Um Krone und Liebe. Sigrid-Maria Größing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sigrid-Maria Größing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902998767
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so wollte er einen anderen, weniger gefährlichen Weg finden, damit er zu kaiserlichen Ehren kommen konnte. Zusammen mit seinem treuen Ratgeber und guten Freund Matthäus Lang überlegte er alle Möglichkeiten bis ins kleinste Detail. Auch ohne Krönung in Rom bestand immerhin die Variante, sich selber offiziell als erwählter römischer Kaiser zu deklarieren. Diese Idee schien die Lösung des Problems zu sein!

      Es war ein bunter Zug, der sich über die Alpen in Bewegung setzte. Alle wollten dabei sein, hunderte Gefolgsleute, Maler und Dichter, Musiker und Spielleute, Astronomen und Sterndeuter, Gaukler und Narren, würdige Damen von Rang und lieblichste Mädchen des Reiches, als sich der beinah 50-jährige Monarch den Traum seines Lebens erfüllte. Und jeder kam auf seine Rechnung! Jubel brauste auf und wollte nicht enden, als am 4. Februar 1508 in der festlich geschmückten Domkirche von Trient Matthäus Lang mit feierlicher Stimme die Ernennung Maximilians zum römischen Kaiser bekannt gab. Der Papst war für viele uninteressant geworden, ja so mancher war froh darüber, dass sich die deutschen Könige endlich aus der jahrhundertelangen Abhängigkeit von Rom befreit hatten.

      Als der offizielle Akt vorüber war, begann ein rauschendes Fest. Und obwohl die Kassen Maximilians wieder einmal bedenklich leer waren, ließ es sich der neue Kaiser dennoch nicht nehmen, seine Gäste in jeder nur erdenklichen Art zu verwöhnen. Tausende Fackeln erhellten die Nacht, in der gesungen und getanzt, geschmaust und gebechert wurde. Auch die Männer und Frauen, die aus den Alpendörfern gekommen waren, um dem neuen Kaiser zu huldigen, sollten nicht mit leerem Magen nach Hause gehen. Im Mittelpunkt der Festlichkeiten aber stand er, der frisch gekürte, beliebte Kaiser, der sich unermüdlich neue Attraktionen, Späße und Schabernacks ausdachte, um seine Gäste zu erfreuen. Zur allgemeinen Belustigung hatte er ein prächtiges seidenes Zelt aufstellen lassen, aus dem auf ein Zeichen nicht nur Sänger und Musiker traten, sondern auch ein Mann und eine Frau in türkischer Kleidung, die auf den Schultern als Affen verkleidete Kinder trugen, die schrien, grunzten, miauten und meckerten. Über dieses Spektakel brach die erlauchte Gesellschaft geradezu in Entzücken aus, den Höhepunkt der Lustbarkeiten aber bildete der immer noch attraktive Kaiser selber, als er in einem goldenen kurzen Wams erschien, an den Füßen verschiedenfärbig verschnürte Schuhe. An der Seite führte er eine geheimnisvoll verschleierte Dame, ganz in Samt gekleidet, über und über mit Juwelen geschmückt. Mit ihr tanzte der Kaiser unter dem Jubel der Gäste einen – man höre und staune – französischen Tanz!

      Eine allerdings suchte man vergeblich unter den Feiernden: Maximilians zweite Gemahlin Bianca Maria Sforza. Der erlauchte Gemahl hatte sie nicht eingeladen, ja er hatte nicht einmal eine Ahnung, wo sich seine Gattin, die ihm durch ihre reiche Mitgift so viel Geld gebracht hatte, zur Zeit der Kaiserkrönung aufhielt.

      Was nach den Ereignissen in Trient keiner vermutet hatte, trat überraschenderweise ein: Papst Julius II. hatte gute Miene zum verlorenen Spiel gemacht und ließ Maximilian wissen, dass er dessen neuen Titel »erwählter römischer Kaiser« bestätigte, was ihn aber schon kurz darauf nicht daran hinderte, ihn als einen Barbaren zu bezeichnen. Dies war zu viel für Maximilian! Den Kampf mit dem Vertreter Gottes auf Erden war er schon lange leid. Und da er sich in Hinkunft aller Fleischeslust enthalten und kein »nacktes Weib« mehr berühren wollte, kam Maximilian auf eine ausgefallene Idee: Er selber wollte sich um die Tiara bewerben, der Kaiser wollte auch Papst werden!

      Das Fest der Feste fand in Wien statt

       »Aus der Stadt zogen dem Kaiser und den Königen auf eine Viertelmeile des Weges entgegen an die tausend fünfhundert Bürger und Bürgersöhne, alle in Scharlach gekleidet …«

      So berichtete ein Chronist im Jahre 1515. »Vor ihnen her ritten sechs mit ritterlicher Würde geschmückte Ratsherren in silbernem Harnisch, um die Fürsten im Namen der Stadt mit Gruß und Geschenken zu bewillkommnen. Nach diesen kamen fünfhundert deutsche Landsknechte mit langen Spießen und Handröhren, alle schön und gleich gekleidet …« Die Ehrenformationen, die gekommen waren, um Kaiser Maximilian und den Königen Vladislav II. von Böhmen und Ungarn und Siegmund von Polen einen prächtigen Empfang zu bereiten, nahmen schier kein Ende, denn auch die hohe Geistlichkeit hatte ihre Vertreter im prunkvollen Ornat gesandt, hinter ihnen schritten würdevoll die Professoren der Universität, die Doktoren in ihren Talaren und die bunt gekleideten Studenten, gefolgt von begeisterten Schulknaben, die bunte Fähnchen lustig schwenkten. Auch die Zünfte hatten ihre Abgeordneten geschickt, wobei sich ihnen zahllose Handwerker angeschlossen hatten, die einmal in ihrem Leben einen echten Kaiser und zwei wirkliche Könige sehen wollten.

