»Es tut mir leid, Süße ...« Er drückt mich an sich. »Ich habe nicht nachgedacht. Ich ...«
»Ich nehme die Pille nicht«, stoße ich hervor und unterbreche, was auch immer er sagen wollte. Als ihm klar wird, was das bedeuten könnte, zuckt er zusammen und versetzt mir damit einen Stich.
Das darf nicht passieren.
Ich klettere von ihm runter und vermisse sofort das Gefühl von ihm ausgefüllt zu werden. Mich aus seinem Griff windend, stolpere ich aus dem Bett, wobei ich beinahe auf die Nase falle.
»Wo zum Teufel gehst du hin?« Sein scharfer Ton lässt mich abrupt innehalten. Als ich aufsehe, sitzt er auf der Bettkante – in all seiner perfekten nackten Pracht.
»Ich muss zur Arbeit.« Mit zitternden Händen ziehe ich nervös an meinen Haarspitzen und gestikuliere dann zwischen uns hin und her. »Das hier«, ich schlucke, »war nicht Teil meines Plans.«
»Teil deines Plans?« Er zieht die Brauen zusammen und starrt mich an.
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Warum zur Hölle arbeiten mein Gehirn und mein Mund nicht mit mir zusammen?
Ich binde meine Haare wieder zu einem Pferdeschwanz und lasse endlich meine Lippe los. »Ich hatte nicht gedacht, dass du zu Hause bist. Ich ... Ich muss zur Arbeit«, erkläre ich, bevor ich meinen BH anziehe und mein Höschen sowie meine Hose aufhebe. Während ich in meine Kleidung schlüpfe, vermeide ich es, ihm einen weiteren Blick zuzuwerfen, obwohl ich spüren kann, dass er jede meiner Bewegungen beobachtet. Ich bücke mich, um meine Socken und Turnschuhe anzuziehen, und sehe aus dem Augenwinkel, wie er den Raum verlässt.
Eine Sekunde später kommt er zurück und hält mir ein Stück Papier unter die Nase.
»Was ist das?«
»Meine Nummer. Dein Handy ist tot und du haust schon wieder ab. Ich gebe sie dir, damit du sie hast, wenn irgendetwas sein sollte.«
Wenn irgendetwas sein sollte? Zum Beispiel, wenn ich schwanger bin?
Er gibt mir seine Nummer nicht, damit ich mit ihm in Kontakt bleibe. Das tut weh. Eigentlich zerstört es mich innerlich sogar ein wenig.
Mein Magen dreht sich auf widerliche Art und Weise einmal um sich selbst, ehe ich flüstere: »Alles klar.« Damit schiebe ich das Stück Papier in meine Tasche, gehe an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo ich mein Oberteil und meinen Mantel nehme, ziehe beides an und greife nach meiner Handtasche.
Dann spüre ich, wie sich seine Finger um mein Handgelenk legen, und ich bleibe stehen. Als ich aufsehe, könnte ich schwören, einen verletzten Ausdruck zu bemerken, aber ich schiebe diesen Gedanken beiseite, da ich mir das sicherlich nur einbilde.
»Ruf mich an«, sagt er leise.
Ich schlucke. »Klar.«
Anschließend löse ich mich aus seinem Griff und gehe zur Tür. Ich versuche, es so aussehen zu lassen, als würde ich nicht wieder davonlaufen, auch wenn ich genau das tue. Sobald ich draußen und auf dem Bürgersteig bin, rufe ich nach dem ersten Taxi, das ich sehe, setze mich auf den Rücksitz und stoße den angehaltenen Atem aus. Dann sage ich dem Fahrer, wo er mich hinfahren soll. Zum Glück ist die morgendliche Hauptverkehrszeit vorbei, sodass ich nicht lange brauche, um nach Uptown zu gelangen.
Ich komme etwas weniger als dreißig Minuten zu spät zur Arbeit, schließe meine Bürotür auf und schalte das Licht ein. Mein Dad und ich haben die Vorderseite meines Büros in einem beruhigenden, weichen Blau gestrichen, das gut zu den abstrakten Kunstdrucken passt, die ich gerahmt und an die Wände gehängt habe. An der Wand gegenüber von meinem Schreibtisch stehen zwei goldbraune Stühle mit modernen Armlehnen aus Holz. Sie passen zum Couchtisch vor ihnen, auf dem mehrere Magazine ausgebreitet sind.
Seufzend gehe ich zu meinem Arbeitsplatz.
