Rocket Science. K.M. Neuhold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: K.M. Neuhold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238312
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dann ist es passiert. Pax kam über den Sommer vom College nach Hause.

      Das erste Mal, als ich ihn wirklich bemerkt habe, hat er den Rasen gemäht… oberkörperfrei. Ich habe verblüfft neben dem Haus gestanden und in meiner Hose ist es eng geworden, als ich beobachtete, wie seine Muskeln sich bewegten und die einzelnen Schweißtropfen seinen nackten Oberkörper herunterliefen.

      Ich erinnere mich daran, dass ich erleichtert gelächelt habe, froh darüber, endlich zu wissen, wofür ich mich interessierte. Vielleicht war ich einfach ein Spätzünder oder vielleicht lag es daran, dass schlaksige, pickelige Jungs in meinem Alter einfach kein Vergleich zu der Perfektion eines einundzwanzigjährigen Collegestudenten waren.

      In jenem Sommer habe ich ihn oft beobachtet, meine wachsende Schwärmerei mit verstohlenen Blicken und nächtlichen Fantasien darüber geschürt, wie es wohl wäre, wenn er mich auf die gleiche Art bemerken würde wie ich ihn. Als er sich Ende des Sommers bei seinen Eltern geoutet hat, erreichte meine Schwärmerei ihren Höhepunkt. Ich war mir sicher, dass ich eines Tages wissen würde, wie es sich anfühlt, Pax zu berühren, ihn zu küssen, von ihm beachtet zu werden.

      Aber dann ist er für sein letztes Semester zurück ans College gegangen und danach nach Kalifornien gezogen, um nach seinem Abschluss dort zu arbeiten. Seither habe ich ihn nicht mehr gesehen.

      »Warum hast du deinen Bruder angerufen?«, will ich von ihm wissen und reiße mich so aus meinem unpassenden Abstecher in die Vergangenheit.

      »Ich hab ihm deine Nummer gegeben und ihm gesagt, dass ihr euch mal treffen sollt, weil ihr in derselben Stadt wohnt.«

      »Du hast was?« Ich quietsche beinahe und stehe so schnell von meinem Stuhl auf, dass er hintenüberfällt und mit einem lauten Knall auf dem Boden landet. Meine Brille beschlägt aufgrund der Hitze, die von meinem Gesicht ausgeht, also nehme ich sie ab, um sie an meinem Shirt abzuwischen. »Gott, Theo, das ist so peinlich. Warum tust du so was?«

      Ich will mir nicht vorstellen, was Pax glauben muss. Da ruft sein jüngerer Bruder an und bettelt darum, Mitleid mit seinem erbärmlichen, sozial unbeholfenen besten Freund zu haben. Gibt es irgendwo ein Loch, in dem ich mich verkriechen und sterben kann? Das wäre im Moment absolut perfekt.

      »Weil ich mir Sorgen um dich mache«, erklärt Theo. »Und ihr habt viel gemeinsam.«

      »Was zum Beispiel?«, fordere ich ihn heraus.

      »Ähm… er ist wirklich klug.«

      »Er ist Vertreter«, stelle ich klar. Nicht, dass irgendetwas falsch daran wäre, Vertreter zu sein, aber es zeigt deutlich, dass Theos selbstbewusster, unglaublich attraktiver großer Bruder die sozialen Fähigkeiten besitzt, von denen ich nur träumen kann.

      »Na und? Ich bin mir sicher, dass ihr über Vieles reden könnt. Wenn er anruft, triff dich wenigstens auf einen Drink mit ihm. Wenn das furchtbar und peinlich ist, werde ich nicht mehr davon sprechen.«

      »Es ist jetzt schon furchtbar und peinlich«, beschwere ich mich, hebe endlich den Stuhl auf und lasse mich wieder darauf nieder. »Ich glaube nicht, dass ich je rangehen kann, wenn er mich anruft. Das ist viel zu peinlich. Ich kann praktisch fühlen, wie ich rot und zappelig werde, wenn ich nur daran denke«, gestehe ich mit einem Schaudern.

      »Pax ist ein guter Kerl. Ich wette, ihr zwei würdet Spaß haben, wenn ihr zusammen abhängt«, beharrt Theo. »Bitte gib dem Ganzen eine Chance, für mich?«

      Ich schwöre, dass ich Theos Welpenblick durchs Telefon sehen kann. Würde ich ihm nicht etwas für all die Male schulden, bei denen er mich in der Highschool vor meinen Mobbern verteidigt und mir das Gefühl gegeben hat, weniger allein zu sein, hätte ich mich glatt geweigert. Aber das kann ich nicht.

      »Na schön«, willige ich schließlich seufzend ein. »Falls er überhaupt anruft.«

      »Das wird er«, sagt Theo selbstbewusst. »Und jetzt muss ich los. Hab viel Spaß mit deinen Gleichungen.«

      »Immer«, versichere ich ihm.

