Ich mache die Barkeeperin auf mich aufmerksam und deute in den Gang zu den Toiletten, um ihr zu signalisieren, dass ich nicht einfach abhaue. Sie nickt. Ich bahne mir einen Weg durch die Menge, gehe einen langen Korridor entlang und reihe mich in die Warteschlange hinter zwei Blondinen ein, die mich anlächeln, ehe sie ihre Unterhaltung fortsetzen.
»Also, hast du endlich den Lippenstift getestet, den ich dir zugeschickt habe?«, fragt eine der beiden, während ich zum wiederholten Mal mein Handy nach entgangenen Anrufen oder neuen Nachrichten checke, was allerdings nicht der Fall ist.
Dämliche Männer.
»Ich habe ganz vergessen, es dir zu erzählen!« Die andere lacht. »Ich habe ihn getestet und du hattest recht! Die Farbe hat sogar noch nach dem vierzigminütigen Blowjob gehalten, den ich Charles gegeben habe.«
Vierzigminütiger Blowjob? Allein bei dem Gedanken muss ich mir den Kiefer reiben.
»Ich habe dir ja gesagt, dass das Ding megatoll ist«, entgegnet die erste, als sich die Tür zur Damentoilette öffnet und eine Frau herauskommt.
»Und du hattest so was von recht«, stimmt die andere zu. Dann verschwinden die beiden in der Damentoilette und die Tür fällt hinter ihnen ins Schloss.
Da ich weiß, dass Libby Make-up liebt, sende ich ihr grinsend eine Textnachricht:
Ich:
Ich habe gerade gehört, wie zwei Frauen über einen Lippenstift gesprochen haben, der sich nicht mal löst, wenn man jemandem einen bläst. Ich denke, du solltest diesen Lippenstift ausprobieren.
Keine zwei Sekunden später vibriert mein Handy.
Libby:
Ähmmm ... Danke ... Schätze ich mal?
Ich:
Es war tatsächlich ein vierzigminütiger Blowjob.
Libby:
Ein vierzigminütiger Blowjob ist viel beeindruckender als ein Lippenstift, der nicht abgeht.
Ich kichere und lasse mein Handy wieder in meine Tasche gleiten, als sich die Tür öffnet und die Frauen lachend herauskommen.
Nachdem ich auf der Toilette war, kehre ich zurück zur Bar, wo ich abrupt stehen bleibe, als mir jemand hart genug auf den Po haut, dass es wehtut. »Was zur Hölle ...?« Ich will mich umdrehen, gerate dabei aber ins Wanken, sodass ich direkt gegen eine warme Brust stolpere, die nach Leder und Minze riecht.
»Hey, alles in Ordnung?« Große Hände umfassen meine Taille, und ich blinzle hoch zu meinem Retter – der sich ausgerechnet als jener Mann entpuppt, der mir vorhin aufgefallen ist. Er schlingt einen Arm um mich und zieht mich eng an seinen harten Oberkörper, was meinen ganzen Körper zum Leben erweckt. »Ist mit dir alles okay?«
»Wie bitte?«, frage ich, noch immer völlig perplex von diesem Summen in meinem Inneren.
Er zieht mich noch näher zu sich heran, bis sein Gesicht meinem ganz nahe ist. »Ist mit dir alles okay?«
Ich sehe, wie er die Lippen bewegt, aber ich brauche ein paar Sekunden, bis mir klar wird, was er gefragt hat. Alles, worauf ich mich konzentrieren kann, scheint das angenehm verwirrende Gefühl zu sein, an seine harte Brust gedrückt zu werden. »Ich ...« Um das Verlangen, das mich mit einem Mal überwältigt, loszuwerden, schüttle ich den Kopf. »Ja ... Tut mir leid. Danke.«
»Gut.« Lächelnd lässt er mich los.
Kurz frage ich mich, ob es bereits zu spät ist, meine Aussage zurückzunehmen, damit er mich noch ein wenig länger festhält, doch stattdessen wird mir klar, dass dieser Mann auf emotionaler Ebene gefährlich ist, und ich trete den Rückzug an. »Danke«, wiederhole ich.
Er sieht mich erheitert an.
