»Was heißt, wir alle?«
»Nun, wir, die Freunde Phins.«
»Bei dem Mayor sind graue Tücher eingeschmuggelt worden, Gesichtstücher von den Galgenmännern. Die Leute, die die Tücher hingebracht haben, müssen also Galgenmänner sein.«
»Nichts da«, lachte Miller. »Sie irren sich, ich habe mit den Galgenmännern nichts zu tun. Und doch habe ich die Tücher selbst da hingebracht, weil Phin es so wollte. Das Ganze ist im Grunde eine völlige Idiotie.«
»Und was ist mit dem Kind von Benson?«
»Keine Ahnung.«
»Und wer hat Cox erschossen?«
»Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, daß wir nichts damit zu tun haben.«
»Phin auch nicht?«
»Ganz sicher nicht. Den trieb nur der Haß auf den Mayor nach Nogales. Er hatte es schon lange vor, zu einem Schlag gegen ihn auszuholen. Deshalb trommelte er alle seine früheren Freunde zusammen.«
»Auch Shibell?« erkundigte sich der Marshal.
»Phin hat ihm eine Nachricht geschickt. Er gehört ja auch zu seinen Freunden. Es war nicht notwendig, daß er herkam. Aber er kam – er, Darridge und…«
»Und wer noch?«
»Und die anderen eben. Nicht so wichtig. Phin hat seine Wut, die er auf den Mayor hatte, gekühlt. Und nachdem Sie nun gekommen sind, bin ich davon überzeugt, daß Phins Genugtuung nicht von Dauer sein wird. Immerhin ist der Mayor ja noch hier im Jail, und Sie werden ihn da ja wohl herausholen und dafür diesen trinkfesten Richter einlochen!«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
»Und mich werden Sie auch hineinstecken!«
»Richtig, Mister Miller. Luke, nehmen Sie sich seiner und des Richters bitte an.«
Protestlos ließen sich die beiden sonderbaren Gauner abführen.
Sollte das bereits des Rätsels Lösung sein?
Die Freunde blickten einander betroffen an.
Da erklärte Curle Shibell: »Niemals stimmt das! Der Kerl hat gelogen. Wer hat denn Cox erschossen? Und wo sind die beiden Mädchen?«
»Alles der Reihe nach«, meinte der Georgier. »Jetzt haben wir es zunächst mit Phin zu tun.«
Da nahm Shibell seinen Hut vom Kopf und schleuderte ihn auf den Wandhaken.
»Marshal, ich werde Ihnen jetzt alles sagen. Es hat doch keinen Sinn mehr, zu schweigen. Ich bin von Tucson auf die Ranch meines Bruders geritten, weil ich erfahren habe, mit welchen Leuten Oswald zu tun hat. Ich wollte ihn warnen, nicht zuletzt deshalb, weil Sie in der Gegend sind. Und weil ich fest davon überzeugt war, daß Sie auch ihn aufspüren würden. Ich habe den Zettel gefunden, der auf dem Tisch lag. Ich wußte aber nicht um die Zusammenhänge. Aber, daß er etwas mit dem Mord an Cox oder mit der Entführung der beiden Mädchen zu tun haben könnte, das glaube ich nicht.«
»Das wird sich noch herausstellen.«
Wyatt nahm den Revolver, den er dem Sheriff auf der Ranch abgenommen hatte und warf ihn ihm zu.
»So, Mister Shibell, setzen Sie sich da auf den Stuhl. Mir scheint, die Stadt braucht im Augenblick einen wachsamen Gesetzesmann. Sie können eine ganze Menge wiedergutmachen, wenn Sie mir jetzt helfen.«
Der Sheriff nickte. »All right. Ich habe übrigens das Gefühl, daß sich Cornelly davongemacht hat.«
»Das Gefühl habe ich auch«, entgegnete der Marshal.
Luke Short kam aus dem Gefängnistrakt zurück und warf den Schlüsselbund auf den Haken.
