Aslan führt Regie in einer Hörfunkbearbeitung von Hofmannsthals Der Tor und der Tod. Während der Proben ärgert er sich über die Sprechweise des Schauspielers, der in der Rolle des Claudio zu hören ist. »Das muss weicher gesprochen werden«, erklärte er dem unerfahrenen Kollegen und singt ihm die Worte vor: »Die leeetzten Beeerge liiiegen nun iiim Glaaanz.« Als dies der junge Mime nach etlichen Versuchen noch immer nicht schafft, fragt Aslan: »Wie viel zahlt dir der Rundfunk für dieses Hörspiel?«
»100 Schilling.«
»Ja dann«, meint Aslan, »dann ist es sehr gut. Bitte mach weiter.«
HERMANN BAHR
Schriftsteller und Kritiker
* 19. 7. 1863 Linz † 15. 1. 1934 München. Erlangte als Vermittler neuer künstlerischer Strömungen großes Ansehen. Schrieb seine ersten Dramen als Literaturstudent in Berlin. Hielt sich 1891 bis 1912 in Wien auf, wo er die Wochenschrift »Die Zeit« mitbegründete und Wortführer des »Jung-Wien« wurde. Lebte auch in Salzburg und München. Verheiratet mit der Sängerin Anna Bahr-Mildenburg.
Der Wiener Kritikerpapst Hermann Bahr traf Franz Molnár vor Beginn der Premiere eines neuen Molnár-Stücks in den Kammerspielen. Die beiden Herren verabredeten sich für nachher: Ist das Stück ein Erfolg, den es zu feiern gibt, werde man sich im Sacher treffen. Wird das Stück aber ein Misserfolg, wolle man im Café Herrenhof zusammenkommen.
Es kam, wie es kommen musste, beide Herren verbrachten den Abend in großer Einsamkeit. Der Kritiker im Herrenhof, der Autor im Sacher.
Die einheitliche, vor allem unter Künstlern beliebte Barttracht führte zur Jahrhundertwende immer wieder zu Verwechslungen. So wurde Hermann Bahr einmal auf der Straße von einer jungen Dame angesprochen und gefragt, ob er nicht der Schriftsteller Däubler sei.
»Lassen Sie sich nicht durch meinen Bart verwirren«, lachte Bahr und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich bin nämlich Johannes Brahms!«
»Ach ja«, entschuldigte sich das Fräulein, »Sie haben doch dieses Buch geschrieben … dieses äh … ich hab’s zu Hause.«
»Sie haben vollkommen Recht«, sagte der sich für Brahms ausgebende Bahr, »von mir stammt Brahms’ Tierleben.«
ALBERT BASSERMANN
Schauspieler
* 7. 9. 1867 Mannheim † 15. 5. 1952 Zürich. Zunächst Chemiker, ab 1895 an den Reinhardt-Bühnen Berlin, galt er bald als einer der bedeutendsten Darsteller. 1912 Filmdebüt, 1933 Emigration mit seiner jüdischen Frau in die Schweiz. 1939 in die USA, wo er seine Filmkarriere fortsetzte, u. a. in Hitchcocks »Foreign Correspondent«. Nach dem Krieg mehrere Österreich-Gastspiele. Ifflandring-Träger.
Als junger Schauspieler trat Bassermann in einem kleinen Theater als Freiherr von Attinghausen in Schillers Wilhelm Tell auf. Nach dem Ende der Vorstellung stürzte der Direktor wütend auf Bassermann zu: »Wie können Sie es sich nur erlauben, in der Sterbeszene so impertinent zu lachen?«
»Aber, Herr Direktor«, antwortete Bassermann, »bei der Gage, die Sie zahlen, ist doch der Tod eine wahre Erlösung.«
Bassermann besuchte ein Bauerntheater, dessen Hauptdarsteller ein nicht untalentierter Schuster war. Nach der Aufführung ging der berühmte Mime hinter die Bühne, um dem Star der Aufführung zu gratulieren: »Das haben Sie wunderbar gemacht, Herr Kollege.«
»Ah so«, erwiderte der Hobbykünstler, »san Sie a a Schuster?«
OTTO BAUER
Politiker
* 5. 9. 1881 Wien † 4. 7. 1938 Paris. Bedeutender Theoretiker der Sozialdemokratie, Redakteur der »Arbeiter Zeitung«, nach dem Tod Victor Adlers kurze Zeit Staatssekretär des Äußeren; Führer der Sozialdemokratie in der Ersten Republik und Begründer des »Austromarxismus«. Floh nach dem Februaraufstand im Jahr 1934 nach Brünn und nach Hitlers Einmarsch nach Paris.