      Ganz Wien war in hellste Aufregung geraten, als bekannt geworden war, dass der allseits beliebte Kaiser Maximilian sich entschlossen hatte, hier in der Stadt an der Donau seine Enkel an die Kinder von König Vladislav II. zu verheiraten. Dabei war allerdings auch zur Stunde noch nicht klar, wen er eigentlich als Bräutigam für die zwölfjährige Anna ausersehen hatte, denn weder Karl, der in den Niederlanden lebte und dereinst die Nachfolge seines Großvaters als Kaiser antreten sollte, noch dessen Bruder Ferdinand, der in Spanien erzogen wurde, waren gefragt worden, ob sie die kleine Ungarin heiraten wollten. Auch Maria, der Schwester der beiden Knaben, die erst zehn Lenze zählte, war es nicht anders ergangen, ihr wurde ganz einfach befohlen, mit großem Gefolge und unter ärgsten Strapazen wochenlang gen Osten nach Wien zu ziehen, um hier den ein Jahr jüngeren Knaben Ludwig zu heiraten, von dem man ihr rein gar nichts erzählt hatte, außer, dass er einmal König von Böhmen und Ungarn werden sollte.

      Aber der kaiserliche Großvater wusste, was er tat. Er hatte schon so manches Mal gewinnbringende Ehen arrangiert, wobei es ihm keineswegs auf das Glück der Eheleute ankam, sondern lediglich auf eine reiche Mitgift oder großen Ländergewinn. Auch jetzt schien alles darauf hinzudeuten, dass sich der Einflussbereich der Habsburger entscheidend ausweiten würde, die Doppelhochzeit in Wien würde dies offiziell besiegeln. War Maximilian zwar ein Leben lang von Geldnöten bedrückt gewesen, seine diplomatischen Strategien erwiesen sich auf Grund seines einnehmenden Wesens und seines persönlichen Einsatzes als meisterlich. So gelang es ihm, selbst in schwierigsten Zeiten oft noch im letzten Moment Geldgeber für seine Unternehmungen zu finden, und die reichen Fugger in Augsburg öffneten auch jetzt, nicht ganz uneigennützig, wieder ihre Geldtruhen. Die Geschäfte, die im Osten winkten, waren den Fuggern schon die 50.000 Gulden wert, die man dem Kaiser für das glanzvolle Fest in Wien bereitwillig zur Verfügung stellte, damit wirklich alles, was die Herzen der hohen Herrschaften begehrten, vorhanden war.

      Nach dem Einzug der Majestäten in die Stadt begann das allgemeine Fest, zu dem die Wiener Bevölkerung samt und sonders eingeladen war. Seltsamerweise war die junge Maria zunächst in dem eher abgehausten Cilli-Hof untergebracht worden, der als Schießstätte gedient hatte und in dem es nicht nur unerträglich nach Pulver stank, sondern in dem auch die Ratten aus und ein liefen. Die Enttäuschung des jungen Mädchens war aber bald überwunden, als prächtig goldbeschlagene Kutschen für sie und Anna vorfuhren, die die kleinen Bräute zum Stephansdom bringen sollten, wo sie schon von dem jeweiligen Bräutigam erwartet wurden. Dabei hielt man vergebens nach einem jungen Mann für die glutäugige Anna Ausschau, denn weder Karl noch Ferdinand waren persönlich zu der Trauung erschienen, keiner von beiden hatte nur die geringste Ahnung, für wen sich eigentlich der Großvater als Stellvertreter mit der jungen Ungarin trauen ließ. Denn Maximilian, der sich vor dem Grabmal seines Vaters Friedrich III. den goldglänzenden kaiserlichen Ornat hatte anlegen lassen, dessen Wert von den staunenden Gästen auf eine Million Gulden geschätzt wurde, gab sein Jawort dem Vertreter des Papstes kurioserweise für einen seiner beiden Enkel. Zu der kleinen Braut an seiner Seite meinte Maximilian:

      »Wiewohl Wir itzt Euer Liebden das Wort gegeben, dass Ihr Unser Gemahlin seyn sollet, so ist doch solches geschehen im Namen Unserer beiden abwesenden Enkel und in der Meinung, Euer Liebden an einen von denselben zu vermählen, den Wir auch hiermit Euch ehelich versprechen. Und weil mein Enkel Carl die Königreiche Castillien und Arragonien, sein Bruder Ferdinand aber das Königreich Neapel zu erben und zu erwarten hat, so erklären und nennen Wir hiemit Euer Liebden eine Königin und wollen Euch zu einer solchen gekrönet haben!«

      Nach diesen Worten schritt der Kaiser feierlich auf Anna zu und setzte eine kleine goldene Krone auf ihren Lockenkopf. Anna hatte gehofft, die tatsächliche Gemahlin Karls zu werden und war zunächst bitter enttäuscht,