Ich mache auf dem Absatz kehrt, eile zu meinem Platz zurück und danke dem Himmel, als ich heilen Fußes dort ankomme. Meinen Hintern zurück auf den Barhocker schiebend – der zum Glück noch frei ist –winke ich die Kellnerin heran. Sobald sie zu mir blickt, zeige ich auf mein leeres Glas, und sie deutet an, meine Bitte verstanden zu haben.
»Hättest du etwas dagegen, wenn ich mich zu dir setze?« Ich muss nicht aufsehen, um zu wissen, wer mir diese Frage stellt. Mein Körper reagiert auf ihn auf die gleiche Weise wie ein paar Sekunden zuvor. Eine Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus und ein wohliger Schauer läuft mir über den Rücken. Der Typ, der plötzlich zum Gegenstand all meiner Fantasien geworden ist, rutscht auf den leeren Hocker neben mir.
»Nur zu.« Ich zucke mit den Schultern und versuche, möglichst gelassen und gleichgültig zu wirken.
Er schenkt mir ein Lächeln. »Wesley«, stellt er sich vor und kommt näher, während sich meine Atmung mit einem Mal ganz seltsam beschleunigt.
»Wie bitte?«
Sein Grinsen offenbart gerade, weiße Zähne. Ich hätte bis jetzt nie gedacht, dass Zähne attraktiv sein könnten, aber seine sind es.
»Ich heiße Wesley. Und du bist ...?« Er streckt mir seine Hand entgegen, was einen Schwarm Schmetterlinge dazu auffordert, in meinem Magen zu tanzen. Belämmert betrachte ich seine Hand, ehe ich mich wieder auf seine Augen konzentriere. Sie sind blau, aber nicht irgendein Blau. Sie erinnern mich an den Strand auf Long Island in der Nähe des Hauses meiner Eltern, wo ich den größten Teil meiner Kindheit verbracht habe.
»Ich bin ... ähm ... Mac ... Mackenzie«, stottere ich und lege meine Hand in seine viel größere.
Er wirkt amüsiert. »Schön, dich kennenzulernen, Mackenzie.«
»Ähm ... ja. Gleichfalls.« Wir sehen uns an, und ich spüre, wie er mit dem Daumen über die Stelle an meinem Handgelenk fährt, an der mein Puls wie wild schlägt.
»Hier ist Ihr Wechselgeld und ein neuer Drink«, sagt die Barkeeperin und unterbricht damit den Moment zwischen uns.
Ich entziehe Wesley meine Hand und wende mich ab, als die Barkeeperin das Restgeld über den Tresen auf mich zuschiebt und einen weiteren Lemon Drop vor mir abstellt.
»Danke.« Mich räuspernd versuche ich, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Das stellt sich jedoch als unmöglich heraus, da ich Wesleys Blick noch immer auf mir fühlen kann – ebenso seine weit gespreizten Beine, die meine zu beiden Seiten umschließen.
»Was möchten Sie trinken?«, fragt ihn die Barkeeperin.
Um meine Hände zu beschäftigen und mir nicht versehentlich Luft zuzufächeln, greife ich nach meinem Getränk.
»Bud, in der Flasche«, antwortet er, dann spüre ich plötzlich, wie er seine Hand auf meinen unteren Rücken legt, wo sie sich durch mein Oberteil in meine Haut zu brennen scheint.
Ich bemühe mich, ihn nicht anzusehen.
Einen Moment später beugt sich die Barkeeperin über den Tresen und stellt ihm eine Bierflasche vor die Nase, nachdem sie diese geöffnet hat. »Möchten Sie, dass ich es auf einem Bierdeckel anschreibe?«, fragt sie.
Im Spiegel uns gegenüber beobachte ich, wie er nickt und ihr eine Kreditkarte reicht. Sie legt sie hinter der Bar neben die Kasse, bevor sie sich wieder um die anderen Gäste kümmert.
»Also, was bringt dich heute Abend hierher?«
Ich wende mich Wesley zu und überlege, ob ich lügen soll. Dann frage ich mich, warum zum Teufel ich darüber nachdenke, da er mich ohnehin nicht kennt. Es würde keinen Sinn machen, ihm nicht die Wahrheit zu sagen. »Ich sollte hier jemanden