Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Swoboda
Издательство: Bookwire
Серия: Sophienlust Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740971625
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Anselm.

      »Na ja, wenn du es sagst, wird es schon stimmen«, erwiderte Irene. Doch ihre Miene drückte dabei eine solche Ungläubigkeit aus, dass Anselm rief: »Natürlich stimmt es. Denkst du, ich schwindle? Vielleicht glaubst du auch nicht, dass ich einen Vati habe. Aber ich habe einen Vati. Er ist groß und blond und hat braune Augen. Am liebsten trägt er einen grauen Anzug und eine rotblau gestreifte Krawatte.«

      Irene lächelte. Anselm schien von seinem Wunschvati eine sehr genaue Vorstellung zu haben. Was sie daran so freute, das war, dass Otmar ganz gut in das von Anselm beschriebene Bild passen würde. Würde Otmar mit Anselm einverstanden sein, so würde es auch umgekehrt der Fall sein. Irene sah die Zukunft in einem rosigen Licht.

      *

      Billie war inzwischen vollkommen genesen. Ein Aufenthalt im Tierheim war nun nicht mehr notwendig.

      Andrea machte Irene eine diesbezügliche Mitteilung. »Billie ist jetzt wieder gesund«, sagte sie. »Sie brauchen sich keine Sorgen mehr um ihn zu machen und können ihn ohne weiteres mit nach Hause nehmen.«

      Andrea hatte erwartet, dass Irene mit Freude und Dankbarkeit auf diese Eröffnung reagieren würde, aber da täuschte sie sich. Trotz dieser erfreulichen Auskunft wurde Irenes Gesicht traurig. Ein wenig Verzweiflung war aus ihrer Stimme herauszuhören, als sie sagte: »Muss ich ihn mitnehmen? Darf ich ihn nicht noch eine Weile im Tierheim lassen? Hier ist er so gut aufgehoben.«

      Andrea zeigte deutlich ihre Überraschung. »Ich habe geglaubt, Sie haben Billie gern?«, fragte sie.

      »Das stimmt. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn er hierbleiben könnte.«

      »Ich an Ihrer Stelle wäre froh, wenn ich ihn bei mir haben könnte.«

      »Ja …« Die Gedanken wirbelten Irene durch den Kopf. Natürlich, es musste sonderbar wirken, dass sie ihren Hund nicht bei sich haben wollte. Kein Wunder, dass Frau von Lehn annahm, sie habe ihn nicht gern. Dabei hatte Billie noch vor kurzem den Mittelpunkt ihres Lebens dargestellt. Dank Anselm war das nun anders. Trotzdem hatte sie Billie noch genauso gern wie früher. Aber sie fürchtete sich vor dem Zusammentreffen des Hundes mit Otmar. Ob der Hund vergessen hatte, was ihm sein Herrchen angetan hatte? Und wie würde sich Otmar in Zukunft dem Hund gegenüber verhalten? Vielleicht würde er ihn doch wieder misshandeln, allen Beteuerungen zum Trotz? Aber womit sollte sie ihr Zögern, Billie nach Hause zu nehmen, Frau von Lehn gegenüber motivieren?

      »Wollen Sie den Hund überhaupt nicht mehr?«, fragte Andrea, der das Schweigen allmählich zu drückend wurde. »Sie können ihn uns eventuell ganz überlassen. Das wäre immerhin günstiger, als ihn zu fremden Leuten zu geben, die ihn quälen.«

      Irene wusste nicht, was sie erwidern sollte. Es war ihr klar, dass Frau von Lehn auf Billies Verletzungen anspielte.

      »Bei uns würde ihm nichts Böses zustoßen«, fuhr Andrea fort, während Irene immer verlegener wurde.

      »Nein, ich will Billie nicht hergeben. Nicht für ständig«, sagte sie endlich. »Nur im Moment … Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll …«

      »Sie sind mir keine Erklärung schuldig.« Andreas Antwort klang ziemlich kühl.

      Es wurde Irene bewusst, dass sie die Wahrheit nicht länger verschweigen konnte. Zumindest nicht Andrea gegenüber. »Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden«, begann sie, »aber wenn ich Ihnen von dem Vorfall erzählt habe, werden Sie wahrscheinlich besser verstehen, wie peinlich mir die ganze Angelegenheit ist.« Danach beschrieb sie, wie Billie sich die Verletzungen zugezogen hatte.

      Andrea hörte ihr entsetzt zu. »Ihr Mann muss ein abscheulicher Mensch sein!«, rief sie spontan aus.

      »O nein«, widersprach Irene, »er ist nicht abscheulich.«

      »Ein Mann, der ein wehrloses Tier misshandelt, ist in meinen Augen ein, ein …« Andrea suchte nach einem passenden Ausdruck, aber es fiel ihr keiner ein.

