Ben und Lasse - Mit Räubern auf der Flucht. Harry Voß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harry Voß
Издательство: Bookwire
Серия: Ben und Lasse
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783955683832
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erklärt der Mann im roten Mantel, „Dann geht der Wunsch vielleicht in Erfüllung.“

      Lasse reißt Mund und Augen auf: „Echt?“

      „Ja. Das ist die Weihnachts-Aktion dieser Bank für ihre Kunden. An jedem Samstag erfüllt sie zehn Wünsche, die sie an diesem Baum findet. Vielleicht gehört euer Wunsch ja dazu.“

      „Cool!“

      „Und wenn du willst, kann ich dir anschließend auch noch etwas Schönes aus meinem Sack schenken.“

      Lasse schaut mich an. „Ben, sollen wir da mitmachen?“

      „Hm“, mache ich. Besonders große Lust habe ich nicht. Das ist bestimmt eher was für die jüngeren Kinder. „Zuerst heben wir unser Geld ab. Danach schauen wir mal, wie viel Zeit wir noch haben.“

      Lasse zieht einen Schmollmund. „Manno.“

      „Wir müssen ja auch noch ins Kaufhaus.“

      Ich will mein Handy aus der Hosentasche ziehen, um nach der Uhrzeit zu schauen. Statt des Handys fühle ich ein Kärtchen aus Pappe in der Tasche. Ich ziehe es raus und betrachte es. Ach so. Das ist eine kleine Karte, die wir vergangenen Sonntag im Kindergottesdienst bekommen haben. Seitdem ist die Hose noch nicht wieder in der Wäsche gewesen, aber an das Kärtchen hab ich gar nicht mehr gedacht. Darauf steht: „Fürchtet euch nicht! Seht doch, ich habe eine große Freudenbotschaft. Sie gilt für das ganze Volk. Für euch ist heute der Retter geboren worden. Es ist Christus, der Herr.“ Bibelstelle: „Lukas 2, Vers 10 und 11.“ Der Engel hat das zu den Hirten gesagt, nachdem Jesus geboren worden ist. Das weiß ich, denn diese Stelle kommt auch in dem Krippenspiel vor, das wir an Heiligabend in der Kirche aufführen werden. Elisabeth, die den Engel spielt, hat diesen Satz zu sagen. Jeder aus dem Kindergottesdienst hat ein ähnliches Kärtchen bekommen. Ich habe es letzten Sonntag in die Hosentasche gestopft. Und da hat es bis jetzt gesteckt.

      Aber wo ist mein Handy? Habe ich das etwa verloren?

      3. Dezember

      Als Lasse das sieht, fängt er an zu lachen. „Hast du auch noch die kleine Karte von Sonntag in der Hose? Ich auch!“ Sofort zieht er sie raus. „Siehst du? Was steht bei dir drauf?“

      Ich lese ihm meinen Spruch vor.

      „Das kenne ich!“, ruft er. „Das hat der Engel gesagt!“

      „Weiß ich.“

      „Und was steht bei mir drauf?“ Er hält mir sein Kärtchen unter die Nase.

      Weil er noch nicht so gut lesen kann, lese ich es ihm vor: „Gott ist voller Liebe. Deshalb hat er uns das Licht von oben geschickt. Dieses Licht scheint für alle, die in einer Welt voller Dunkelheit und Tod leben. Sie sollen den Weg des Friedens finden. Lukas 1, Vers 78-79.“

      Lasse legt seinen Kopf schief. „Was heißt das?“

      „Puh“, mache ich. Ich finde manche Sätze aus der Bibel auch schwer zu verstehen. „Gott ist voller Liebe“, beginne ich. „Das kapierst du doch.“

      „Ja. Das schon. Gott hat uns lieb. Das ist ja noch einfach.“

      „Und das Licht von oben … äh … das ist Jesus.“

      „Jesus? Aber der ist doch keine Lichtgestalt!“

      „Nein, nicht wirklich. Aber das ist so als Beispiel gemeint. Als Vergleich. Ein Licht macht es in einem dunklen Raum hell. Und Jesus macht es da hell, wo es im Herzen dunkel ist. Wo man Angst hat. Oder wo man nicht weiter weiß.“

      „Das stimmt.“ Lasse nickt, reißt mir das Kärtchen aus der Hand und steckt es wieder ein. „Das reicht mir schon.“

