„Berti Dumm. Wir haben uns doch Jahre, fast Jahrzehnte, nicht mehr gesehen. Und jetzt soll ich dir helfen? Ich glaube es nicht.“
„Ja, natürlich. Du bist doch Kommissar. Wenn du mir nicht helfen kannst, wer dann?“
„Wo wohnst du jetzt? Du bist doch damals mit meiner Susi nach Itzehoe durchgebrannt. Hast dich noch nicht mal verabschiedet. Und jetzt rufst du aus heiterem Himmel bei mir an und verlangst, dass ich dir helfen soll. Du spinnst vielleicht!“
„Das mit Susi ist doch längst vorbei. Tut mir auch leid. Ich bin vor einiger Zeit nach Bergheim gezogen und du bist der Einzige, den ich hier in der Gegend kenne, der mir helfen kann – dem ich vertraue. Wir waren doch immer die besten Freunde. Sind durch Dick und Dünn gegangen und haben alles geteilt. Du hilfst mir doch?“
„Du bist nach Bergheim an die Erft gezogen? Das ist nicht meine Gegend.“
„Nicht Bergheim an der Erft. Troisdorf-Bergheim. Da kennst du dich doch bestens aus. Hab` in der Zeitung von deinen Fällen in Troisdorf gelesen. Bist wohl ein toller Hecht bei der Polizei.“
„Oh, mein Gott. Du wohnst in Troisdorf.“
„Nicht ‚oh mein Gott‘. Gott sei Dank! Daher bin ich doch wieder auf dich gestoßen.“
„Du bist tatsächlich verrückt. Das mit der Freundschaft ist lange her. Und alles geteilt haben wir beileibe nicht. Wir haben uns Susi nicht geteilt, du hast sie mir weggenommen und bist mit meiner Freundin in die Diaspora nach Itzehoe verschwunden, ohne mir ein Wort zu sagen. Und jetzt willst du von mir Hilfe? Wobei soll ich dir eigentlich helfen?“
„Sie bewegt sich nicht mehr. Sie atmet nicht mehr. Ich glaube, sie ist tot.“
Pause.
Ronni sagte kein Wort mehr. Auch Berti schwieg. Ronni aus Entsetzen, aufgrund dieser Aussage seines ehemaligen Freundes – Berti, weil er nicht wusste, was er noch hätte sagen sollen. Vielleicht auch ein wenig aus Respekt vor Ronni, der diese Botschaft erst einmal verarbeiten musste.
Ronni schluckte.
„Von wem sprichst du denn überhaupt?“
„Von meiner Freundin natürlich. Ronni, sie ist tot! Was soll ich tun?“
„Tot? –- Was ist denn passiert?“
„Na ja, wir hatten einen schönen Nachmittag. Wir lagen im Bett und haben …“
„Verschon‘ mich mit deinen Bettgeschichten. Wieso atmet sie nicht mehr?“
„Sagte ich doch schon. Weil sie tot ist.“
„Aber wieso ist sie tot? Ist sie an einem Herzinfarkt gestorben?“
„Nein … ich … denke nicht.“
„Ja, woran denn? Man stirbt doch nicht einfach so.“
Kurze Pause.
