Charlie, und War Dogs Six steht für ihren Kommandanten Captain West.
»Hier War Dogs Two«, spricht Bowman in den Hörer. »Schicke ›Metallica‹, over.«
Hier War Dogs. Verstanden, 'Metallica'. Warten Sie, over … Geht klar, over. »Bitte um passive Waffen, over.« Warten Sie, over. Also, das ist, äh … unmöglich, over. »Bitte um Verstärkung zur Aufstandsbekämpfung. Bestätigen Sie, over.« War Dogs Two, ebenfalls unmöglich. Kann Ihnen nichts schicken; sind auf sich allein gestellt, over. Der Lieutenant knirscht mit den Zähnen, ehe er weiterspricht. »Roger, Sir.« Sie kennen den Spruch: Herzen und Sinne der Leute gewinnen, Ende. Bowman dreht sich zu den Gruppenführern um. Seine Schützenkompanie ist in drei Jägergruppen zu jeweils neun Mann aufgeteilt, und hinzu kommen die Überreste der noch im Irak durch Lyssa dezimierten Artilleristen sowie eine einzige Schützengruppe. Die Jägergruppen werden wiederum jeweils von einem Staff Sergeant befehligt, der leicht zu erkennen ist, da er als Einziger – abgesehen von Bowman – eine Feldmütze statt eines Helms aus Kevlar trägt. Die Männer stecken die Köpfe zusammen, um sich zu besprechen. Irgendwo im Osten in Brooklyn am anderen Flussufer werden Schüsse mit Handfeuerwaffen gewechselt. »Gentlemen, wir verlagern unsere Position«, kündigt der Lieutenant an. Das Platoon besetzte den Block vor der Notaufnahme des Krankenhauses, wo die Stadtverwaltung einen Bus abgestellt hat. Mit Sandsäcken fixierte Doppelspiralen aus Stacheldraht, die jeweils eine Stellung für die .30er-Maschinengewehre des Zugs umgeben, sichern beide Einfahrten in den Block. An den Kreuzungen im Verlauf der Straße sind Betonbarrieren errichtet worden, um die Zuwege zu schließen, doch die Leute weichen einfach auf die Gehsteige aus und lassen ihre Wagen auf der Fahrbahn dahinter stehen. Vor den Straßensperren staut sich zäh fließender Verkehr, dessen Teilnehmer sich gegenseitig anschreien und die Hände nicht von der Hupe nehmen. Betrachtet man vom nächsten Block aus, wie die Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange stehen, könnte man fast glauben, hier herrsche der ganz normale Alltag – zumindest für New Yorker Verhältnisse. »Bis dato bestand unser Auftrag darin, das Krankenhaus zu bewachen und dafür zu sorgen, dass die Triage der Infizierten zügig und geordnet vonstattengeht«, erinnert Bowman. »Jetzt ist der Laden voll, was ich auch gerade per Missionscode an Colonel West weitergegeben habe. Dies bedeutet, dass die Abfertigung der Kranken ins Stocken geraten wird. In einer halben Stunde machen wir beide Eingänge dicht.« »Das werden die braven Bürger von New York überhaupt nicht gutheißen«, führt Sergeant Ruiz an. »Könnte schnell ungemütlich werden.« »Sir, irgendwelche Neuigkeiten bezüglich der nicht-tödlichen Waffen?«, fragt Sergeant McGraw gedehnt mit seinem starken South-Carolina-Akzent. »Der Captain meint, das sei November Golf, Pete. In anderen Worten, ein No Go.« McGraw kratzt sich an der Nase. Die breite Brust, ein Oberlippenbart gleich einer Stahlbürste und seine tätowierten Unterarme verleihen ihm ein furchteinflößendes Äußeres. Wenn er nicht gerade als Soldat dient, stottert er den protestantischen Süden gemeinsam mit seiner jungen Biker-Freundin auf der Harley ab: mit Vollgas über den heißen Asphalt. »Nicht gerade leicht, den Mob mit dem in Schach zu halten, was uns zur Verfügung steht, Lieutenant«, bemerkt er. »Wir sind bis an die Zähne bewaffnet, aber das bringt uns nichts, und das wissen Sie genau.« »Wir haben Bajonette. Die sollten Eindruck schinden. Hoffentlich genügt das auch.« »Und falls nicht, Sir?