Aber der fing sich sofort: »Unsinn, wie kommen Sie darauf?«
Da ging Doc Holliday an dem Trader vorbei, blickte in den Raum und riß ein Zündholz an. Als er sich umwandte, hatte sich das Gesicht des Händlers mit bleinerner Blässe überzogen.
Wyatt ging langsam durch den Stallgang zurück. »Ich hätte darauf gewettet, daß das Pferd hier bei Ihnen steht. Albern genug haben Sie sich ja benommen.«
»Kann man wohl sagen«, entgegnete Holliday.
Die beiden verließen den Hof. Als sie wieder auf der Allenstreet waren, meinte der Marshal: »Was sagen Sie jetzt?«
Holliday entgegnete: »Eine schöne Ansammlung von gleichmäßig langen Balken, halblangen Balkenstücken und Strebestützen. Wenn man die Dinger zusammensetzt, hat man ungefähr dreißig oder vierzig Galgen gezimmert.«
Die Entdeckung, die sie da durch einen Zufall gemacht hatten, war ungeheuer: Der Trader Frank Livingstone, der in seinem Geschäft Feldgeräte verkaufte, hortete hinter seinem Stall in einer abgeschlossenen Kammer Galgenhölzer!
»Ob er was gemerkt hat?« fragte der Marshal.
Holliday schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Aber er hat Angst ausgestanden, als ob er selbst zum Galgen geführt worden wäre.«
»Jetzt will ich mir noch Gundrams Sägemühle ansehen. Ed Flanagan ist mit der Schwester des Sägemüllers befreundet. Nicht ausgeschlossen, daß Cornellys Pferd da untergebracht worden ist. Immer vorausgesetzt, daß die Halunken wirklich etwas mit dem Mord zu tun haben.«
»Haben sie bestimmt.« Holliday schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, als er plötzlich von hinten angerufen wurde. Er wirbelte herum, den Revolver in der Rechten.
Drüben an der Ecke der Thirdstreet stand Jonny Behan und rief: »Doc Holliday, bei Livingstone im Hof ist geschossen worden! Ich vermute, daß Sie das waren. Ich will nicht, daß in der Stadt geschossen wird. Also lassen Sie es gefälligst bleiben!«
Der Spieler ließ den Revolver mit einem Handsalto ins Halfter fliegen und ging mit großen elastischen Schritten auf Jonny Behan zu. Einen halben Yard vor ihm blieb er stehen. Er überragte ihn um Haupteslänge.
»Haben Sie etwas gesagt, Behan?«
Der Papier-Sheriff wich zurück und schüttelte den Kopf. Hündische Angst stand in seinen Augen.
»Übrigens, was ich Sie noch fragen wollte, Behan: Die Gefangenen, die Sie nach Phoenix bringen sollten…«
Da wandte sich der Laumann und lief in seinem lächerlich wirkenden senilen Trippelschritt davon.
Doc Holliday blickte ihm kopfschüttelnd nach.
*
Grundrams Sägemühle lag am Ostende der Stadt, da, wo sich die letzten Häuser schon verloren hatten und nur noch ein paar windschiefe Hütten, verfallene Scheunen und leere Corrals standen. Es war ein großes Anwesen mit mehreren Lagerhallen, einem Wohnhaus und einer Werkstatt.
Jesse Grundram war ein Mann von dreißig Jahren. Er hatte blondes Haar, helle Augen und einen Quadratschädel, der halslos auf einem massigen Rumpf saß. Hemdsärmelig, in einer grünen Schürze stand er an der Säge und zeigte einem jungen Arbeiter, wie man einen Balken zurechtschnitt.
Da gewahrte er die beiden Männer im Hof, ließ den Burschen selbst an die Säge und kam in den Hof.
»Suchen Sie mich, Marshal?« rief er dem Missourier entgegen.
Wyatt schüttelte den Kopf. »Nein, Mr. Grundram. Ich suche ein Pferd.«
»Ein Pferd?«
»Ja, und zwar das Pferd von Jeff Cornelly.«
»Aber doch nicht bei mir?«
»Ist Ed Flanagan bei Ihnen?«
Der Sägemüller schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
Wyatt wollte sich abwenden, als Doc Holliday ihn mit einem Blick zurückhielt.
