Die Kunst des Aufstands. Wilfried Metsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilfried Metsch
Издательство: Bookwire
Серия: kritik & utopie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854767053
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gewordene Einleitung. In dieser bilanziert er die Erfahrungen der Arbeiterbewegung aus den letzten vierzig Jahren, insbesondere hinsichtlich gewaltförmiger Aufstände. Die Herausgabe dieser Schrift ist kein Zufall. Engels weist damit auf die Notwendigkeit eines konsequenten Klassenkampfes hin, da in der Sozialdemokratie vermehrt reformistische Tendenzen auftreten.

      Zunächst analysiert er den Entwicklungsprozess der Arbeiterbewegung von frühproletarischen Sektenanfängen zu nunmehr mächtigen Parteien mit Millionen von Wählern. Die Zeit der »Minoritätsrevolutionen«196 – von 1789 in Frankreich bis 1871 in Paris – sei vorbei. Damals war die »ökonomische Entwicklung (…) noch bei weitem nicht reif (…) für die Beseitigung der kapitalistischen Produktion.«197 Erst »die ›industrielle Revolution‹ hat Klarheit geschaffen (…) in den Klassenverhältnissen (…) und eine wirkliche Bourgeoisie und ein wirkliches großindustrielles Proletariat erzeugt und in den Vordergrund der gesellschaftlichen Entwicklung gedrängt.«198

      1895 konstatiert Engels eine »große internationale Armee von Sozialisten, unaufhaltsam vorschreitend, täglich wachsend an Zahl, Organisation, Disziplin, Einsicht und Siegesgewißheit.«199 Das 1866 in Deutschland eingeführte allgemeine Stimmrecht fungiert als Gradmesser des Fortschritts der Arbeiterbewegung und entpuppt sich als »eine der schärfsten Waffen«.200 Die »Ironie der Weltgeschichte«: »Wir, die ›Revolutionäre‹, die ›Umstürzler‹, wir gedeihen weit besser bei den gesetzlichen Mitteln als bei den ungesetzlichen und dem Umsturz.«201

      Doch was geschieht, wenn »wir nicht so wahnsinnig sind, ihnen zu Gefallen uns in den Straßenkampf treiben zu lassen«? Den Herrschenden bleibt dann »zuletzt nichts anderes, als selbst diese ihnen so fatale Gesetzlichkeit zu durchbrechen.«202 Just 1895 droht die preußische Monarchie mit dem »Bruch der Verfassung, Diktatur, Rückkehr zum Absolutismus«.203 Damit beschwor die herrschende Klasse die Gefahr eines blutigen Bürgerkrieges herauf.

      Welche Antworten gibt Engels in der »Einleitung« auf diese mögliche Herausforderung, wie sieht eine mögliche revolutionäre Taktik aus?

      Zunächst stellt Engels fest:

      Es »hatten sich die Bedingungen des Kampfes wesentlich verändert. Die Rebellion alten Stils, der Straßenkampf mit Barrikaden, der bis 1848 überall die letzte Entscheidung gab, war bedeutend veraltet.«204

      Aufmerksam registriert er die Veränderungen im asymmetrischen Bürgerkrieg:

      a)Auf Seiten des Militärs sind die Armeen um mehr als das »Vierfache gewachsen«. »Die Bewaffnung dieser enorm verstärkten Truppenzahl ist unvergleichlich wirksamer geworden. 1848 der glatte Perkussions-Vorderlader, heute der kleinkalibrige Magazin-Hinterlader, der viermal so weit, zehnmal so genau und zehnmal so rasch schießt wie jener. Damals die relativ schwach wirkenden Vollkugeln und Kartätschen der Artillerie, heute die Perkussionsgranaten, deren eine hinreicht, die beste Barrikade zu zertrümmern. Damals die Spitzhacke des Pioniers zum Durchbrechen von Brandmauern, heute die Dynamitpatrone.«205 An anderen Stellen verweist er auf neue »Schnellfeuerwaffen usw.«,206 die »entsetzliche Wirkung der neuen Sprenggeschosse in Dahomey«207 und die »Verwundungen (…), die österreichische Sprenggeschosse bei dem Streik von Nürmitz angerichtet haben.«208

