»In Ordnung, Herr Doktor«, stimmte Bianca zu.
Dr. Daniel wandte sich noch einmal an Eva-Maria. »Heute abend komme ich wieder zu dir, und soviel ich weiß, werden dich deine Eltern heute nachmittag besuchen.«
Eva-Maria preßte die Lippen zusammen, dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich…, ich möchte nicht…« wehrte sie leise ab. »Wenn sie mir Vorwürfe machen…«
Aufmerksam sah Dr. Daniel sie an. »Haben sie denn einen bestimmten Grund dazu?«
Eva-Maria zuckte die Schultern. »Ich hatte eine Fehlgeburt und liege im Krankenhaus…, das sind vermutlich Gründe genug, um mir Vorwürfe zu machen.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete Dr. Daniel. »Allerdings…, wenn du heute noch keinen Besuch empfangen möchtest, dann kann ich deine Eltern davon benachrichtigen.«
Eva-Maria nickte. »Ja, bitte, Herr Doktor. Ich…, ich möchte nicht, daß sie mich so sehen…, mit all diesen Schläuchen…« Doch ihr Erröten bewies, daß das nur die halbe Wahrheit war.
»In Ordnung, Eva-Maria«, stimmte Dr. Daniel nachdenklich zu, zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Ich nehme an, daß ich heute abend noch ein paar Fragen an dich haben werde, und ich hoffe, daß du mir dann die ganze Wahrheit anvertrauen wirst.«
Wieder errötete das junge Mädchen, blieb die Antwort aber schuldig.
»Eine ziemlich harte Nuß«, urteilte Dr. Parker, als er Dr. Daniel auf dem Flur vor der Intensivstation begegnete.
Der Arzt seufzte. »Ich weiß nicht, Jeff, Eva-Maria war immer ein sehr liebes, nettes Mädchen. Ihr momentanes Verhalten paßt irgendwie gar nicht zu ihr – ebenso wie die Tatsache, daß sie sich die Spirale nicht entfernen ließ, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr.« Er runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie überhaupt zu einer solchen Ansicht?«
»Ich kam zufällig dazu, als Fräulein Neubert Schwester Bianca förmlich bekniete, ihr den Temperaturfühler zu entfernen«, erzählte Dr. Parker. »Ich weiß natürlich, daß der Druck, den er verursacht, recht unangenehm ist, aber zu diesem Zeitpunkt konnten wir ihrem Wunsch einfach noch nicht entsprechen. Um sie von den ganzen Unannehmlichkeiten ein wenig abzulenken, habe ich versucht, mit ihr zu sprechen, doch sie zeigte sich dabei äußerst verstockt und gab mir – wenn überhaupt – nur sehr knappe, fast schon unfreundliche Antworten.«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Auch das ist untypisch für sie, aber ich hoffe doch sehr, daß ich herausbekommen werde, was sie so verändert hat.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Meine Güte, schon so spät! Ich muß ja schnellstens ins Labor hinüber.«
Er verabschiedete sich hastig von dem jungen Anästhesisten und eilte zu Dr. Scheibler, der inzwischen mit der Auswertung von Brigitte Kleins Blutprobe fertig war.
»Ich dachte schon, Sie hätten vergessen, noch einmal herzukommen«, empfing ihn der Oberarzt nicht ganz ernst.
»Ich stehe zwar wieder mal im Streß«, entgegnete Dr. Daniel. »Aber im ganzen funktioniert mein Gedächtnis noch recht gut.«
»Daran habe ich auch nicht gezweifelt«, verwahrte sich Dr. Scheibler, dann reichte er Dr. Daniel das Blatt, auf dem die Ergebnisse verzeichnet waren, faßte seine Erkenntnisse aber gleich kurz zusammen. »Die Blutsenkung ist beschleunigt und der Eisenwert zu niedrig. Der Eisenmangel ist aber nicht so gravierend, daß er für die Ohnmachtsanfälle der Patientin die Ursache sein sollte.«
Dr. Daniel lächelte. »Woraufhin Sie natürlich den HCG-Wert überprüft haben.«
Dr. Scheibler nickte. »Richtig, und ich würde sagen, die Patientin ist schwanger.« Bei dieser Nachricht blieb er ungewöhnlich ernst, doch mit dem Grund dafür hielt er nicht lange hinter dem Berg. »Allerdings – und das ist nun die schlechte Nachricht – leidet Fräulein Klein an Diabetes. Möglicherweise ist es ihr bekannt, aber ich vermute eigentlich eher Gestationsdiabetes, so daß sich dieser Zustand nach der Schwangerschaft wahrscheinlich wieder verflüchtigen wird.«
»Was die augenblickliche Gefahr für das Kind aber leider nicht vermindert«, meinte Dr. Daniel stirnrunzelnd und nahm nun auch das zweite Blatt Papier entgegen, das Dr. Scheibler ihm reichte. »»Ich werde sofort mit Manon und Fräulein Klein sprechen. Wenn wir die Zuckerkrankheit in den Griff bekommen, kann sie ja dennoch eine normale Schwangerschaft und Geburt haben.« Er reichte dem Oberarzt die Hand. »Danke, Gerrit, daß Sie das gleich für mich erledigt haben.«
»Ist doch selbstverständlich.« Er schwieg kurz. »Grüßen Sie Fräulein Klein von mir, und sagen Sie ihr, ich würde ihr auf jeden Fall alles Gute wünschen.«
*
Als Dr. Daniel die Praxis wieder erreichte, war das Wartezimmer leer.
