H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962813628
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sie konn­te mir nicht wer­den. Po­li­tik, barm­her­zi­ge Wer­ke, Sport – sie flö­ßen mir kein In­ter­es­se ein. Und dazu war ich ein ver­mumm­tes Ge­heim­nis, die Ka­ri­ka­tur ei­nes Men­schen ge­wor­den.«

      Er schwieg und schi­en einen Blick durchs Fens­ter zu wer­fen.

      »Aber wie ka­men Sie nach Iping?«, frag­te Kemp, ängst­lich be­müht, ein leb­haf­tes Ge­spräch in Gang zu hal­ten.

      »Dort be­gann ich zu ar­bei­ten. Ich hat­te noch eine Hoff­nung, eine un­kla­re Idee. Ich habe sie noch. Jetzt ist sie zur vol­len Ge­wiss­heit ge­wor­den. Ich will zu­rück! Wie­der den al­ten Zu­stand her­stel­len, wann es mir be­liebt. Wenn ich al­les ge­tan ha­ben wer­de, was ich un­sicht­bar tun will. Und dar­über möch­te ich haupt­säch­lich mit Ih­nen spre­chen – –«

      »Sie gin­gen di­rekt nach Iping?«

      »Ja. Ich hat­te nichts zu tun, als mein Ge­päck und eine An­zahl von Che­mi­ka­li­en kom­men zu las­sen, um mei­ne Idee aus­zu­füh­ren – ich wer­de Ih­nen die Be­rech­nun­gen zei­gen, so­bald ich mei­ne Bü­cher be­kom­me – und dann ging ich an die Ar­beit. Him­mel! Ich er­in­ne­re mich noch heu­te an den Schnee­sturm, der da­mals wü­te­te und wel­che Mühe ich hat­te, mei­ne falsche Nase vor der Feuch­tig­keit zu schüt­zen –.«

      »Zu­letzt ha­ben Sie vor­ges­tern«, sag­te Kemp, »als man Ihr Ge­heim­nis ent­deck­te – wie die Zei­tun­gen sa­gen –«

      »Es ist rich­tig. Habe ich die­sen Nar­ren von ei­nem Gen­darmen er­schla­gen?«

      »Nein«, ant­wor­te­te Kemp. »Man hofft, dass er auf­kom­men wird.«

      »Das ist gut für ihn. Ich hat­te die Ge­duld ver­lo­ren. Die Nar­ren! Wa­rum lie­ßen sie mich nicht in Ruhe? Und der Spe­ze­rei­wa­ren­händ­ler?«

      »Nie­mand ist töd­lich ver­wun­det«, ant­wor­te­te Kemp.

      »Nur von mei­nem Land­strei­cher weiß ich nichts«, sag­te der Un­sicht­ba­re mit ei­nem un­an­ge­neh­men La­chen.

      »Beim Him­mel, Kemp, ein Mann Ihres Schla­ges weiß nicht, was Wut ist. Jah­re­lang ge­ar­bei­tet und ge­schuf­tet zu ha­ben, da­mit ir­gend­ein Idi­ot ei­nem alle Plä­ne durch­kreuzt! – Je­der be­lie­bi­ge Dumm­kopf auf Got­tes Erd­bo­den war förm­lich dar­auf ver­ses­sen, mei­ne Ab­sich­ten zu­nich­te zu ma­chen … Wenn mir das noch oft pas­siert, wer­de ich wild – dann mö­gen sie sich hü­ten!

      Wie die Sa­chen jetzt ste­hen, ha­ben sie mir al­les tau­send­mal schwe­rer ge­macht.«

      24. Kapitel – Der Plan misslingt

      Was soll also«, frag­te Kemp mit ei­nem Sei­ten­blick durch das Fens­ter, »jetzt ge­sche­hen?«

      Er trat nä­her an sei­nen Gast her­an, um zu ver­hin­dern, dass die­ser zu­fäl­lig die drei Män­ner er­bli­cke, die – un­er­träg­lich lang­sam schi­en es Kemp – den Hü­gel her­auf­ka­men.

      »Wel­che Ab­sicht lei­te­te Sie, als Sie nach Port Bur­dock gin­gen? Hat­ten Sie über­haupt einen Plan?«

      »Ich woll­te das Land ver­las­sen. Aber seit­dem ich Sie traf, habe ich mei­ne Ab­sicht ge­än­dert. Ich dach­te, es wäre klug, jetzt, wo das Wet­ter heiß und Un­sicht­bar­keit mög­lich ist, nach dem Sü­den zu rei­sen. Be­son­ders da mein Ge­heim­nis be­kannt ge­wor­den war, und je­der nach ei­nem mas­kier­ten, ver­mumm­ten Men­schen Aus­schau hal­ten wür­de. Von hier nach Frank­reich ge­hen ver­schie­de­ne Damp­fer. Mein Plan war, an Bord ei­nes der­sel­ben zu ge­lan­gen und die Ge­fahr der Ent­de­ckung wäh­rend der Über­fahrt zu ris­kie­ren. Von dort konn­te ich mit der Bahn nach Spa­ni­en und von da nach Al­gier ge­lan­gen. Das konn­te kei­ne Schwie­rig­keit bie­ten. Dort kann man im­mer un­sicht­bar sein und doch le­ben. Und han­deln. Ich ge­brauch­te den Land­strei­cher als Geld­kas­se und Ge­päck­trä­ger, bis ich mich ent­schie­den ha­ben wür­de, auf wel­che Wei­se ich wie­der in den Be­sitz mei­ner Bü­cher und Hab­se­lig­kei­ten ge­lan­gen könn­te.«

