H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962813628
Скачать книгу
sol­len wir nach Lea­ther­head kom­men?«, frag­te sie.

      Am Fuße des Hü­gels sah ich einen Trupp Husa­ren un­ter der Ei­sen­bahn­brücke hin­rei­ten; sie spreng­ten durch die of­fe­nen Tore der ori­en­ta­li­schen Schu­le. Zwei stie­gen vom Pferd und be­gan­nen von Haus zu Haus zu lau­fen.

      Die Son­ne leuch­te­te durch den Rauch, der von den Wip­feln der Bäu­me auf­stieg. Sie schi­en blu­tig rot und warf auf al­les einen un­ge­wohn­ten düs­te­ren Schein.

      »Ich be­kom­me ein Pfund«, sag­te der Wirt, »und au­ßer­dem habe ich nie­man­den zum Kut­schie­ren.«

      »Ich gebe Ih­nen zwei Pfund«, sag­te ich über die Schul­ter des Frem­den hin­weg.

      »Wo­für?«

      »Und ich brin­ge Ih­nen den Wa­gen um Mit­ter­nacht zu­rück«, sag­te ich.

      »Herr­gott!«,rief der Wirt, »wozu denn die Eile? Da bleibt ei­nem ja der Ver­stand ste­hen. Zwei Pfund, und Sie wol­len ihn zu­rück­brin­gen? Was denn noch al­les?«

      Ich setz­te ihm has­tig aus­ein­an­der, dass ich mein Haus ver­las­sen müs­se, und so si­cher­te ich mir das Ge­fährt. Es er­schi­en mir da­mals längst nicht so drin­gend, dass auch der Wirt sein Haus ver­las­sen müs­se. Ich trug Sor­ge, den Wa­gen auf der Stel­le zu be­kom­men, fuhr mit ihm ab, die Stra­ße hin­un­ter und ließ ihn un­ter der Ob­hut mei­ner Frau und mei­nes Dienst­mäd­chens. Dann stürz­te ich ins Haus zu­rück, raff­te ei­ni­ge Din­ge von Wert zu­sam­men, das Sil­ber­zeug, das wir be­sa­ßen und der­glei­chen. Die Bu­chen un­ter­halb des Hau­ses brann­ten lich­ter­loh, wäh­rend ich so be­schäf­tigt war, und das Git­ter ge­gen die Stra­ße zu war rot glü­hend. Wäh­rend ich noch mei­ne Sa­chen pack­te, kam ei­ner der Husa­ren her­auf­ge­lau­fen. Er eil­te von Haus zu Haus, um die Leu­te zur Flucht zu mah­nen. Er lief schon wie­der fort, als ich aus der Hau­stü­re trat, mei­ne Schät­ze, die ich in ein Tisch­tuch ge­bun­den hat­te, mit mir schlep­pend. Ich schrie ihm nach: »Was gib­t’s Neu­es?«

      Er wand­te sich um, starr­te mich an und brüll­te et­was von »ei­nem Heraus­krie­chen aus ei­nem Ding, das wie ein Schüs­sel­sturz aus­sieht«. Da­mit lief er wei­ter durch das Tor des Hau­ses auf der Spit­ze des Kam­mes. Ein jä­her Wir­bel schwar­zen Rau­ches, der die Stra­ße ent­lang zog, ver­barg ihn einen Au­gen­blick. Ich lief zur Tür mei­nes Nach­bars, klopf­te an und über­zeug­te mich von dem, was ich be­reits wuss­te: er war mit sei­ner Frau nach Lon­don ge­fah­ren und hat­te sein Haus ver­schlos­sen. Ich eil­te mei­nem Ver­spre­chen ge­treu ins Haus zu­rück, hol­te den Kof­fer mei­nes Dienst­mäd­chens, schleif­te ihn her­aus, und be­fes­tig­te ihn ne­ben ihr auf dem Rück­teil des Wa­gens. Dann er­griff ich die Zü­gel und schwang mich auf den Kutsch­bock ne­ben mei­ne Frau. Im nächs­ten Au­gen­blick wa­ren wir au­ßer­halb des Be­rei­ches von Rauch und Lärm und jag­ten den Ab­hang ge­gen­über dem May­bu­ry-Hü­gel hin­ab ge­gen Alt-Wo­king zu.