An Tagen wie heute bin ich dankbar, dass ich mein eigener Chef bin, sodass ich niemandem Rechenschaft schuldig bin. Den Sprung zu wagen, meine eigene Massagetherapie-Praxis aufzubauen, war eines der furchteinflößendsten Dinge, die ich je getan habe, aber bisher gab es keinen Tag, an dem ich es bereut hätte.
Ich liebe, was ich tue. Ich liebe es, Menschen ein gutes Gefühl zu geben und ihnen zu helfen, sich zu entspannen. Ich bekam bereits in jungen Jahren Migräne, die so schlimm war, dass ich körperlich krank wurde. Die Ärzte konnten nichts für mich tun, also recherchierte meine Mom und fand heraus, dass viele Menschen durch Massage Erleichterung finden konnten. Ich war skeptisch, aber nach meiner ersten Sitzung fühlte ich mich viel freier im Kopf – anders als nach der Einnahme von Medikamenten. An diesem Tag wurde ich eine Gläubige. Ich wusste, dass ich Menschen auf die gleiche Weise helfen wollte, wie mir geholfen wurde.
Sobald ich eine Räucherkerze angezündet habe, ziehe ich meinen Mantel aus und drapiere ihn über die Rückenlehne meines Stuhls. Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und lehne ich mich zurück gegen das kühle Holz und spüre erneut Tränen in mir aufkommen. Es sollte mich nicht so mitnehmen, dass die Dinge mit Wesley ein solches Ende genommen haben, aber dieser Gedanke hilft nicht, den stechenden Schmerz zu stoppen, den ich in meiner Brust fühle.
Es dauert länger, als mir lieb ist, um mich unter Kontrolle zu bringen. Nach ein paar tiefen Atemzügen setze ich mich auf und ziehe seine Nummer aus meiner Tasche. Ich versuche, sie mir zu merken, bevor ich die oberste Schublade meines Schreibtischs öffne und sie hineinlege, in der Hoffnung, sie nie benutzen zu müssen. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, stecke es zum Aufladen ein und gehe ins Badezimmer, um mich frisch zu machen.
Ich habe heute einige Kunden vor mir, was mir bestimmt helfen wird meine Gedanken zu beschäftigen, bis ich das Büro verlasse. Nach der Arbeit werde ich mich auf den Weg machen, um meine Eltern und Schwestern auf Long Island zu Thanksgiving zu besuchen. Ich freue mich schon darauf – sie werden die Ablenkung sein, die ich so dringend brauche.
Am nächsten Morgen stehe ich in der Küche meiner Eltern, lehne mich mit einer Tasse Kaffee in der Hand an die Anrichte und höre meiner Mom zu, wie sie über den neuen Nachbarn plappert, der ein paar Häuser weiter eingezogen ist. Mom arbeitet gerade an mehreren Kuchen für das Thanksgiving-Essen morgen.
»Er ist Single. Vielleicht könntest du rübergehen und dich ihm vorstellen«, schlägt sie vor und sieht mich erwartungsvoll an.
Ich höre Libby von ihrem Platz auf einem der Hocker an der Kücheninsel aus kichern. Natürlich findet sie die Vorstellung lustig, dass unsere Mom versucht, mich mit einem fünfzigjährigen Mann zu verkuppeln, von dem sie nichts weiß. Ihr passiert das schließlich nicht.
»Ich bin momentan nicht daran interessiert, jemanden kennenzulernen, Mom«, murmle ich und nehme einen Schluck Kaffee.
»Bist du lesbisch?«
Beinahe spucke ich das Getränk wieder aus, bekomme die Flüssigkeit aber stattdessen in die Luftröhre und muss röcheln. »Was?«, huste ich und wische den tropfenden Kaffee von meiner Unterlippe, ehe ich ein Papiertuch nehme, um den Rest von meiner Hand und meinem Shirt abzuwischen.
»Du warst seit Ewigkeiten nicht mehr auf einem Date. Ich höre dich nie über irgendwelche Männer reden, an denen du Interesse hättest, also frage ich mich, ob du vielleicht ...«
»Bin ich nicht«, unterbreche ich ihre nächsten Worte. »Gott, ernsthaft, Mom?« Ich werfe eine Hand in die Luft, lasse sie aber rasch wieder fallen. »Nur weil ich niemanden daten möchte, bin ich automatisch lesbisch?«
»Nun, es wäre nichts falsch daran. Du kannst es mir nicht übelnehmen, dass ich frage.« Sie zieht die Nase kraus, während Libby nur noch heftiger lacht.
»Was ist los?«, fragt Fawn, als sie eine Sekunde später in die Küche kommt.
Sie trägt