Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Swoboda
Издательство: Bookwire
Серия: Sophienlust Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740971625
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      Denise wartete auf eine nähere Erklärung von Irene, aber diese schwieg. So fuhr sie nach einer Weile fort: »Ich verstehe, dass Sie das hart trifft, weil Sie gehofft haben, Anselm zu sich nehmen zu dürfen. Wenn nun ein Vater da ist, wird das nicht möglich sein. Aber muss es gerade Anselm sein? Sie sind noch so jung und werden sicher bald eigene Kinder bekommen.«

      »Nein«, flüsterte Irene mit heiserer Stimme, »jetzt nicht mehr.«

      Denise warf ihr einen verwunderten Blick zu. Irene schien sich in einem Zustand größter Niedergeschlagenheit zu befinden. Trotzdem wollte Denise Klarheit über Anselms Vater erlangen, und da Irene außer dem Jungen die einzige war, die diese geheimnisvolle Person gesehen hatte, war sie gezwungen, Irene mit weiteren Fragen zu behelligen.

      »Ich verstehe nicht, warum Anselms Vater wieder verschwunden ist, ohne sich bei uns blicken zu lassen. Dieses Verhalten finde ich mehr als eigentümlich. Wissen Sie eine Erklärung dafür? Kennen Sie seinen Namen? Wenn man Anselms Schilderung Glauben schenken darf, waren Sie den ganzen Nachmittag mit dem Vater beisammen.«

      »Ja.« Irene hatte den Kopf gesenkt und kratzte mit den Fingernägeln auf dem vor ihr stehenden Tisch herum. Denise beobachtete sie mit gemischten Gefühlen, denn die Platte war frisch poliert.

      Endlich beendete Irene diese nutzlose Tätigkeit, sah auf und blickte Denise voll an. »Es fällt mir schrecklich schwer, darüber zu sprechen«, begann sie, »aber ich muss es Ihnen erzählen. Alles. Von Anfang an.«

      Trotz dieser Ankündigung verfiel Irene wieder in Schweigen und stellte Denises Geduld auf eine harte Probe.

      »Wenn Sie mir den Namen von Anselms Vater sagen würden«, schlug Denise vorsichtig vor, »das wäre sehr wichtig.«

      »Der Name. Das ist ja das Arge.«

      »Wieso? Was ist daran arg?«

      Irene nahm sich zusammen. Es gab jetzt kein Zurück mehr. »Anselms Vater ist mein Mann. Ich habe nicht das Geringste davon geahnt, dass er ein Kind hat. Er hat es mir verheimlicht.«

      Sie erzählte nun, wie es zu dem

      gestrigen Zusammentreffen gekommen war, schilderte Denise den anschließenden Streit und erwähnte auch, dass sie ihren Mann verlassen habe.

      Denise verstand nun Irenes Niedergeschlagenheit. Sie sah ein, dass die junge Frau Grund dafür hatte. »Und was wollen Sie jetzt beginnen?«, fragte sie schließlich.

      »Ich möchte mir eine Stelle suchen. Ich bin Lehrerin.«

      »Ich bin überzeugt, dass Sie bald etwas finden werden.«

      Denise überlegte rasch und gründlich. Irene schien die Trennung von ihrem Mann kaum verwinden zu können. Aber Denise war sicher, dass sie ihn immer noch liebte. Vielleicht ist noch nicht alles verloren, dachte sie. Ich muss dafür sorgen, dass Irene in der Nähe ihres Mannes bleibt.

      Laut sagte Denise: »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir haben hier in Sophienlust drei Gästezimmer. Sie könnten hierbleiben, bis Sie eine Wohnung und eine Stelle gefunden haben. Vielleicht finden Sie irgendwo in der näheren Umgebung eine freie Stelle.«

      Irene war über Denises Anerbieten so erleichtert, dass sie es, ohne sich zu zieren, annahm. Sie war froh, nicht allein zu sein und über Otmars Untreue nachgrübeln zum müssen. Hier in Sophienlust hatte sie die Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen. Eifrig fragte sie: »Kann ich mich irgendwie nützlich machen? Braucht eines der Kinder Nachhilfestunden?«

      »Ja. Eventuell Fabian. Und Vicky. Mathematik ist nicht gerade die Stärke der beiden.«

      *

      Anselm war über Irenes Aufenthalt in Sophienlust hellauf begeistert. Natürlich verstand er die Zusammenhänge noch nicht und quälte Irene mit Fragen, die für sie schmerzlich waren. Zum Beispiel wollte er wissen, ob ihn sein Vati bald wieder besuchen würde und ob sie wieder zusammen im Wald spazierengehen würden.

