Wissenschaft als Beruf, München/Leipzig 1919
Politik als Beruf, München/Leipzig 1919
Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 3 Bde., Tübingen 1920-1921
Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922
Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922
Wirtschaftgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, München/Leipzig 1923
Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 4 Bde., Tübingen 1924
Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, 4 Bde., Tübingen 1924
Seine Schriften zur Wissenschaftslehre
Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie
Vorbemerkung S. 1.– I. Roschers »historische Methode«. Roschers Klassifikation der Wissenschaften S. 3. Roschers Entwickelungsbegriff und die Irrationalität der Wirklichkeit S. 22. Roschers Psychologie und sein Verhältnis zur klassischen Theorie S. 30. Die Schranke des diskursiven Erkennens und die metaphysische Kausalität der Organismen bei Roscher S. 33. Roscher und das Problem der praktischen Normen und Ideale S. 38.
Das nachstehende Fragment will kein literarisches Porträt unserer Altmeister sein. Vielmehr beschränkt es sich auf den Versuch, zu zeigen, wie gewisse elementare logisch-methodische Probleme, welche im letzten Menschenalter in der Geschichtswissenschaft und in unserer Fachdisziplin zur Erörterung standen, in den Anfängen der historischen Nationalökonomie sich geltend machten1, und wie sich die ersten großen Leistungen der historischen Methode mit ihnen abzufinden versucht haben. Wenn dabei vielfach wesentlich auch deren Schwächen hervortreten, so liegt das im Wesen der Sache. Gerade sie können uns immer wieder zur Besinnung auf diejenigen allgemeinen Voraussetzungen führen, mit welchen wir an unsere wissenschaftliche Arbeit herantreten, und dies kann der alleinige Sinn solcher Untersuchungen sein, welche auf ein »künstlerisches« Gesamtbild ganz geflissentlich zugunsten breiter Zergliederung wirklich oder scheinbar selbstverständlicher Dinge verzichten müssen. –
Man pflegt heute als die Begründer der »historischen Schule« Wilhelm Roscher, Karl Knies und Bruno Hildebrand zusammen zu nennen. Ohne nun der großen Bedeutung des zuletzt Genannten irgendwie zu nahe treten zu wollen, kann er doch für unsere Zwecke hier ausscheiden, obwohl gerade er, in gewissem Sinne sogar nur er, mit der heute als »historisch« bezeichneten Methode wirklich gearbeitet hat. Sein in der »Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft« niedergelegter Relativismus verwertet in den Punkten, auf die es hier ankommt, nur Gedanken, welche schon vor ihm, teils von Roscher, teils von anderen, entwickelt waren. Hingegen kann eine Darstellung der methodologischen Ansichten von Knies einer vorherigen Darlegung des methodischen Standpunktes Roschers nicht entraten. Knies' methodologisches Hauptwerk ist mindestens ebensosehr eine Auseinandersetzung mit den bis dahin erschienenen Arbeiten Roschers – dem es zugeeignet war – wie mit den Vertretern des bis auf Roscher bei uns die Universitäten beherrschenden Klassizismus, als dessen anerkanntes Haupt damals Knies' Heidelberger Vorgänger, Rau, wirkte. Wir beginnen daher mit einer Darlegung der methodischen Grundanschauungen Roschers, wie sie sich in seinem Buch über »Leben, Werk und Zeitalter des Thukydides« (1842), seinem programmatischen »Grundriß zu Vorlesungen über die Staatswirtschaft, nach geschichtlicher Methode« (1843) und seinen Aufsätzen aus den vierziger Jahren finden, und ziehen auch die ersten Auflagen des ersten Bandes seines erst nach dem Kniesschen Buche erschienenen »Systems der Volkswirtschaft« (1. Aufl. 1854, 2. Aufl. 1857), sowie seine späteren Arbeiten insoweit heran, als sie lediglich die konsequente Ausgestaltung diesjenigen Standpunktes enthalten, mit welchem Knies sich auseinanderzusetzen beabsichtigte2.
Roscher3 unterscheidet zweierlei Arten der wissenschaftlichen Verarbeitung der Wirklichkeit, die er als »philosophische« und »historische« bezeichnet: begriffliche Erfassung im Wege der generalisierenden Abstraktion unter Eliminierung der »Zufälligkeiten« der Wirklichkeit einerseits, und andererseits schildernde Wiedergabe der Wirklichkeit in ihrer vollen Realität. Man fühlt sich sofort an die heute vertretene Scheidung von Gesetzes- und Wirklichkeitswissenschaften erinnert, wie sie am schärfsten in dem methodischen Gegensatz zwischen den exakten Naturwissenschaften auf der einen und der politischen Geschichte auf der anderen Seite zutage tritt4.