»Möchte nur wissen, wohin die Tür führt, die ich am Ende des Zellenganges entdeckt habe.«
»Eine Tür?« Wyatt nahm sofort die Lampe und den Schlüsselbund und ging dann von Doc Holliday gefolgt in den Anbau, der als Jail diente.
Am Ende des Ganges war tatsächlich eine Tür. Sie war fest verschlossen. Wyatt versuchte einen Schlüssel nach dem anderen, aber sie ließ sich einfach nicht öffnen.
Da trat hinter ihm ein Mann an eine der Gittertüren.
»Ich weiß nicht, wer Sie sind, Mister. Mein Name ist Angerer… Ich…«
Wyatt wandte sich um. »Doc, bitte, holen Sie den Mayor heraus.«
Tom Angerer trat in den Zellengang und ging auf Wyatt Earp zu.
»Ich vermute, Sie sind Marshal Earp, nicht wahr? Ich habe vorhin schon so etwas gehört. Weiß der Teufel, wer mich hier in die Tinte geritten hat!«
»Phin Clanton«, entgegnete der Marshal. »Sie sollten es eigentlich wissen, Mayor. – Wissen Sie, wohin diese Tür hier führt?«
»Nicht genau. Es sind noch zwei Kammern dahinter, die später angebaut wurden.«
»Wo ist der Schlüssel für diese Tür?«
»Das weiß ich nicht.«
Wyatt lief ins Office zurück.
Shibell kam ihm schon entgegen.
»Hier habe ich noch einen Schlüssel gefunden! Vielleicht brauchen Sie den.«
Wyatt hatte kaum einen Blick darauf geworfen, als er auch schon nickte.
»Das ist der richtige.«
Die beiden Dodger verließen das Office wieder, durchquerten den Zellengang und öffneten die Tür.
Vor ihnen lag ein leerer, düsterer Raum, an dessen Ende wieder eine Tür zu sehen war.
Auch sie war verschlossen.
»Da drinnen atmet jemand!« raunte Wyatt dem Spieler zu. Der klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Türfüllung, erhielt aber keine Antwort. Da nahm er ein paar Schritte Anlauf, rannte gegen die Tür, warf sich mit der Schulter dagegen, und das Holz barst krachend auseinander.
Holliday hielt die Lampe in die Öffnung. Und dann bot sich den beiden Männern ein Bild, das sie verstummen ließ. Auf einem Strohlager lag ein kleines Mädchen an Händen und Füßen gefesselt und außerdem mit den Fesselschnüren an einem Wandring gesichert.
Wenige Schritte links des Kindes lag eine Frau, oder war es ein Mädchen, auf die gleiche brutale Art gefesselt.
Wyatt brach das Loch in der Tür sofort weiter auf, so daß er hindurchsteigen konnte, schnitt erst das Kind, dann die andere Gefangene los. Die beiden waren nicht nur gefesselt, sondern auch geknebelt.
Das Mädchen weinte. Der Marshal streichelte über seinen Kopf und tröstete es.
Doc Holliday nahm das Kind in Empfang und brachte es sofort zu seinen Eltern.
Das andere Mädchen war Judy Morrison. Sie sah den Marshal ganz ängstlich an.
»Mein Name ist Earp. Ich bin zufällig in die Stadt gekommen und habe von Ihrem Verschwinden gehört, Miß Morrison.«
»Earp?« fragte sie. »Wyatt Earp?«
»Ja.«
Da reichte Judy dem Marshal die Hand. Tränen standen in ihren Augen.
»Wer hat Sie hierher gebracht, Miß Morrison?«
»Ich weiß es nicht! Ich weiß nur, daß der Sheriff damit zu tun hat. Ich glaube, sie wollten wissen, wo mein Bruder ist. Er hat früher zu ihnen gehört.«
»Zu wem?«
»Zu Männern, mit denen er immer weggeritten ist. Ich glaube, es waren meistens Leute aus der Tombstoner Gegend.«
»So,