      Irene bemühte sich, ihren Kummer zu unterdrücken und sich dem Kind gegenüber nichts anmerken zu lassen. Es war ein Glück, dass sie an dem Tag, an dem Anselms Mutter überraschend in Sophienlust aufkreuzte, nicht anwesend war. Sie war in ein nicht weit entfernt gelegenes Dorf gefahren, um dort wegen einer Stelle zu verhandeln. Eine der Lehrerinnen erwartete ein Baby und würde für mindestens ein Jahr zu Hause bleiben.

      So entging Irene Laurettas Auftritt.

      Lauretta hatte nicht nur die Probeaufnahmen erfolgreich beendet, sondern auch schon eine Filmrolle halbwegs einstudiert. Nun war sie nach Maibach gekommen, um ihrer Mutter davon zu berichten, und sie und Anselm nach Frankreich mitzunehmen. Sie hatte ein Telegramm vorausgeschickt, aber am Flugplatz hatte sie niemand erwartet. Eine Nachbarin hatte sie dann über den plötzlichen Tod ihrer Mutter unterrichtet.

      Lauretta ging in den Kosmetiksalon, wo sie von Frau Kaufmann aufgeregt begrüßt wurde: »Wissen Sie es schon? Das von Ihrer Mutter? Es ist zu schrecklich.«

      »Ja, es ist wirklich schrecklich«, erwiderte Lauretta müde und sank in einen der Fauteuils im Wartezimmer. Es waren im Augenblick keine Kundinnen anwesend, sodass sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen konnte. »Mit so etwas habe ich nicht gerechnet – besonders jetzt nicht, da ich geglaubt hatte, alles erreicht zu haben.« Um ihren schön geschnittenen Mund lag ein bitterer Zug. »Sie wäre so stolz auf mich gewesen. Sie war der einzige Mensch …« Lauretta sprach nicht weiter. Sie war nicht der Typ, der sich mit sinnlosen Klagen abgab. »Wissen Sie, wo Anselm ist?«, fragte sie nach einer kurzen Pause. »Meine Nachbarin konnte mir darüber keine Auskunft geben.«

      »Oh, ich weiß, wo Anselm steckt. Es ist alles in Ordnung. Er war die ganze Zeit über gut aufgehoben.« Frau Kaufmann erzählte Lauretta nun von Sophienlust und von Denise von Schoenecker. »Eigentlich hatte ich vor, ihn öfters zu besuchen«, fügte sie etwas schuldbewusst hinzu, »aber es ist mir dauernd irgendetwas dazwischengekommen. Übrigens hat Anselm eine Freundin gefunden. Tante Irene nennt er sie. Sie war ein paarmal hier und hat sich Hautunreinheiten beseitigen lassen. Anselm dürfte für uns Reklame gemacht haben.«

      Die Geschäftstüchtigkeit ihres Sohnes hätte Lauretta normalerweise aufgeheitert, aber jetzt war sie zu traurig und deprimiert. Die Existenz ihrer Mutter war für sie eine Selbstverständlichkeit gewesen. Sie konnte deren plötzlichen Tod noch immer nicht begreifen.

      Lauretta erkundigte sich bei Frau Kaufmann nach dem Weg, der nach Sophienlust führte, lieh sich deren Auto aus und fuhr sofort hin.

      Ihre Ankunft löste beträchtliches Aufsehen unter den Kindern aus, denn ihre Erscheinung war ziemlich auffallend. Die Mädchen musterten sie mit neidischen Blicken, bevor eines von ihnen Anselm herbeiholte.

      »Anselm! Stell dir vor, deine Mutti ist gekommen.«

      »Meine Mami?«

      »Ja, deine Mami. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so schön ist«, fügte Vicky naiv hinzu.

      Lauretta war in die Halle geführt worden und wartete dort auf ihren Sohn. Anselm betrat schüchtern den großen Raum. »Mami?«, vergewisserte er sich und trat zögernd näher. »Was ist denn mit deinen Haaren geschehen? Das ist aber eine komische Farbe.«

      »Davon verstehst du nichts«, erwiderte Lauretta gereizt. Sie hatte sich das Wiedersehen mit ihrem Sohn ganz anders vorgestellt. »Willst du mir keinen Kuss geben?«

      »Doch.« Anselm stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Lauretta zaghaft auf die Wange. Dabei konnte er seinen Blick nicht von ihrem Haar losreißen. Sie trug es nicht mehr im Nacken zu einem Knoten geschlungen, sondern ließ es in weichen Wellen über ihre Schultern fallen. Das Hervorstechendste aber war die Farbe: ein helles leuchtendes Rotblond.

      »Deine Haare gefallen mir gar nicht«, sagte Anselm. »Kannst du nichts gegen diese hässliche Farbe tun? Kauf dir so ein Ding, eine … eine Perücke.«

      »Anselm!« Lauretta war über diese Kritik entrüstet. »Meine Haare sind doch schön. Jeder hat das gesagt. Ich habe sie färben lassen, weil René meinte, rot würde besser zu meinem Image passen.«

      »Kannst