Auf der einen Seite Wissenschaften mit dem Bestreben, durch ein System möglichst unbedingt allgemeingültiger Begriffe und Gesetze die extensiv und intensiv unendliche Mannigfaltigkeit zu ordnen. Ihr logisches Ideal – wie es am vollkommensten die reine Mechanik erreicht – zwingt sie, um ihren Begriffen die notwendig erstrebte Bestimmtheit des Inhalts geben zu können, die vorstellungsmäßig uns gegebenen »Dinge« und Vorgänge in stets fortschreitendem Maße der individuellen »Zufälligkeiten« des Anschaulichen zu entkleiden. Der nie ruhende logische Zwang zur systematisierenden Unterordnung der so gewonnenen Allgemeinbegriffe unter andere, noch allgemeinere, in Verbindung mit dem Streben nach Strenge und Eindeutigkeit, drängt sie zur möglichsten Reduktion der qualitativen Differenzierung der Wirklichkeit auf exakt meßbare Quantitäten. Wollen sie endlich über die bloße Klassifikation der Erscheinungen grundsätzlich hinausgehen, so müssen ihre Begriffe potentielle Urteile von genereller Gültigkeit in sich enthalten, und sollen diese absolut streng und von mathematischer Evidenz sein, so müssen sie in Kausalgleichungen darstellbar sein.
Das alles bedeutet aber zunehmende Entfernung von der ausnahmslos und überall nur konkret, individuell und in qualitativer Besonderung gegebenen und vorstellbaren empirischen Wirklichkeit, in letzter Konsequenz bis zur Schaffung von absolut qualitätslos, daher absolut unwirklich, gedachten Trägern rein quantitativ differenzierter Bewegungsvorgänge, deren Gesetze sich in Kausalgleichungen ausdrücken lassen. Ihr spezifisches logisches Mittel ist die Verwendung von Begriffen mit stets größerem Umfang und deshalb stets kleinerem Inhalt, ihr spezifisches logisches Produkt sind Relationsbegriffe von genereller Geltung (Gesetze). Ihr Arbeitsgebiet ist überall da gegeben, wo das für uns Wesentliche (Wissenswerte) der Erscheinungen mit dem, was an ihnen gattungsmäßig ist, zusammenfällt, wo also unser wissenschaftliches Interesse an dem empirisch allein gegebenen Einzelfall erlischt, sobald es gelungen ist, ihn einem Gattungsbegriff als Exemplar unterzuordnen. –
Auf der anderen Seite Wissenschaften, welche sich diejenige Aufgabe stellen, die nach der logischen Natur jener gesetzeswissenschaftlichen Betrachtungsweise durch sie notwendig ungelöst bleiben muß: Erkenntnis der Wirklichkeit in ihrer ausnahmslos und überall vorhandenen qualitativ-charakteristischen Besonderung und Einmaligkeit: das heißt aber – bei der prinzipiellen Unmöglichkeit der erschöpfenden Wiedergabe irgendeines noch so begrenzten Teils der Wirklichkeit in seiner (stets mindestens intensiv) unendlichen Differenziertheit gegen alle übrigen – Erkenntnis derjenigen Bestandteile der Wirklichkeit, die für uns in ihrer individuellen Eigenart und um derenwillen die wesentlichen sind.
Ihr logisches Ideal: das Wesentliche in der analysierten individuellen Erscheinung vom »Zufälligen« (d.h. hier: Bedeutungslosen) zu sondern und anschaulich zum Bewußtsein zu bringen, und das Bedürfnis zur Einordnung des einzelnen in einen universellen Zusammenhang unmittelbar anschaulichverständlicher, konkreter »Ursachen« und »Wirkungen«, zwingt sie zu stets verfeinerter Herausarbeitung von Begriffen, welche der überall individuellen Realität der Wirklichkeit durch Auslese und Zusammenschluß solcher Merkmale, die wir als »charakteristisch« beurteilen, sich fortgesetzt annähern.
Ihr spezifisches5 logisches Mittel ist daher die Bildung von Relationsbegriffen6 mit stets größerem