      »Das ist klar.«

      »Und der Elen­de muss­te mich be­rau­ben! Er hat mei­ne Bü­cher ver­steckt, Kemp. Mei­ne Bü­cher ver­steckt! Wenn ich ihn er­wi­sche! …«

      »Erst soll­te man ver­su­chen, von ihm die Bü­cher her­aus­zu­lo­cken.«

      »Aber wo ist er? Wis­sen Sie es?«

      »Er ist im Stadt­ge­fäng­nis und auf sei­ne ei­ge­ne Bit­te in die fes­tes­te Zel­le ein­ge­schlos­sen wor­den.«

      »Der Hund!«, rief der Un­sicht­ba­re aus.

      »Aber das ver­zö­gert Ihre Plä­ne.«

      »Wir müs­sen die Bü­cher wie­der­be­kom­men. – Das ist eine Le­bens­fra­ge für mich.«

      »Ge­wiss«, sag­te Kemp, ein we­nig ner­vös und an­ge­strengt hor­chend, ob er nicht Schrit­te drau­ßen ver­neh­me. »Ge­wiss müs­sen wir die Bü­cher ha­ben. Aber das wird nicht schwer sein, wenn er nicht weiß, dass sie für Sie be­stimmt sind.«

      »Nein«, sag­te der Un­sicht­ba­re und ver­sank in tie­fe Ge­dan­ken.

      Kemp ver­such­te einen neu­en Stoff zu fin­den, um das Ge­spräch auf­recht­zu­er­hal­ten, aber der Un­sicht­ba­re fuhr aus ei­ge­nem An­trieb fort.

      »Dass ich in Ihr Haus ge­ra­ten bin, Kemp«, sag­te er, »än­dert alle mei­ne Plä­ne. Sie sind ein Mensch, der Ver­stand be­sitzt. Trotz al­lem, was ge­sche­hen ist, trotz des Be­kannt­wer­dens mei­ner Exis­tenz, trotz des Ver­lus­tes mei­ner Bü­cher, trotz mei­ner Lei­den, blei­ben noch reich­lich Mit­tel und Wege – – Sie ha­ben nie­mand ge­sagt, dass ich hier bin?«, frag­te er un­ver­mit­telt.

      Kemp zö­ger­te. »Das war doch aus­ge­macht«, sag­te er.

      »Nie­mand?«, frag­te Grif­fin drin­gen­der.

      »Kei­ner See­le.«

      »Ah! Dann – – –« Der Un­sicht­ba­re er­hob sich, stemm­te die Arme in die Sei­te und be­gann im Zim­mer auf und ab zu ge­hen.

      »Als ich ver­such­te, die Sa­che al­lein durch­zu­füh­ren, war ich von ei­nem Irr­tum be­fan­gen, Kemp, ei­nem un­ge­heu­ren Irr­tum. Ich habe Zeit und Kraft ver­schwen­det und die güns­tigs­ten Ge­le­gen­hei­ten ver­säumt, weil ich al­lein war. Es ist selt­sam, wie we­nig ein Mensch al­lein tun kann! Ein we­nig rau­ben, ein we­nig ver­wun­den, und das ist auch al­les.

      Was ich brau­che, Kemp, ist ein Hel­fer und ein Ver­steck; die Si­cher­heit, dass ich in Frie­den und un­ver­däch­tig schla­fen, es­sen und rau­chen kann. Ich muss einen Ver­bün­de­ten ha­ben. Mit ei­nem Ver­bün­de­ten, mit Nah­rung und Ruhe wer­den tau­send Din­ge mög­lich.

      Bis hier­her bin ich ins Un­ge­wis­se vor­ge­gan­gen. Wir müs­sen in Be­tracht zie­hen, was Un­sicht­bar­keit be­deu­tet, und was sie nicht be­deu­tet. Sie ist von Nut­zen, um un­ge­se­hen al­les hö­ren zu kön­nen, wenn man vor­sich­tig je­des Geräusch ver­mei­det. Sie hilft ein we­nig – bei Raub, Ein­bruch und der­glei­chen. – Hat man mich je­doch ein­mal, so kann man mich leicht ge­fan­gen hal­ten. Aber an­de­rer­seits bin ich schwer zu fan­gen. Tat­säch­lich ist die Un­sicht­bar­keit nur in zwei Fäl­len wert­voll: um zu ent­kom­men und um sich zu nä­hern. Da­her ist sie ganz