Er hob seine Hände, drehte sie vor seinen Augen hin und her und untersuchte sie. Sowohl seine Hände als auch seine Unterarme waren bis zu den Ellbogen hinunter blutverschmiert. Das Blut war bereits getrocknet und hatte eine tiefrote bis dunkelbraune Färbung angenommen. Der Mann trug die Flecken wie ein Abzeichen.
Er hatte zwei Männer in den Rumpf eines in die Jahre gekommenen Schiffes eingesperrt, welches in einem alten Schiffsfriedhof ankerte. Ihre Hände waren mit Plastikfesseln fixiert, und die Männer wimmerten, denn sie ahnten bereits, welches Schicksal sie erwarten würde. Božanović ragte bedrohlich vor ihnen auf, zusammen mit einem dicht aneinandergedrängtem Publikum. Ein Klassenzimmer, in dem er den Professor verkörperte, der gleich eine unvergessliche Lektion erteilen würde.
Die Männer weinten, flehten ihn an, gelobten Besserung, aber Božanović spürte keinerlei Reue. Er zog sein Messer hervor, hielt es demonstrativ vor sich, und begann danach dem ersten Mann die Haut abzuziehen. Die Hautfetzen ließen sich mühelos ablösen und rollten sich von den Knochen.
Dann widmete er sich dem Gesicht, der Brust und dem Bauch. Am Ende, als der Mann einen sehr langsamen Tod gestorben war, war sein Körper fürchterlich zugerichtet und verstümmelt gewesen.
Der zweite Mann schrie um Vergebung, bis das Messer schließlich auch seine Haut berührte. Tränen rannen ihm über die Wange. Mit einem bösartigen Lächeln im Gesicht sah Božanović auf seinen Soldaten hinunter, als ob er noch einmal über dessen Schicksal nachdenken würde, doch dann erklärte er ihm, dass seine Handlungen verantwortungslos gewesen waren und jedes dieser Leben bares Geld bedeutete.
Dann häutete er auch diesen Mann, und jeder Schnitt seines Messers war eine Warnung an alle, die ihm dabei zusahen, dass er Unzuverlässigkeit nicht tolerieren würde. Für Božanović ging es immer um Botschaften, um Warnungen. Das Messer war sein Pinsel und der Körper des Mannes seine Leinwand.
Als er mit seiner Demonstration fertig war, fragte Božanović in die Runde, ob noch irgendwelche Unklarheiten darüber bestehen würden, was er in der Zukunft von ihnen erwartete. Natürlich meldete sich niemand zu Wort. Die Botschaft war eindeutig gewesen: Geld war das Wichtigste und Fehler würden nicht toleriert werden.
Er ließ seine Arme wieder herabsinken. Über ihm drehten sich langsam die Flügel des Ventilators, mit dem einen Blatt, das scheinbar verzweifelt versuchte, sich aus seiner Verankerung zu befreien.
Morgen, bevor er sich an die Arbeit machte, würde er seine Arme abwaschen und sich selbst säubern. Doch fürs Erste würde er schlafen, mit der tröstlichen Gewissheit, von der Wärme des Blutes eines anderen Mannes umhüllt zu sein.
Kapitel 6
Der Straßenmarkt der Rue Cler, Paris, Frankreich, am nächsten Tag
Sowohl Shari als auch Gary behielten ihre beiden Töchter im Auge, gaben ihnen jedoch genug Freiraum, um ihnen das Gefühl zu vermitteln, als könnten sie sich ungehindert auf ihre Einkaufstour begeben.
Die Mädchen kicherten, fühlten sich auf gewisse Art befreit. Zwei Mädchen beim Einkaufsbummel in einem fremden Land, wo man mit Euros bezahlte – all das gab den beiden das Gefühl, schon sehr erwachsen zu sein.
Aber die Eltern waren nicht die Einzigen, welche die beiden Mädchen beobachteten. Božanovićs Mann verfolgte die Familie und behielt sowohl die Eltern als auch die Mädchen im Auge. Das Problem war nur, dass auf dem Markt ein ziemliches Gedränge herrschte und zwischen ihnen ein größerer Abstand lag. Auf diese Weise war es schwer, beide Gruppen im Blick zu behalten.
