Dr. Sonntag Box 3 – Arztroman. Peik Volmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peik Volmer
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Sonntag Box
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740970581
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Dagmar bissig. Constanze Schickenreuth stand in sicherer Entfernung und nickte.

      *

      Kilian Kreuzeder hockte auf der Bettkante, als Karin erwachte.

      »Schatz, was ist denn?«, murmelte sie schlaftrunken. »Wieso sitzt du, statt im Bett zu liegen?«

      »Ich trau’ mich nicht, mich zu bewegen«, gestand der Redakteur. »Es tut nicht mehr weh! Ganz so, als wäre nie etwas gewesen! Und ich denke, dass, wenn ich auch nur eine falsche Bewegung mache, alles wieder von vorn losgeht! Weißt du, was man da macht?«

      »Ich werde dich jetzt mit der ­durchblutungsfördernden Salbe eincremen.«

      »Ist das die, die so heiß wird auf der Haut?«

      »Genau die. Und wenn die Durchblutung kräftig, und die Muskulatur gut gewärmt ist, kann dir nichts passieren! Glaube ich.«

      »So, glaubst du! Und wenn nicht?«

      »Dann fahren wir zum Arzt!«

      »Das tröstet nicht wirklich«, lachte Kilian vorsichtig.

      Seine Haut wurde knallrot und glühend heiß.

      »Das ist aber auch ein Teufelszeug«, klagte er.

      »Jammere nicht! Sei froh, dass sich jemand um dich kümmert!«

      Alles ging gut. Kilian war zunächst misstrauisch. Er konnte sein Glück kaum fassen.

      »Ich kann es kaum fassen, Karin. Wirklich. Ich kann nur hoffen, dass das so bleibt!«

      »Du kannst es ja testen und noch einmal versuchen, mich über die Schwelle zu tragen!«

      »Ach, diese überkommenen alten Rituale, die braucht doch nun wirklich kein Mensch!«

      »So, mein Lieber, damit eins klar ist: Am Wochenende besuchen wir deine Mutter! Du hast dich bei ihr schon so lange nicht mehr sehen lassen! Jetzt muss es sein!«

      »Bist du sicher? Lust habe ich keine!«

      »Darum geht es nicht. Irgendwann ist sie nicht mehr da, und dann wünschst du dir, dass du sie öfter mal besucht hättest. Mütter hat man ja nicht so viele, weißt du. Bei Vätern verhält es sich mitunter deutlich anders!«

      »Ich habe eine sehr kluge Frau geheiratet«, stellte Kilian mit Begeisterung in der Stimme fest. »Ich denke nur … Hat sie denn überhaupt was davon? Die Demenz schreitet fort, und wir hatten hier doch schon Phasen, in denen sie mich nicht mal mehr erkannte und mal für meinen Vater, mal für mich als Kind hielt. Vielleicht ist es sogar besser wegzubleiben, um sie nicht zu beunruhigen!«

      »Ich könnte dir von Patienten erzählen, die im Koma gelegen haben. Zum Beispiel mein Chef nach seinem schweren Autounfall. Sein Sohn Lukas kam jeden Tag von der Schule in die Klinik und las ihm aus einem Buch vor, weil seine Frau darauf Wert legte, dass er vertraute Stimmen hören sollte. Und was soll ich dir sagen? Er konnte, nachdem er wieder aufgewacht war, sogar das Buch nennen, aus dem Lukas vorgelesen hatte. Man kann nie genau sagen, wieviel ein scheinbar bewusstloser Patient – noch nicht mal ein sterbender Patient – mitbekommt. Deswegen werden das Krankenpflegepersonal und auch die Ärzte gelehrt, ausnahmslos jeden Patienten mit der größten Würde und dem höchsten Respekt zu behandeln.

      Und deine demente Mutter? Wer weiß? Auch sie wird sicher ihre lichten Momente haben!«

      Kilian senkte den Kopf. Er wirkte wie ein Schulbub, der einen strengen Verweis erhalten hatte. Karin musste lachen über seinen Anblick. Besonders über die vorgeschobene Unterlippe. Männer blieben eben ewig Kinder. Große Jungs. Ihrer war da keine Ausnahme!

      *

      Der Arbeitstag war wie im Fluge vergangen. Zwei Dinge standen im Mittelpunkt: Zum einen hatten sich einige Patienten über das Essen beschwert, zum anderen schien es mit dieser neuen Ärztin, die Prof. Antretter eingestellt hatte, Probleme zu geben. Menschliche – und medizinische.