Nach dem Bürgerkrieg des Jahres 1934 erschien im Prager Tagblatt ein Leitartikel, der den sozialdemokratischen Führern Otto Bauer und Julius Deutsch vorwarf, sich in die Tschechoslowakei abgesetzt zu haben, während die von ihnen verlassenen Schutzbündler in aussichtslosem Kampf in Wien auf den Barrikaden gestanden und fast zweihundert von ihnen ums Leben gekommen sind.
Daraufhin sprach eine Abordnung der Sozialdemokratischen Partei bei Rudolf Keller, dem Herausgeber des Prager Tagblatts, vor, um sich über den Kommentar zu beschweren. Keller lauschte den Vorwürfen des Delegationsleiters ohne zu widersprechen, holte tief Luft und brachte dann seine Entschuldigung hervor: »Meine Herren, Sie wissen doch, wie es zugeht in einer Redaktion – besonders an einem so aufregenden und hektischen Tag wie dem gestrigen. Da herrscht ein entsetzliches Durcheinander, die Meldungen überstürzen sich, man weiß gar nicht, wo man zuerst hinhören soll. Tja, meine Herren: Da kann es dann schon passieren, dass man einmal die Wahrheit schreibt!«
VICKI BAUM
Schriftstellerin
* 24. 1. 1888 Wien † 29. 8. 1960 Hollywood. War nach dem Musikstudium am Wiener Konservatorium als Harfenistin tätig, ehe sie 1926 als Journalistin in Berlin zu schreiben begann. Wanderte 1931 in die USA aus. Ihre erfolgreichsten Romane: »Menschen im Hotel« (1929), »Hotel Shanghai« (1953). Viele ihrer Bücher wurden übersetzt und verfilmt.
Ein Wiener, der die durch ihren Roman Menschen im Hotel weltberühmt gewordene Schriftstellerin Vicki Baum bei einer Premierenfeier in Hollywood kennen lernte, war überrascht von ihrer blendenden Erscheinung und ihrer jugendlichen Ausstrahlung. »Sie sind ja blond und so jung«, wunderte sich der Partygast, »ich dachte, Sie seien grauhaarig und wesentlich älter.«
Vicki Baum sagte darauf nur ein Wort: »Stimmt!«
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Komponist
* 16. 12. 1770 Bonn † 26. 3. 1827 Wien. Schuf u. a. neun Symphonien, die Oper »Fidelio«, Messen, Ouvertüren, Klavierkonzerte und Bühnenmusik (»Leonoren«, »Coriolan«, »Die Weihe des Hauses«, »Egmont«). Mit 17 Jahren erstmals in Wien, ehe er 1792 für immer blieb. Verkündete 1802 mit dem »Heiligenstädter Testament« seine zunehmende Schwerhörigkeit, die 1818 zu vollständiger Taubheit führte.
Der als zerstreut und zerfahren beschriebene Beethoven betrat eines Tages die Stube seines Wiener Stammgasthauses Zum Schwan. Er setzte sich an einen Tisch und begann wie immer sofort zu komponieren, wobei er sich so sehr in seine Noten vertiefte, dass er seine Umwelt vollkommen vergaß. Als ihn der Ober nach seinem Wunsch fragte, reagierte Beethoven (der damals noch keineswegs schwerhörig war) nicht. Nach mehreren Stunden stand er, ohne irgendetwas konsumiert zu haben, von seiner Arbeit auf und rief: »Zahlen!«
Auch in Gesellschaft wirkte Ludwig van Beethoven oft »abwesend«, weil er in Gedanken immer ganz bei seiner Musik war. Das ging so weit, dass er bei einem Diner in der Wiener Hofburg dem neben ihm sitzenden Kaiser Josef II. den Takt auf den Rücken schlug. So sehr der Meister von eifrigen Hofbeamten mit Blicken gemaßregelt wurde – der gütige Monarch lächelte nur und sagte: »Ein Untertan hat mich geschlagen, und ich habe ihn nicht bestraft.«
Als er bereits weltberühmt war, pilgerte die Jugend zu Beethoven, wie einst er als junger Musiker zu Mozart gepilgert war. Auch ein Nachwuchskünstler wollte ihm sein Können zeigen. Beethoven hörte sich das Geklimper des Talentlosen an und zog sich mit den Worten aus der Affäre: »Sie müssen noch lange spielen, ehe Sie einsehen werden, dass Sie nichts können!«
Sprach’s