Fußnoten
1 Freilich werden wir es dabei nur mit elementaren Formen dieser Probleme zu tun haben. Dieser Umstand allein erlaubt es mir, dem die fachmäßige Beherrschung der gewaltig anschwellenden logischen Literatur naturgemäß nicht zu Gebote steht, mich mit ihnen hier zu beschäftigen. Ignorieren darf auch der Fachmann der Einzelwissenschaften jene Probleme nicht, und vor allem: so elementar sie sind, so wenig ist, wie sich auch im Rahmen dieser Studie zeigen wird, auch nur ihre Existenz allseitig erkannt.
2 Sachlich erhebliche Aenderungen finden sich übrigens in den für uns wesentlichen Hauptpunkten bis in die spätesten Bände und Auflagen des großen Roscherschen Werkes kaum. Es ist eine gewisse Erstarrung eingetreten. Autoren wie Comte und Spencer hat er zwar noch kennengelernt, ihre Grundgedanken in ihrer Tragweite aber nicht erkannt und nicht verarbeitet. Ueber Erwarten dürftig für unsere Zwecke erweist sich insbesondere seine »Geschichte der Nationalökonomik« (1874), da für R. durchweg das Interesse daran, was der behandelte Schriftsteller praktisch gewollt hat, im Vordergrunde steht.
3 Die nachfolgende Analyse bietet, ihrem Zweck entsprechend, selbstverständlich das Gegenteil eines Gesamt bildes von der Bedeutung Roschers. Für deren Würdigung ist auf den Aufsatz Schmollers (zuletzt gedruckt in: Zur Literaturgeschichte der Staats- und Sozialwissenschaften) und auf die Gedächtnisrede Büchers (abgedruckt Preuß. Jahrbücher, Band 77, 1894, S. 104 ff.) zu verweisen. Daß beide in diesen bei Roschers Lebzeiten bzw. gleich nach seinem Tode erschienenen Aufsätzen einen für Roschers wissenschaftliche Persönlichkeit wichtigen Punkt: seine religiöse Grundanschauung, beiseite ließen, war bei der subjektivistischen Empfindungsweise unserer Generation in diesen Dingen durchaus natürlich. Eine genauere Analyse von Roschers Methode würde – wie wir sehen werden – diesen Faktor nicht vernachlässigen dürfen, und Roscher selbst war – wie die posthume Publikation seiner »Geistlichen Gedanken« zeigt – auch insofern durchaus »unmodern«, als er gar nicht daran dachte, bei dem öffentlichen Bekenntnis zu seinem streng traditionellen Glauben irgendeine Verlegenheit zu empfinden. Daß in der nachfolgenden Analyse Roschers mannigfache Wiederholungen und eine oft scheinbar unnötige Ausführlichkeit sich finden, hat seinen Grund in dem unabgeschlossenen und vielfach in sich wiederspruchsvollen Charakter seiner Ansichten, deren einzelne Verzweigungen immer wieder an den gleichen logischen Gedanken gemessern werden müssen. Für logische Untersuchungen gibt es schlechthin nichts »Selbstverständliches«. Wir analysieren hier in eingehender Weise längst überwundene Anschauungen Roschers auf ihren logischen Charakter hin, über deren sachlichen Gehalt heute in unserer Wissenschaft wohl niemand mehr ein Wort verlieren würde. Irrtümlich aber wäre es, aus diesem Grunde anzunehmen, die logischen Schwächen, die darin stecken, wären uns heute im allgemeinen klarer, als sie es ihm waren.
4 Dieser im weiteren Verlauf unserer Erörterung noch oft zu berührende Gegensatz ist in einem gewissen Maße, obgleich mit teilweise unzutreffenden Folgerungen, schon von Menger – wie noch zu erwähnen sein wird – in seiner Tragweite für die Methodenlehre der Nationalökonomie erkannt worden.
Die exakte logische Formulierung ist, nach den Ansätzen, die sich bei Dilthey (Einleitung in die Geisteswissenschaften) und Simmel (Probleme der Geschichtsphilosophie) fanden, in wichtigen Punkten zuerst in Windelbands Rektoratsrede 1894 (Geschichte und Naturwissenschaft) kurz skizziert, dann aber in dem grundlegenden Werk von H. Rickert (Die Grenzen der naturwissensch. Begriffsbildung) umfassend entwickelt worden. Auf ganz anderen Wegen nähert sich, beeinflußt von Wundt, Dilthey, Münsterberg und Mach, gelegentlich auch von Rickert (Band I), im wesentlichen aber durchaus selbständig, den Problemen der Begriffsbildung in der Nationalökonomie die Arbeit von Gottl (»Die Herrschaft des Wortes«, 1901), welche jetzt freilich, soweit sie Methodenlehre treibt, in manchen – jedoch keineswegs in den ihr wesentlichsten – Punkten durch die inzwischen erschienene zweite Hälfte des Rickertschen Werkes überholt ist. Rickert ist die Arbeit offenbar unbekannt geblieben, ebenso Eduard Meyer, dessen Ausführungen (»Zur Theorie und Methodik der Geschichte«, 1902) sich mit denjenigen Gottls vielfach berühren. Der Grund liegt wohl in der fast bis zur Unverständlichkeit sublimierten Sprache Gottls, der – eine Konsequenz seines psychologistischen erkenntnistheoretischen Standpunkts – die hergebrachte begrifflich gebundene und dadurch für ihn »denaturierte« Terminologie geradezu ängstlich meidet und gewissermaßen in Ideogrammen den Inhalt des unmittelbaren »Erlebens« zu reproduzieren strebt. So sehr manche Ausführungen, darunter auch prinzipielle Thesen der Arbeit, Widerspruch erregen müssen, und so wenig ein wirklicher Abschluß erreicht wird, so sehr ist die in ihrer Eigenart feine und geistvolle Beleuchtung des Problems zu beachten, auf welche auch hier mehrfach zurückzukommen sein wird.
5 Wohlgemerkt: nicht ihr ausschließlich oder auch nur überwiegend verwendetes Mittel, sondern dasjenige, welches sie von den exakten Naturwissenschaften unterscheidet.