Wyatt folgte diesem Blick unauffällig und gewahrte drüben in dem um einen Spalt geöffneten Tor der Lagerhalle einen Revolverlauf.
Langsam setzte der Marshal sich in Bewegung, so daß er jetzt in der Deckung eines Holzstapels stand.
Doc Holliday stand hinter dem Sägemüller, war also durch dessen Körper gedeckt.
Als der Marshal sich umwandte, hatte er seinen großen Buntline-Revolver in der Hand.
Gundram starrte entgeistert auf die Waffe. »Was soll denn das bedeuten?« stotterte er.
»Das habe ich mich auch gefragt, als ich den Mann mit dem Colt drüben im Torspalt Ihres Lagerhauses stehen sah.«
Grundram schluckte vor Schreck. Dann trat er auf den Marshal zu und hob beschwörend die Hände. »Wyatt, ich flehe Sie an, ich habe nichts damit zu tun. Ich will den Kerl nicht in meinem Haus haben, aber immer wieder kommt er, obgleich auch meine Schwester nichts mehr mit ihm zu tun haben will.«
»Ed Flanagan also?« meinte der Georgier. »Warten Sie, Marshal, den kaufe ich mir.«
Er ging hinüber in die Werkstatt, verließ sie durch ein Fenster und lief um das Anwesen herum, bis er die Rückseite des großen Lagerschuppens erreicht hatte. Hier fand er in Kopfhöhe eine Fensterluke, die offenstand. Er warf einen vorsichtigen Blick hinein und entdeckte den Mann drüben am Torspalt.
Es war wirklich Edward Flanagan!
Holliday brachte den Revolver durch die Luke und spannte den Hahn.
Das harte, metallische Geräusch ließ den Outlaw zusammenfahren.
»Laß das Eisen fallen, Ed. So, richtig. Und jetzt nimmst du die Hände hoch! Höher, noch höher! Und dann ganz langsam umdrehen! So ist’s richtig.«
Als der Bandit sich umgewandt hatte, wurde das Tor von draußen geöffnet und der Marshal erschien hinter Flanagan. Er packte ihn am Arm und zog ihn in den Hof hinaus.
Der Outlaw war ein Bursche von vielleicht dreiundzwanzig Jahren, mittelgroß, von kräftiger Statur, mit hellen Augen und aschblondem Haar. Er trug sich wie ein Cowboy, hatte einen schweren patronengespickten Waffengurt um die Hüften, in dem jetzt allerdings nur noch ein Bowiemesser steckte.
Wyatt nahm ihm diese Waffe weg und fixierte ihn scharf.
Die anfängliche Angst, die den Banditen erfaßt hatte, als er von Doc Holliday überrascht wurde, war von ihm gewichen. Es war Trotz, der jetzt in seinen Augen stand.
Der Marshal stand mit über der Brust verschränkten Armen vor ihm und fragte mit rauher Stimme: »Wo ist das Pferd?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!«
»Ich will wissen, wo das Pferd ist.«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich nicht weiß, wovon die Rede ist!«
»Cornellys Pferd, ihr habt es weggeschafft.«
»Ich hatte nichts mit Cornelly zu tun! Was geht mich sein Pferd an!«
»So wirst du nichts bei mir, Flanagan. Ich bin schon bei deinem Vater gewesen, habe mit deiner Schwester gesprochen und auch mit Rozy Ginger.«
Der Bluff verfing bei dem Banditen aber nicht.
In Flanagans Augen stand nicht einmal Argwohn, geschweige denn Angst. Nur Trotz brannte in ihnen.
»Sie können machen, was Sie wollen, Marshal, ich habe nichts mit Cornelly und schon gar nichts mit seinem Pferd zu tun.«
»Warum haben Sie dann mit dem Revolver im Tor gestanden?«
»Weil ich dachte, daß jemand den Sägemüller überfallen wollte. Er wird schließlich mein