      Ich stecke meine eigene Karte auch zurück, greife in die andere Hosentasche und ziehe mein Handy dort heraus. Ich wollte ja auf die Uhr schauen. Es ist kurz vor halb fünf. Gleich schließt die Bank sowieso. Wenn wir direkt anschließend auch noch ins Kaufhaus wollen, um Geschenke zu kaufen, müssen wir uns etwas beeilen. Da höre ich auch schon, wie Lasse dem Weihnachtsmann erzählt: „Ich hebe heute 50 Euro von meinem Taschengeld ab, damit ich meiner Familie schöne Geschenke zu Weihnachten kaufen kann.“

      „Quatsch!“, falle ich ihm sofort ins Wort. „Du hebst höchstens 20 Euro ab!“

      Lasse stemmt seine Hände in die Seite. „Es ist mein Sparbuch! Du hast nicht über mich zu bestimmen!“

      „Mama hat gesagt, ich soll darauf achten, dass du nicht zu viel Geld holst!“

      „50 Euro ist nicht zu viel!“

      „50 Euro ist viel zu viel!“

      „Frag doch Mama!“

      „Ja, das mache ich auch!“ Ich halte mein Handy sowieso noch in der Hand. Mit einem Tastendruck habe ich die Nummer von Mama gewählt. Mal sehen, wer recht hat.

      Im nächsten Augenblick fliegt mit lautem Gepolter die Eingangstür auf und zwei Bankräuber mit Mützen auf dem Kopf und Schals vor dem Mund stürmen herein. Jeder von ihnen hält eine Pistole in der Hand und richtet sie auf die Menschen hier in der Bank.

      „Hände her! Geld hoch! Das ist ein Banküberfall!“, schreit der eine laut und verbessert sich sofort: „Ich meinte natürlich, Hände hoch und Geld her! Und keine Bewegung!“ Alle, die hier herumstehen, drehen sich erschrocken zu den beiden um, ziehen laut Luft ein und strecken ihre Hände in die Luft. Einen kurzen Augenblick überlege ich, ob ich warten soll, bis Mama am anderen Ende ans Handy geht. Dann könnte sie Papa informieren. Papa ist Polizist. Wenn ich ihm Bescheid geben würde, wäre er in Nullkommanix hier und würde die Verbrecher gefangen nehmen. Aber dann lasse ich mein Handy doch mit einer schnellen Bewegung in die Hostentasche zurückgleiten. Wenn die Ganoven mein Handy sehen, nehmen sie es mir garantiert ab und zerschmettern es auf dem Boden, damit ich keine Hilfe hole.

      4. Dezember

      Der eine Bankräuber schiebt Lasse, mich und die beiden Erwachsenen, die vor dem Bankschalter anstehen, zur Seite und hält die Pistole der Bankangestellten vor die Nase. „Alles Geld her! Und keine Polizei, sonst knallt’s!“

      Die Angesprochene öffnet hektisch eine Schublade, um einen Schlüssel hervorzukramen.

      Der kleine Junge neben dem Tannenbaum, der eben noch so frech seine Arme verschränkt hat, drückt sich ängstlich an seine Mutter: „Mami, wer ist das?“

      „Keine Angst, Luis-Anatol“, beeilt sich die Mutter zu sagen und streicht ihm hektisch über den Kopf. „Die wollen nur Geld abheben.“

      Diesmal wehrt der Junge die Hand nicht ab. „Sind die böse?“

      „Nein, nein“, beruhigt ihn die Mutter. „Die haben es nur eilig, darum haben sie sich vorgedrängelt.“

      „Aber die sehen so böse aus.“

      „Ja, ja. Die wollen nur spielen.“

      „Wie der Weihnachtsmann?“

      „Äääh …“, die Mutter schaut kurz zum Weihnachtsmann, der noch völlig erschrocken mit erhobenen Armen wieder neben ihr steht.

      „Wie gesagt“, kommt er der Mutter zur Hilfe, „ich bin und bleibe tief im Herzen der Weihnachtsmann. Aber die da … äh …“, er zeigt mit seinem Kopf in Richtung der Bankräuber, „die sind … ähm … verkleidet.“

      „Warum?“, hakt Luis-Anatol nach.

      „Damit … äh …“ Der Weihnachtsmann beugt sich leicht in Richtung des Jungen vor, „damit man sie nicht erkennt. In Wahrheit sind das ganz liebe Kerle …“

      „Ruhe da!“, schnauzt ihn der Bankräuber an, während er weiter seine Pistole in Richtung der Bankangestellten hält. „Natürlich sind wir böse! Und wagt es bloß nicht, uns zu reizen! Sonst werdet ihr mal erleben, wie schrecklich böse wir sind!“

      Da