      »Ach, Frau Kreuzeder! Das ist ja heute wieder zum Wahnsinnigwerden! Eigentlich fehlen nur noch Herr Somnitz mit seiner ewigen Bettenbelegung und die Ärztekammer mit irgendwelchen Beschwerden, zu denen wir binnen vierzehn Tagen ausführlich und schriftlich Stellung zu nehmen haben! Es muss doch einfachere Arten geben, sein Geld zu verdienen!«

      »Mit Sicherheit, Herr Professor. Aber mal unter uns: Würden Sie es denn anders wollen? Briefe austragen? Oder als Revierförster den Baumbestand des Waldes auf Borkenkäferbefall kontrollieren?«

      Professor Sonntag lachte laut. »Beides wichtige, verantwortungsvolle Tätigkeiten!«

      »Aber wäre das was für Sie?«, beharrte Frau Keuzeder. »Auch an Tagen wie diesen, an denen Ihre Ausgeglichenheit eher aufgeklebt wirkt?«

      »Ja, Sie haben recht, Frau Kreuzeder. Und ich bin der glücklichste Chefarzt der Welt. Weil ich die beste Chefsekretärin der Welt habe. Tun Sie mir noch einen Gefallen? Könnten Sie mir für morgen bitte diese Frau Doktor einbestellen, vielleicht sogar mit Herrn Antretter zusammen? Und den Chef der Krankenhausküche?«

      »Ist schon erledigt, Herr Professor. Frau Dr. Schickenreuth und Professor Antretter erscheinen um 14 Uhr 30, und der Küchenchef um 16 Uhr!«

      *

      Frau Kreuzeder hatte, bevor sie heimgehen wollte, noch eine kleinere Besorgung im Supermarkt zu erle­digen. Außerdem hatte sie sich mit Ludwig verabredet, im ›Elisabeths Platzerl‹.

      Der Einkauf war sehr schnell erledigt. Komischerweise befanden sich kaum Kunden im Markt, sodass Karin Kreuzeder keinerlei Wartezeit am Fleischstand, beim Käse und an der Kasse in Kauf zu nehmen hatte. Sie sah auf die Uhr. Noch eine volle Stunde bis zu Ludwigs Eintreffen! Na, egal. Vor dem Café standen Bänke. Sie würde im Schatten der Kastanienbäume einen Moment die Frühjahrssonne genießen. Frische Luft schadete ja nie!

      »Frau Fürstrenrieder!«, ertönte eine begeisterte Stimme. »Mit Ihnen habe ich hier nicht gerechnet! Dabei hätte ich es vorhersehen können – bei meiner prophetischen Gabe!«

      »Kreuzeder, liebe Frau Rixner, Kreuzeder, neuerdings!«, rief die Chefsekretärin vergnügt. » Von Ihrer Gabe habe ich schon so oft geschwärmt! Sie haben mit allem recht gehabt! Erinnern sie sich noch, dass sie mir ein großes persönliches Glück vorhergesagt haben? Bitteschön! Ich bin verheiratet, mit einem wundervollen Mann! Dass mir so viel Glück beschieden sein würde – noch dazu in meinem Alter!«

      Frau Rixner nahm neben ihr auf der Bank Patz.

      »Da gratuliere ich Ihnen aber ganz herzlich, Frau Kreuzeder. Sehen Sie, ich verstehe mein Handwerk! Wie Sie ja auch!« Sie lachte, und ergriff Karins Hand. In der Sekunde, in der sie die Hand berührte, erstarrte sie plötzlich. Sie legte den Kopf in den Nacken, verdrehte röchelnd die Augen. Ein klagendes, ganz unwirkliches Geräusch drang aus ihrer Kehle. Ruckartig riss sie ihre Hand aus der Karin Kreuzeders.

      »Frau Rixner? Frau Rixner! Hallo, Frau Rixner? Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut? So reden Sie doch, um des Himmels willen!«

      Wie in Trance erhob sich die Wahrsagerin. Sie sah Karin mit einem Blick von ungläubigem Entsetzen an.

      »Es – es ist nichts! Gar nichts! Ich – es geht mir nicht gut! Ich glaube, ich bekomme Kopfschmerzen! Bitte, entschuldigen Sie mich!«

      Ohne weiteren Gruß brach sie auf und taumelte von dannen.

      In diesem Moment erschien Ludwig.

      »War das nicht diese Wahrsagerin? Wie war noch ihr Name?«

      »Rixner. Josefine Rixner«, antwortete Frau Kreuzeder nachdenklich. Was hatte Frau Rixner gesehen? Es musste etwas Fürchterliches sein, ihrer heftigen Reaktion nach zu urteilen.

      Sie betraten das geschmackvoll eingerichtete Café und nahmen an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes Platz.

      »Was war denn bloß los?«, erkundigte sich Ludwig bestürzt. »Die Szene wirkte wie der Beginn eines Horror-Films!«

      »Glaub es oder glaub es nicht, es ist mir völlig schleierhaft! Aber