»Manon?« rief er fragend.
»Ich bin hier!« erklang ihre helle Stimme aus dem kleinen Raum, der normalerweise für Blutabnahmen gebraucht wurde.
Als Dr. Daniel eintrat, sah Manon ihm erwartungsvoll entgegen. Brigitte Klein, die noch immer auf der Untersuchungsliege lag, richtete sich ein wenig auf, dann versuchte sie, im Gesicht des Arztes zu lesen.
»Sie bringen schlechte Nachrichten, nicht wahr?« Ihre Stimme klang dabei sehr leise und voller Angst.
»Nein, Fräulein Klein«, entgegnete Dr. Daniel beruhigend. »Jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Sie es jetzt vielleicht denken.« Er lehnte sich an die Kante der Untersuchungsliege und griff wie tröstend nach Brigittes Hand. »Die Blutuntersuchung hat ergeben, daß Sie schwanger sind.«
Die junge Frau erschrak zutiefst, dann verbarg sie ihr Gesicht in den Händen.
»Ausgerechnet jetzt«, stammelte sie, und man hörte ihr dabei die Verzweiflung an. »Oliver wird aus allen Wolken fallen. Wir wollten doch noch gar nicht…«
Dr. Daniel und Manon tauschten einen kurzen Blick. Die Ärztin erkannte die Besorgnis in den Augen ihres Mannes. Sie ahnte, daß die Schwangerschaft für ihn noch nicht das eigentliche Problem darstellte.
Jetzt ließ Brigitte die Hände sinken und sah Dr. Daniel bittend an.
»Können Sie es wegmachen?«
»Ich glaube nicht, daß Sie eine so wichtige Entscheidung jetzt übers Knie brechen sollten«, entgegnete Dr. Daniel, der genau wußte, daß im Moment Verzweiflung und Ratlosigkeit aus Brigitte sprachen. »Gleichgültig, mit welcher Reaktion Sie von Ihrem Freund rechnen – er sollte doch zumindest erfahren, daß er im Begriff ist, Vater zu werden. Möglicherweise ist er ja gar nicht so entsetzt darüber, wie Sie es jetzt befürchten.«
»Das ist er bestimmt«, flüsterte Brigitte und war dabei den Tränen nahe. »Wir haben doch erst vor einem Jahr den Baugrund gekauft, und jetzt…, der Rohbau steht zwar, aber wir stecken bis zum Hals in Schulden. Wenn ich nicht mehr arbeiten kann…, wie soll es denn dann weitergehen?«
Es widerstrebte Dr. Daniel, Brigitte jetzt mit noch einem weiteren Problem zu belasten, doch er hatte als Arzt keine andere Wahl.
»Das alles ist sehr schlimm, Fräulein Klein«, meinte er. »Aber ich bin sicher, daß sich die finanziellen Schwierigkeiten irgendwie beheben lassen würden.«
Mit einem Ruck hob Brigitte den Kopf, die aus seinen Worten etwas Bestimmtes herausgehört zu haben glaubte. »Ist mit dem Kind etwas nicht in Ordnung?« Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab, sondern fügte sofort hinzu: »Dann verlange ich ohnehin eine Abtreibung.«
»Es geht nicht um das Kind, Fräulein Klein, sondern um Sie«, entgegnete Dr. Daniel ruhig. »Wurde bei Ihnen jemals Diabetes festgestellt?«
Brigitte erbleichte. Ihr Gesicht war jetzt