      »Otmar war früher nicht so«, sagte Irene leise, mehr zu sich selbst. »Am Anfang unserer Ehe waren wir sehr glücklich.«

      Andrea betrachtete Irene mit einer Miene, die deutlich ihren Unglauben ausdrückte. »Ich könnte mit so einem Menschen nicht zusammenleben«, stellte sie fest.

      »Ach«, seufzte Irene, »seit damals habe ich nachgedacht und nachgedacht, aber ich bin zu keinem Entschluss gekommen.«

      »Warum nicht? Soviel ich weiß, haben Sie keine Kinder. Das würde eine Scheidung doch erleichtern.«

      »Ja, sicher«, erwiderte Irene gedehnt.

      »Sind Sie finanziell von Ihrem Mann abhängig? Haben Sie Angst, keine Arbeit zu finden, wenn Sie sich von ihm trennen?«

      »Nein, das ist nicht der Grund für mein Zögern. Ich bin Lehrerin. Ich würde bestimmt nicht verhungern, wenn ich allein wäre, aber …«

      »Aber? Was kann Ihnen denn an einem solchen Menschen liegen? Nachdem er zu dem armen Billie so grausam war, müsste es Ihnen leichtfallen, sich von ihm zu trennen.«

      »Hm«, meinte Irene ohne Überzeugung.

      »Sie werden sehen, wie erleichtert Sie sein werden, wenn Sie ihn erst einmal losgeworden sind«, meinte Andrea. Doch ihre Worte schienen Irene nicht zu begeistern, was ihr deutlich anzusehen war.

      »Warum klammern Sie sich so sehr an ihn?«, fragte Andrea deshalb.

      »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, nicht mehr mit Otmar beisammen zu sein«, entgegnete Irene. »Ein Leben ohne ihn … Ich fürchte, ich liebe ihn eben«, gestand sie.

      Andrea öffnete schon den Mund, um zu sagen, dann ist Ihnen eben nicht zu helfen, schluckte aber diese offenherzigen Worte noch rechtzeitig hinunter. Doch später legte sie Hans-Joachim gegenüber weniger Zurückhaltung an den Tag. Sie erzählte ihm von ihrer Unterredung mit Irene und fügte hinzu: »Ich kann mich in Frau Wieninger einfach nicht hineinversetzen.«

      »Das ist auch gar nicht notwendig«, erwiderte Hans-Joachim etwas trocken. »Bleib nur schön brav meine Andrea.«

      »Mach dich nicht lustig über mich. Du weißt schon, was ich meine. Ich verstehe nicht, dass sie mit einem

      solchen … Scheusal zusammenleben kann.«

      Hans-Joachim lächelte nachsichtig. »Sie hat dir klipp und klar erklärt, dass sie ihn liebt. Genügt dir das nicht?«

      »Aber wie kann man einen Menschen, der ein Tier derart quält, lieben?«

      »Vermutlich war das eine einmalige Entgleisung.« Hans-Joachim wurde ernst. »Natürlich ist das keine Entschuldigung für seine Handlungsweise, aber es kann jedem einmal passieren, dass er die Beherrschung verliert.«

      »Jedem? Nein, das glaube ich nicht«, rief Andrea. »Du würdest so etwas nie tun.«

      »Na, das wollen wir doch hoffen«, erklärte Hans-Joachim, keineswegs geschmeichelt durch Andreas Ausruf. »Es ist wohl eine Selbstverständlichkeit, dass ich nicht nach Hunden trete.«

      »Siehst du«, erwiderte Andrea. »Herr Wieninger ist eben doch ein schlechter Mensch.«

      »Mag sein. Das heißt, ich weiß es nicht, ich kenne ihn nicht. Aber wenn ihn seine Frau liebt, so ist das ihre Angelegenheit. Sie muss zu einem Entschluss kommen. Du kannst ihr da nicht helfen.«

      »Leider. Aber Billie wollen wir einstweilen noch bei uns behalten, nicht wahr?«

      »Natürlich.«

      *

      Der Gegenstand dieser Erörterung, Otmar Wieninger, fühlte sich keineswegs wohl in seiner Haut. Davon, dass Irene ihn immer noch liebte, merkte er nichts. Im Gegenteil, sein Argwohn, dass er ihr gleichgültig geworden sei, stieg von Tag zu Tag. Er hatte gehofft, dass mit seiner Entschuldigung, die ihm schwer genug gefallen war, der alte Zustand wiederhergestellt sein würde, doch hierin sah er sich getäuscht. Obwohl er sich hütete, Irene zu ärgern, und sich ihr gegenüber aufmerksam und liebevoll wie schon lange nicht mehr benahm, war es, als ob eine unsichtbare