In den Augen des Richters lag keine Freude, als er sagte:
»Aber bitte, kommen Sie doch herein. Es freut mich sehr, Sie einmal wiederzusehen.«
Wyatt blieb im Flur stehen und berichtete, was geschehen war.
Ferguson nickte:
»Ja, ich weiß, daß sich hier in der Stadt allerlei tut, aber es ist sehr schwer, dem Treiben dieser Männer auf die Spur zu kommen. Daß es sich jedoch um Galgenmänner handeln soll, ist mir wirklich neu. Aber da Sie es sagen, wird es ja stimmen.«
Wyatt spürte sofort, daß er in diesem Mann keine Hilfe finden würde. Deshalb erklärte er mit betonter Entschiedenheit:
»Es muß mit äußerster Schärfe gegen diese Bande vorgegangen werden, Richter! Hilton ist ein zweifacher Mörder. Er hat den Taylor Morton erschossen und ist auch am Mord an dem Rancher Joe Parker beteiligt gewesen.«
Der Richter nickte. »Selbstverständlich werde ich mich der Sache mit aller Gründlichkeit schon morgen früh widmen.«
»Ja, darum bin ich gekommen. Guten Abend, Richter.«
Die beiden Männer reichten einander nicht die Hände. Wyatt Earp verabschiedete sich und verließ das Haus.
*
Doc Holliday hatte in seinem Zimmer gelegen und gegen die weißgetünchte Decke gestarrt. Der Schmerz in seinem Kopf war schwächer geworden, aber auf seinem Rücken brannte die Wunde so sehr, daß er kaum noch liegen konnte.
Er setzte sich auf den Bettrand und stierte vor sich hin.
Mit müden Bewegungen zündete er sich eine Zigarette an, stieß sie aber bald wieder im Ascher aus. Dann erhob er sich und suchte in seinen Sachen nach der Whiskyflasche. Sie war nicht da.
Wyatt Earp hatte sie wahrscheinlich wieder in die Satteltasche zurückgetan.
Holliday zog seine Jacke an und ging zur Tür, öffnete sie und trat auf den Gang hinaus. Er hatte die Absicht, hinunterzugehen, um einen Brandy zu trinken.
Als er das Ende des Korridors erreicht hatte, hörte er die leisen Stimmen zweier Frauen, die aus einem Zimmer, dessen Tür nur halb geschlossen war, in den Korridor drangen.
»… weiß ich doch genau. Chris ist dabei und Jefferson Tucker. Halbot führt sie an. Ja, es ist eine große Bank, und sie hoffen auf mehrere Tausend…«
Da war die krächzende Stimme der anderen Frau zu hören.
»Mehrere Tausend! Das wäre nicht schlecht. Jim hat mir schon immer ein Brokatkleid versprochen. Es wird Zeit, daß ich es endlich bekomme. Hoffentlich geht alles klar.«
»Ganz sicher. Da drüben finden sie nicht viel Widerstand. Es ist ein altes Bankhaus und soviel ich gehört habe, wohnen nur drei Leute dort. Der alte Gennan selbst ist doch in den Sechzigern und wird kaum nennenswerten Widerstand leisten können. Außerdem, wenn Halbot die Männer führt, wird es immer ein Erfolg.«
»Ich habe das Leben in diesem Nest wirklich satt. Wenn wir diesmal genug Geld zusammenhaben, dann wollen wir weg hier.«
»Weg?« meinte die andere und lachte bitter auf. »Da kennst du den Boß nicht.«
Holliday war hellhörig geworden.
»Den Boß, kennst du ihn denn?«
»Nein, natürlich nicht. Aber er läßt doch die Männer nicht weg. Weder deinen Jim noch meinen Ferry…«
Es war noch eine Weile still. Und Holliday befürchtete schon, daß er seinen Posten verlassen mußte, ohne erfahren zu haben, wann der Überfall auf die Bank, deren Lage er auch noch nicht ganz kannte, stattfinden sollte.
Da meinte die ältere der beiden Frauen: »Es wird morgen mittag, bis sie zurück sind.« Schritte näherten sich der Zimmertür.