Der Mann zog ein Handy hervor und wählte eine zuvor gespeicherte Nummer.
»Ja.«
»Wir sind auf dem Markt auf der Rue Cler«, berichtete er Božanović. »Hier sind zu viele Menschen.«
»Ich schicke ein Team und einen Transporter. Wenn die Familie den Markt verlässt, zeigst du den Männern, um wen es sich handelt, und lässt sie ihnen folgen. Sie wissen dann, was zu tun ist.«
»Verstanden, Sir.«
Nachdem er sich das Handy wieder in seine Hemdtasche gesteckt hatte, bummelte der Mann weiter scheinbar ziellos umher und sah sich hier und da die Auslagen an, während er versuchte, die beiden Trophäen im Blick zu behalten.
Die Mädchen waren begeistert und kauften Nippes und französische Christbaumkugeln; eben Dinge, mit denen sie zuhause ihre Regale schmücken konnten.
Drei Stunden später, als sie beinahe ihr ganzes Geld ausgegeben hatten, sahen sie sich nach ihren Eltern um und mussten feststellen, dass diese nur einen Steinwurf von ihnen entfernt liefen.
»Und jetzt?«, wollte Stephanie wissen. »Wir haben kein Geld mehr.«
»Na ja, wir dachten daran, einen Abstecher in den Louvre zu machen, und uns dann noch die Kathedrale von Notre-Dame anzusehen«, erklärte Gary. »Das sind berühmte historische Bauwerke, wisst ihr?«
Steph rollte mit den Augen. Ja, schon klar.
Bei dieser Geste musste Gary schmunzeln. Er konnte nicht anders. Stephanie hatte sichtlich Spaß, aber sie war so bemüht, ihre Attitüde weiter aufrechtzuerhalten, dass es einfach nur köstlich anzusehen war. Er konnte es nicht länger zurückhalten und ließ eine Reihe weißer Zähne aufblitzen.
»Was?«
Er schüttelte den Kopf. »Ach, nichts.«
Kurz darauf stiegen sie in einen Bus, ohne zu ahnen, dass sie verfolgt wurden. Božanovićs Soldat ließ sich im hinteren Teil des Busses auf einen Sitz fallen und behielt sie im Auge.
Am Louvre angekommen, verkündete der Busfahrer ihr Eintreffen in drei unterschiedlichen Sprachen: Französisch, Italienisch und Englisch.
Sie stiegen vor den großen gläsernen Pyramiden aus dem Bus und betraten den Palast durch den Sully-Flügel im Osten.
Božanovićs Soldat blieb dicht hinter ihnen, verschmolz mit der Menschenmenge und kam den beiden Mädchen dabei so nahe, dass er ihr Parfüm riechen konnte.
Dann ließ er sich zurückfallen und wählte Božanovićs Nummer. »Wir sind im Ostflügel des Louvre«, berichtete er ihm. »Ich hörte sie darüber sprechen, dass sie in vier Stunden den Bus vom Cour Carrée nehmen wollen.«
Božanović zögerte einen Moment. »Dort ist zu viel Verkehr«, ließ er sich schließlich vernehmen. »Zu viele Zeugen.«
»Sie erwähnten zudem, danach Notre-Dame besichtigen zu wollen.«
»Das ist besser. Ich werde binnen einer Stunde ein Team zur Cour Carrée schicken, von wo aus sie dem Bus folgen sollen. Wenn sie dort eintreffen, schlagen wir zu. Bleib an ihnen dran, Tolimir. Wenn sie ihre Pläne ändern sollten, bevor das Team bei dir eintrifft, dann gib mir Bescheid.«
»Jawohl, Sir.«
»Sie werden einen schwarzen Transporter fahren, sehr unauffällig. Du kennst den Ablauf.«
»Das tue ich.«
»Sie rufen dich an, wenn sie da sind.«
Bevor Tolimir noch etwas erwidern konnte, hatte Božanović bereits aufgelegt.
Sie konnten nur einen Teil der Kunstwerke genießen, bevor ihnen die Fülle an Gemälden, Statuen und Ausstellungsstücken zu viel wurde. Sie verließen den Louvre eine Stunde vor der eigentlich geplanten Zeit und bummelten durch die Seitenstraßen.