« Bowman blickt seinem Unteroffizier in die Augen. Ihm ist klar, was den Männern durch den Kopf geht: Im Irak, denken sie, sind die Straßen mit Amerikas ›guten Vorsätzen‹ gepflastert – blutgetränkt, übersät mit Leichen und Munition, die nicht gezündet hat. Dort starben Tausende Zivilisten, viele aufgrund irriger US-Befehle. Man kann schlichtweg nicht mit solcher Feuerkraft durch die Weltgeschichte laufen, wie es amerikanische Infanteristen tun, und erwarten, dass die Zivilbevölkerung unversehrt bleibt, besonders in Ballungsgebieten. Unfälle passieren, doch das können sie sich jetzt nicht leisten, da es sich bei diesen Zivilisten um ihre Mitbürger handelt. Um ihre Mission anständig auszuführen, brauchen die Soldaten Schlagstöcke, Schilde, Tränengas, Schützen auf den Dächern und Stahlvögel am Himmel, doch nichts davon haben sie. Überall im Land benötigen Einheiten der Army die gleichen Hilfsmittel, die jedoch einfach nicht in ausreichender Stückzahl vorhanden sind. Aufgrund der üblichen logistischen Pannen haben sie nicht einmal CS-Gas-Granaten, welche die Infanterie in städtischen Aufmarschgebieten normalerweise benutzen darf. Stattdessen schultern sie schwere Geschütze mit scharfer Munition in Hülle und Fülle. »Wir halten uns an die Einsatzregeln«, entgegnet Bowman. »Stellt euch vor, dass wir uns quasi in jemandes Wohnzimmer aufhalten.« Die Regeln für Einsätze im urbanen Raum besagen: Feuer nur erwidern, falls man direkt von einem feindlichen Subjekt beschossen wird, das eindeutig sichtbar ist … was so gut wie nie vorkommt. Er fügt hinzu: »Außerdem bleiben wir dicht zusammen. Wegen Lyssa und alledem haben wir ein Viertel unserer Stärke eingebüßt. Ich will verhindern, dass ein Teil dieses Zuges verloren geht und von einer Meute angepisster Zivilisten auf der Suche nach Medikamenten überrannt wird.« Sie wissen, sie befinden sich in einer ausweglosen Situation – einer ›Fickmühle‹, um im Armeejargon zu bleiben. Ruiz atmet durch die Nase aus, dass es pfeift. Lewis murmelt: »Mann, was für eine Scheiße!«, und Kemper ergänzt lächelnd: »Treten wir mit Wonne hinein, meine Herren.« Bowman zieht seine Augenbrauen hoch. »Okay, wenn die Menge außer Kontrolle gerät, ziehen wir Gasmasken an und feuern ein paar Nebelgranaten ab. Vielleicht glauben sie ja, es sei Tränengas und nehmen die Beine in die Hand. Ist weit hergeholt, ich weiß …« McGraw grinst. »Genügt völlig. Ist einen Versuch wert, Sir.« »Also gut dann; sehen Sie zu, dass Ihre Männer in 30 Minuten zum Appell bereitstehen.«
Wie man einen Polizeihubschrauber bei Grand Theft Auto am besten mit der Panzerfaust vom Himmel holt
Da die Kameraden von Kommando 3 Nachtschicht haben, genießen sie nun am Tag ein paar Stunden auf ihren Pritschen im kühlen Keller eines Krankenhauses, in welchem das Zweite Platoon einquartiert wurde. Drei von ihnen schlafen fest, nachdem es eine Diskussion darüber gegeben hat, wie man einen Polizeihubschrauber bei Grand Theft Auto am besten mit der Panzerfaust vom Himmel holt. Corporal Hicks übt sich schwitzend in Liegestützen am Boden, grunzt und wechselt zu Sit-ups. Boyd raucht still eine Zigarette, während er einen Brief von zu Hause liest, sich mit einer Hand träge über die Stoppeln auf seinem Schädel fährt und wiederholt »Oh Mann« flüstert. Tunichtgut McLeod hingegen blättert in einer Ausgabe des Playboys und liest laut für alle, die zuhören wollen, die Namen, Hobbys und Maße der Models vor, beziehungsweise nennt den Betrag, den er zu zahlen bereit wäre, falls er unendlich viel Geld hätte, um Sex mit ihnen zu haben. Der Frischling des Zuges näht an einem Riss in seiner Uniform und flucht andauernd darüber, dass er wieder einmal gottverdammte,