Es wurde höchste Zeit für Holliday, seinen Posten zu verlassen. Auf Zehenspitzen machte er sich davon und ging die Treppe hinunter in die Hotelhalle.
Der Mann an der Rezeption starrte ihm fassungslos entgegen. Hatte er doch erlebt, wie der Georgier vor kaum anderthalb Stunden noch von dem Marshal hinaufgeschleppt werden mußte.
»Doc«, kam es entgeistert über seine Lippen. »Können Sie denn schon wieder aufstehen?«
»Können«, entgegnete der Spieler, »ich weiß es nicht. Ich möchte einen Brandy.«
»Selbstverständlich«, beeilte der Mann zu versichern und gab der jungen Frau drüben an der Theke einen Wink.
Doc Holliday nahm seinen Brandy, warf ein Geldstück auf das Blech und ging zur Treppe zurück.
Wir haben keine Zeit zu verlieren, überlegte er. Wenn die Banditen morgen mittag schon in die Stadt zurückkommen wollen, dann wird der Überfall noch heute nacht durchgeführt. Jedenfalls ist es so geplant. Wo aber ist die Bank zu finden?
Denn, daß sie nicht hier in Bisbee sein konnte, war klar und ging aus dem Gespräch der beiden Frauen deutlich hervor.
Holliday ging wieder hinauf in sein Zimmer. Er stand am Fenster und blickte auf die Straße.
Draußen schien alles still zu sein.
Da sah er plötzlich den Mann aus der Quergasse kommen. Es war Hilton.
Holliday nahm seinen Revolver aus dem Halfter und wartete ab.
Da sah er Wyatt Earp auf die Straße kommen und beobachtete den kurzen Kampf dort.
Eine halbe Stunde später hörte er den Marshal heraufkommen. Er blieb vor seiner Zimmertür stehen.
Als er sie einen Spalt öffnete, rief ihm Holliday halblaut aus dem Dunkel entgegen: »Kommen Sie herein, Wyatt.«
Der Marshal trat an das Lager heran:
»Sie haben sich wieder angezogen, Doc?«
»Ja, ich habe einen Brandy getrunken unten.«
»Aber, Sie sollten doch liegen…«
Und jetzt berichtete der Spieler, was er erlauscht hatte.
Wyatt Earp sog die Luft geräuschvoll durch die Nase ein. Da hatten sie also einen weiteren Schlag vor.
»Allzuweit kann der Ort, an dem der Überfall geschehen soll, nicht von Bisbee entfernt sein«, gab der Spieler zu bedenken, »denn schließlich wollen die Banditen schon morgen mittag wieder zurück sein.«
Wyatt zog die Schultern hoch. »Das ist nicht gesagt. Wenn sie einen Eilritt vorhaben, dann kann der Überfall auch jenseits der Grenze stattfinden.«
»Das glaube ich nicht. Ich vermute vielmehr, daß der Überfall ganz in der Nähe stattfinden soll und die Gangster vorhaben, anschließend irgendwoanders hinzureiten, entweder um ihren Gewinn zu teilen, oder um an einer Besprechung teilzunehmen.«
»Das ist möglich. Aber, wie wollen wir das feststellen?«
»Zunächst einmal werde ich jetzt versuchen, herauszubekommen, wo die Bank dieses Gennan sich befindet. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß das hier in der Stadt bekannt ist.«
Wyatt verließ das Hotel wieder und ging in den »Rostigen Hufnagel« zurück, wo Jimmy Hilton den Anzugsschneider niedergeschossen hatte, und stellte sich an die Theke zu den Männern.
Neben ihm lehnte ein alter Graukopf, der schon ziemlich angetrunken sein mußte.
Wyatt hatte sich die anderen Männer angesehen und kam zu der Überzeugung, daß er hier besser keine Nachforschungen anstellte.
Er hatte sich einen Firepoint geben lassen, nippte einmal daran, warf dann ein Geldstück auf die Theke und wollte wieder gehen.
Da stieß der Alte ihn an: »Warten Sie, Marshal, ich gehe mit Ihnen. In diesen Zeiten geht man immer besser mit einem starken Mann. Man weiß ja nie, was einem passiert. Der arme Kerl, der vorhin seinen letzten Japser