      Kapitel 2

      Pax

      Kaum, dass ich durch die Wohnungstür trete, lasse ich meine Tasche auf den Boden fallen, kicke meine Schuhe achtlos in die Ecke und lasse mich stöhnend auf meine dick gepolsterte Couch sinken. Es fühlt sich verdammt gut an, zu Hause zu sein, nachdem ich eine Woche gereist bin und meine Sicherheitssoftware an alle Technologieunternehmen verkauft habe, bei denen ich es geschafft habe, einen Termin zu bekommen. Das Verkaufen gibt mir einen gewissen Nervenkitzel, aber am Ende einer langen Woche fühlt sich meine eigene Wohnung wie der Himmel an.

      Ich liebe diese Wohnung schon, seit ich das offene Raumkonzept zum ersten Mal gesehen habe, die großzügige Küche, die ins Wohnzimmer übergeht, die offenliegende Backsteinmauer, die bodentiefen Fenster im Schlafzimmer. Und ich habe mehr Platz als ein hoffnungsloser Junggeselle wie ich braucht.

      Eine Woche ist vergangen, seit mein Bruder mich angerufen hat. Seinen nerdigen Freund zu babysitten, ist das Letzte, woran ich gedacht habe. Aber es ist Freitagabend, was bedeutet, dass mein Schwanz mich nach einer Dusche und einem wohlverdienten Nickerchen in die nächste Bar führen wird, damit ich jemanden finde, in dem ich mich versenken und damit den Stress der Woche vergessen kann.

      Wenn ich ohnehin noch ausgehe, kann ich auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ich kann Einstein auf einen Drink einladen und ihn dann seines Weges ziehen lassen, damit ich den Rest der Nacht genießen kann.

      Ich ziehe mein Handy hervor und tippe schnell eine Nachricht.

      Pax: Lass uns was trinken gehen. Der Treffpunkt ist das Twisted Cherry in der Innenstadt. Um neun Uhr.

      Da ich nicht sofort eine Antwort bekomme, quäle ich mich mühsam von der Couch und mache mich auf den Weg ins Badezimmer, um zu duschen. Ich kann es nicht erwarten, dieses unangenehme Gefühl, das ich immer nach einer Reise verspüre, von meiner Haut zu waschen.

      Als ich aus der Dusche trete, blinkt mein Handy mit einer ungelesenen Nachricht. Ich nehme mir Zeit, mich abzutrocknen und mir das Handtuch dann um meine Hüfte zu wickeln, ehe ich mein Handy vom Waschbeckenrand nehme und die Nachricht lese.

      Einstein: Es tut mir leid, aber ich fürchte, du hast die falsche Nummer.

      Ich schnaube belustigt und schüttele den Kopf, dann hebe ich mein Smartphone hoch, um ein Foto von mir selbst zu machen. Mein Haar ist nass und ohne ein Oberteil werden die bunten Tattoos, die meine Brust und Arme bedecken, zur Schau gestellt. Eine Sekunde lang frage ich mich, ob der Junge mich überhaupt erkennen oder sich an mich erinnern wird. Es ist Jahre her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich verschicke das Bild und es wird mir sofort angezeigt, dass es gesehen wurde. Die kleinen Punkte hüpfen, deuten an, dass er etwas schreibt. Dann verschwinden sie. Ein paar Augenblicke später erscheinen sie wieder, aber ich bin es leid, auf eine Antwort zu warten, also beschließe ich, in der Zwischenzeit das geplante Nickerchen zu halten.

      Ich löse das Handtuch, das ich mir um die Hüften geschlungen habe, und hänge es zurück an die Badezimmertür. Danach eile ich schnurstracks ins Schlafzimmer und krieche unter die kühlen, weichen Laken. Ehe ich die Augen schließen kann, vibriert mein Handy mit einer weiteren Nachricht.

      Einstein: Paxton, hi.

      Ich muss lächeln und dabei breitet sich eine seltsame Art von Zuneigung für den kleinen Nerd in meiner Brust aus. Er hat so lange gebraucht, um das hier zu tippen und zu senden?

      Pax: Hi.

      Einstein: Ich bin mir sicher, Theo hat es so klingen lassen, dass ich rekordverdächtig armselig wäre, aber ich versichere dir, dass du kein Mitleid mit mir haben brauchst. Ich weiß die Einladung zu schätzen, aber du musst das nicht tun. Ich sage ihm einfach, dass wir uns getroffen haben und eine tolle Zeit hatten. Dann lässt er dich in Ruhe.

      Das wäre die einfachere Option, aber aus irgendeinem Grund würde ich gerne herausfinden, wie der erwachsene kleine Nerd so ist. Nennen wir es einen schweren Fall von Neugier.

      Pax: Das geht nicht. Versprochen