„Oder… hast du … sie. Du weißt schon?“
„Nein! Was denkst du von mir?“
„Nochmal. Was ist denn passiert? Wieso ist sie tot?“
„Wir hatten Hunger. Danach haben wir immer Hunger. Du verstehst. Ich habe mich angezogen und bin um die Ecke zum Chinesen gegangen – wie jedes Mal danach. Sie blieb im Bett liegen. Wir beiden mögen chinesisch sehr gern, und dieser Chinese …“
„Weiter! Eure Essgewohnheiten interessieren mich nicht.“
„Ja, als ich dann nach Hause kam, lag sie da und atmete nicht mehr. Dann habe ich dich angerufen.“
„Und woher hast du meine Nummer?“
„Von deiner Dienststelle in Bonn.“
„Verdammt. Das darf doch nicht wahr sein.“
„Doch, die Dame war sehr nett. Als ich ihr sagte, dass du mein Freund bist und dass es dringend sei, hat sie mir deine Nummer gegeben.“
„Na gut. Hast du sie untersucht? Vielleicht atmet sie doch noch und ist gar nicht tot.“
„Nein, das kann ich nicht. Ich habe sie nicht angefasst. Ich bin geschockt.“
„Wieso hast du nicht sofort einen Arzt gerufen, anstatt mich anzurufen?“
„Sie ist tot. Mausetot, du verstehst? Da bin ich mir total sicher. Was soll da ein Arzt noch machen? Die Würgemale am Hals sind doch eindeutig. Da hätte ich auch direkt die Polizei rufen können. Die hätten mich dann sofort verhaftet.“
„Sie wurde erwürgt? Wenn nicht von dir, von wem sonst? Wart ihr nicht allein in der Wohnung?“
„Na klar waren wir allein, oder glaubst du, wir wollten Zuschauer oder wir hätten einen flotten Dreier gemacht?“
„Ja, ich meine nein. Aber es muss doch jemand in der Wohnung gewesen sein, wenn du sie nicht erwürgt hast. Du hast doch bestimmt die Wohnungstür hinter dir geschlossen, als du zu diesem Chinesen gegangen bist?“
„Na klar. Ich habe sie zugezogen.“
„Aha, nur zugezogen hast du sie!“
„Ja, genau. Mach’ ich immer so.“
„War irgendetwas außergewöhnlich, am Nachmittag und als ihr im Bett gewesen seid?“
„Nein, eigentlich nicht. Außergewöhnlich …? Na gut, wenn du meinst, ob sie außergewöhnlich war, dann ja. Sie war außergewöhnlich gut. Aber das lag daran, weil sie etwas gutzumachen hatte. Sie hatte mich vorher extrem geärgert – daher hatte sie etwas gutzumachen.“
„Wieso hatte sie dich geärgert? Nun lass dir doch nicht alles aus dem Mund ziehen, verdammt noch mal.“
„Okay, okay. Wir hatten uns gestritten. Alles war gut, bis sie diese Anrufe bekam. Allein dieser Klingelton. Mark Forsters
„194 Länder“ nervte ungemein. Zuerst sagte sie, es wäre ihre Freundin und legte einfach auf. Beim nächsten Anruf sagte sie „falsch verbunden“. Und beim dritten Mal habe ich ihr das Handy aus der Hand gerissen. Doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt. Es war aber immer die gleiche Nummer. Nix Freundin, nix falsch verbunden. Es war mit Sicherheit ihr Liebhaber. Du verstehst?“
„Aber das muss doch nicht unbedingt ihr Liebhaber gewesen sein.“
„Als ich ihr das auf den Kopf zugesagt habe, hat sie nur gelacht. Immer nur gelacht. Die Tränen liefen ihr vor lauter Lachen die Wangen hinunter. Und ich stand da wie ein Depp.“
„Ja und dann?“
„Dann war sie ganz lieb zu mir und hat gesagt, ich wäre doch ihr einziger Liebhaber und noch viele andere schöne Sachen hat sie gesagt. So lieb wie danach, war sie lange nicht mehr. Sie hat …“
„Ja, ja, ja. Weiter will ich gar nichts hören. Ich kann es mir vorstellen. Wo ist sie jetzt?“
„Na, wo wohl? Bei mir … im Bett … nackig. Wir waren seit heute Nachmittag … im Bett … du verstehst?“
„Ja, ja, das verstehe ich.“
„Sag schon, was soll ich machen?“
„Deck’ sie zumindest zu, damit du nicht immer den Anblick deiner toten Freundin ertragen musst.“
„Ja, mach’ ich. Aber das kann doch nicht alles sein. Und was mach’ ich dann?“
„Du musst die Polizei rufen.“
„Ich glaube, jetzt spinnst du. Soll ich mich für fünf Jahre ins Gefängnis setzen? Diesen tollen Rat konnte ich mir selbst geben. Dafür habe ich dich nicht angerufen. Du sollst mir helfen und mich nicht in den Knast bringen.“
„Fünfzehn!“
„Was, fünfzehn?“
„Ich meine: Vielleicht gehst du für fünfzehn Jahre ins Gefängnis. Ich kann dir keinen anderen