      Auch die logistischen, infrastrukturellen und städtebaulichen Veränderungen sind von Vorteil für das Militär: »Garnisonen können vermittelst der Eisenbahn in 24 Stunden sich mehr als verdoppeln, in 48 Stunden zu Riesenarmeen anschwellen (…) Und endlich sind die seit 1848 neugebauten Viertel der großen Städte, in langen, graden, breiten Straßen angelegt, wie gemacht für die Wirkung der neuen Geschütze und Gewehre.«209 Engels verweist auf »die spezifisch-bonapartistische Manier des Pariser Haussmann«, solche Straßen durch eng gebaute Arbeiterviertel zu brechen, mit dem »strategischen Zweck der Erschwerung des Barrikadenkampfes«.210

      Zudem war »der Offizier (…) mit der Zeit bewandert geworden in den taktischen Formen des Straßenkampfes, er marschierte nicht mehr geradeaus und ungedeckt auf die improvisierte Brustwehr los, sondern umging sie durch Gärten, Höfe und Häuser. Und das gelang jetzt, bei einigem Geschick, in neun von zehn Fällen.«211

      b)Angesichts dieser Veränderungen fasst Engels die Lage für Aufständische zusammen: »Auf seiten des Insurgenten dagegen sind alle Bedingungen schlechter geworden.« Zwar »kommen auf Seite der Aufständischen mehr gediente Soldaten«, aber »ihre Bewaffnung (wird) um so schwieriger«. Und politisch werden sich im Klassenkampf »wohl nie alle Mittelschichten so ausschließlich ums Proletariat gruppieren«,212 wie das noch 1848 teilweise der Fall war.

      c)Schon 1891 konstatiert Engels, dass »in allen großen zivilisierten Ländern (…) das Proletariat der materiellen Verteidigungsmittel beraubt« ist. Der moderne bürgerliche Staat setzt das Gewaltmonopol für sich durch und schafft auch Bürgerwehren und Nationalgarden als Milizorganisationen ab. Die »gesamte bewaffnete Streitmacht«213 ist in der Hand und unter Kontrolle der Bourgeoisie und/oder des Adels.

      Nach Engels darf auf keinen Fall übersehen werden, dass »die totale Umwälzung des gesamten Kriegswesens durch die Einrangierung der ganzen waffenfähigen Bevölkerung in die nur nach Millionen zu berechnenden Armeen, durch Feuerwaffen, Geschosse und Explosivstoffe von bisher unerhörter Wirkungskraft«214 die Art und Weise des asymmetrischen Bürgerkrieges seit Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidend prägt.

      »Machen wir uns keine Illusion darüber: Ein wirklicher Sieg des Aufstandes über das Militär im Straßenkampf, ein Sieg wie zwischen zwei Armeen, gehört zu den größten Seltenheiten«,215 und »wenn die Truppe sich schlägt, wird der Widerstand Wahnsinn.«216

      Als Resümee dieser Einleitung könnte man die Betonung des parlamentarischen Kampfes durch Anwendung des allgemeinen Stimmrechts sowie die Abkehr vom bewaffneten Straßenkampf – also eine reformistische Strategie – entnehmen, wenn dies der vollständige Inhalt des Textes wäre. Doch Wilhelm Liebknecht veröffentlichte im »Vorwärts«, dem Zentralorgan der Sozialdemokratie, eine extrem zensierte und verstümmelte Version der »Einleitung« durch Streichung aller Passagen, die sich mit revolutionärer Gewaltanwendung befassten. Jeglicher Hinweis auf revolutionäre Gewalt wurde getilgt. Dieser Skandal sollte in den nächsten Jahrzehnten weitreichende Folgen für die Geschichte der Arbeiterbewegung haben.

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