Die Villen vom Traunsee. Marie-Theres Arnbom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie-Theres Arnbom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783903217355
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Klarfeld, Tochter der in Auschwitz ermordeten Schwester Lola Adler. In Friedas Opferfürsorgeakt finden sich Bestätigungen von Albine Chwatal und Elisabeth Sacher in Wien, dass »Fräulein Frieda Adler während der Hitlerzeit bei mir unangemeldet gewohnt hat«.24 Und auch Frieda selbst gibt an: »Nach 1941 bis 1945 war ich als U-Boot versteckt und lebte daher ebenfalls von Unterstützungen.« In einer Eingabe an die IRO – International Refugee Organization Austria – gibt Frieda 1949 weitere Auskünfte: »Im Jahr 1938 war meine Nichte [Irene Klarfeld] mit ihren Eltern in Wien, musste Österreich aber aus rassischen Gründen verlassen und ging nach Lemberg, Polen. Im Dezember 1942 wurden ihre Eltern [Sigmund und Lola Klarfeld] nach Auschwitz deportiert und sind dortselbst auch umgekommen. Da Irene seit ihrer Jugend an einem Nervenleiden erkrankt ist, liess ich sie auf schwarzem Wege nach Österreich kommen und war mit ihr von 1943–45 in Gmunden [wohl bei Käthe Jocher] versteckt.«

      Josef Jocher wird zum Schluss noch in Mauthausen inhaftiert, Käthe bleibt mit Schwester und Nichte in der Gmundner Villa zurück. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen kehrt ihr Mann zu Fuß zurück und fungiert bereits im September 1945 als von den Amerikanern eingesetzter KPÖ-Vizebürger-meister von Gmunden. Bis 1950 bleibt die Villa Josef-Dangl-Straße 1 (Villa Adler) im Besitz der Familie – die Villa in der Franz-Stelzhamer-Straße 12 (Villa Jocher) wird zehn Jahre später veräußert.

       5 »Beim zweiten Gartentürl links ist das Museum.«

       Familie Miller-Aichholz und Johannes Brahms

       Gmunden, Lindenstraße 11

      Das Kapitel über die Familie Miller-Aichholz verleitet zum Namedropping – Künstler aller Genres gingen in der Villa ein und aus, doch die reine Aufzählung der Namen macht nur atemlos und lässt keinen der Menschen klar erscheinen, sondern in der Menge vorbeirauschen. Schade, denn jeder Einzelne aus diesem Kreis wäre es wert, gewürdigt zu werden, doch würde dies zu weit führen und ein eigenes Buch füllen.

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      Enge Freunde: Theodor Billroth (li.) und Viktor Miller-Aichholz mit einem unbekannten Dritten in Gmunden

      Wer ist die Familie, die so viele Künstler um sich schart? Franz Miller-Aichholz zählt zu den Pionieren der österreichischen Großindustrie und begründet ein Unternehmen, das in unterschiedlichen Bereichen tätig und erfolgreich ist. Seine Söhne Viktor und Eugen führen dies fort und betätigen sich beide als Kunstmäzene mit verschiedenen Interessensschwerpunkten. Für Viktor steht die Musik im Mittelpunkt – ihr öffnet er auch seine Villa in Gmunden.

      Viktors Enkel Rudolf von Stummer gibt in einer Rückschau auf »Gmundens große musikalische Zeit« Einblick in die Zeiten seines Großvaters: »Immer herrschte die fröhlichste Stimmung, der selbst der führende Musikkritiker dieser Zeit, der strenge und gefürchtete Hanslick, unterlag, der bei solchen Gelegenheiten sehr fidel werden konnte. Auch Max Kalbeck, einer der feinsten und gescheitesten Menschen und Künstler, die mir je begegneten, zählte zu den ständigen Gästen, Professor Julius Epstein, Professor Mandyczewski, der Dichter Paul Heyse, der Komponist Ignaz Brüll, ferner der ausgezeichnete Pianist Richard Epstein, der Sohn des großen Julius, der lange vor dem Kriege nach England und dann nach Amerika übersiedelte und mit Alice Strauß, der Stief- und Adoptivtochter des Walzerkönigs, verheiratet war.«25

      Ein Künstler spielt jedoch im Hause Miller-Aichholz eine besondere Rolle: Johannes Brahms. 1905 gründet Viktor Miller-Aichholz in Gmunden ein Brahms-Museum, das aus drei Ausstellungsräumen besteht, an die sich ein Nachbau der beiden Zimmer in Brahms’ Ischler Domizil anschließt. Was für ein rührendes Monument für den 1897 verstorbenen Komponisten. Doch das liebevolle Gedenken erstarrt – und damit auch die Erinnerung an Brahms. 1910 stirbt Viktor, seine Frau Olga erbt den großen Besitz in Gmunden und somit auch das Brahms-Museum. Olga gerät 1931 in eine missliche finanzielle Lage und kann die von der Stadt Gmunden geforderte Steuer nicht bezahlen. Die Angelegenheit geht bis zum Verwaltungsgerichtshof. Dort wird festgehalten, »daß die Beschwerdeführerin eine Reihe von Luxusvillen besitze, mit denen aber bei den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen nichts anzufangen sei; sie werfen so wenig Ertrag ab, daß ihre Erhaltung mehr kostet als der durch Vermietung an Sommerparteien erzielte Mietzins.«26 Und die Begründung geht noch einen Schritt weiter, denn Hausbesitz charakterisiere nicht die wirtschaftliche Lage einer bestimmten Person. Am 26. November 1931 stirbt Olga, ihre Erben müssen den großen Besitz in Gmunden verkaufen – doch was geschieht mit dem so liebevoll zusammengetragenen Brahms-Museum?

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      Johannes Brahms (re.), gern gesehener Gast im Hause Miller-Aichholz

      Rudolf von Stummer erkennt die neuen Zeiten genau: »Wohin sind alle diese glänzenden Assemblées? Eine nüchterne und häßliche neue Zeit hat die Mäzene ausgerottet. Den Leuten mit Verständnis fehlt leider meistenteils das Geld und feinsinnige Geselligkeit und künstlerische Salons haben entsprechend darunter gelitten. Im pietätvollen Andenken an meinen Großvater und in den Intentionen meiner im November 1931 verstorbenen Großmutter wünsche ich von Herzen, daß ihr ›Brahms-Haus‹, wie wir es stets nannten, als museales Ganzes erhalten bleibe, um die Nachwelt schöner vergangener Tage weihevoll zu erinnern und ihr immer Antrieb zu liebevoller Pflege der Kunst zu geben.«27

      Diesem Wunsch zu entsprechen erweist sich als schwierig, denn Olga hat testamentarisch nichts festgelegt – daher wirken die freien Kräfte. Olgas Erben müssen drei Villen verkaufen, doch »die eigentliche Stammvilla Miller-Aichholz, umgeben von einer prachtvollen Parkanlage, verschiedenen Nebengebäuden und einer Gärtnerei, und das sogenannte ›Brahms-Haus‹ mit dem Brahms-Museum, sind noch nicht veräußert worden, doch tragen sich die Erben mit der Absicht, Gründe in größerem Ausmaße in Bauparzellen zu zerlegen und als Baugründe zu verkaufen, was bereits aufgestellte Tafeln ankündigen. Schade wäre es nur, wenn bei der Aufteilung dieser Gründe die verschiedenen Anlagen, welche liebliche Spazierwege vielseitig durchqueren, so zerrissen würden, daß auch das eindrucksvolle Gesamtbild litte.« Was für ein fast prophetischer Blick des Linzer Volksblatts am 19. April 1932 in die schreckliche Zukunft der völligen Zersiedelung der Landschaft.

      Was soll nun mit dem Brahms-Museum passieren? Es war »alljährlich das Ziel der Brahms-Verehrer von weither. Im Fremdenbuche sind stolze Namen der Großen der Welt neben jenen von solchen aus dem Reiche der Kunst und Wissenschaft vereint«, weiß das Linzer Volksblatt am 12. Februar 1932 zu berichten. Gerüchten zufolge gibt es amerikanische Interessenten: »Der große Kunstfreund und Förderer, Viktor von Miller, der das Museum aus tiefer Verehrung zu seinem Freunde Brahms geschaffen hat, würde über den Vorsatz, die Brahms-Reliquien mit den vielen handschriftlichen Widmungen an ihn und seine Gattin gegen klingende Münze einzuwechseln, schwer erstaunt sein. Es ist schon möglich, daß die nüchtern gewordene Welt auch das noch mitansehen muß«, resümiert das Linzer Volksblatt weiter. Doch so weit kommt es nicht. Das Museum bleibt bestehen. Obwohl es schon ein Jahr zuvor kaum auffindbar war, wie Hilda Strauß-Gutmann unter dem Titel »Das verschollene Brahms-Museum in Gmunden« im Neuen Wiener Journal am 22. September 1931 schildert: »Der Traunsee liegt stahlgrau und regungslos, tief hängende Wolken verhüllen seine Berge und wandeln die großartige Lieblichkeit dieser Landschaft in umdüsterte Schwermut des scheidenden Sommers. Und düster und leer ist zu dieser frühen Vormittagsstunde die Esplanade in Gmunden, in der ich, von Ischl kommend, den Satori-Anlagen zuschreite. Dort soll sich, gemäß der erhaltenen Auskunft bei der Kurkommission und nach Angabe des gedruckten Prospektes, das Brahms-Museum befinden, welches Viktor v. Miller-Aichholz dem Andenken seines toten Freundes errichtet hat. Eine alte Dame in Ischl, die einst dem Freundeskreis von Johannes Brahms angehörte, klagte mir in beweglichen Worten, daß diese Erinnerungsstätte nahezu gänzlich dem Vergessen anheimzufallen droht. Und sie hat recht gehabt. In den Satori-Anlagen ist kein Brahms-Museum zu finden. Auf meine Frage schütteln die Gmundener Eingebornen verwundert den Kopf und wollen mich in das städtische Museum weisen. Endlich schlage ich auf eigene Faust den Weg zum Besitz der Familie v. Miller-Aichholz