      Vor uns lag eine stil­le, son­ni­ge Land­schaft, Wei­zen­fel­der, die von je­der Sei­te der Stra­ße auf­stie­gen und das Wirts­haus von May­bu­ry mit sei­nem hin- und her­schwan­ken­den Schild. Vor uns sah ich das Ge­fährt des Dok­tors. Am Fuße des Hü­gels wand­te ich mich um, um die Hü­gel­sei­te, die wir jetzt ver­lie­ßen, noch ein­mal zu se­hen. Dich­te Säu­len schwar­zen Rau­ches, durch­zuckt von Fä­den ro­ten Feu­ers fuh­ren in die stil­le Luft hin­auf und war­fen dunkle Schat­ten auf die grü­nen Baum­wip­fel im Os­ten. Der Rauch brei­te­te sich schon in wei­ter Fer­ne nach zwei Rich­tun­gen aus, ge­gen das Fich­ten­ge­hölz von Byfleet im Os­ten und ge­gen Wo­king im Wes­ten. Die Stra­ße war be­sät mit Leu­ten, die uns ent­ge­gen­lie­fen. Und jetzt hör­te man sehr lei­se, aber sehr deut­lich durch die hei­ße stil­le Luft das Schwir­ren ei­nes Ma­schi­nen­ge­schüt­zes, das aber rasch wie­der ver­stumm­te, zwi­schen­durch das Knat­tern von Ge­weh­ren. Die Mars­leu­te steck­ten of­fen­bar al­les, was sich in­ner­halb des Be­rei­ches ih­res Hit­ze­strahls be­fand, in Brand.

      Ich bin kein er­fah­re­ner Kut­scher und muss­te so­fort mei­ne Auf­merk­sam­keit auf das Pferd len­ken. Als ich mich wie­der um­blick­te, hat­te der zwei­te Hü­gel den schwar­zen Rauch ver­bor­gen. Ich hieb mit der Peit­sche auf das Pferd und hielt die Zü­gel lose, bis Wo­king und Send zwi­schen uns und je­nem ra­sen­den Tu­mult la­gen. Den Dok­tor über­hol­te ich zwi­schen Wo­king und Send.

      1 Klei­ner zwei­rä­de­ri­ger Kut­schen­wa­gen <<<

      X. Im Sturm

      Lea­ther­head ist etwa zwölf Mei­len vom May­bu­ry-Hü­gel ent­fernt. Ein Duft von fri­schem Heu war in der Luft, als wir zu den üp­pi­gen Wie­sen jen­seits von Py­r­ford ka­men, und den He­cken auf je­der Sei­te des We­ges gab eine Men­ge wil­der Ro­sen einen lieb­li­chen far­benglän­zen­den Schmuck. Das hef­ti­ge Schie­ßen, das be­gann, als wir den May­bu­ry-Hü­gel hin­ab­fuh­ren, hör­te eben­so un­ver­mu­tet auf, als es ein­ge­setzt hat­te. Der Abend war wie­der fried­lich und still. Wir ka­men ohne je­den Un­fall, um neun Uhr un­ge­fähr, nach Lea­ther­head. Das Pferd ras­te­te eine Stun­de, wäh­rend ich mit mei­nen Ver­wand­ten das Abend­brot nahm und mei­ne Frau ih­rer Ob­hut emp­fahl.

      Mei­ne Frau war wäh­rend der Fahrt auf­fal­lend schweig­sam ge­we­sen, und schi­en auch jetzt durch böse Vorah­nun­gen be­drückt zu sein. Ich ver­such­te sie in je­der Wei­se auf­zu­hei­tern, be­wies ihr, dass die Mars­leu­te durch ihr Schwer­ge­wicht an die Gru­be fest­ge­bun­den sei­en, dass sie im güns­tigs­ten Fall nur ein we­nig aus ihr her­aus­krie­chen könn­ten. Aber sie gab mir nur ein­sil­bi­ge Ant­wor­ten, hät­te sie nicht das Ver­spre­chen, das ich dem Wirt ge­ge­ben hat­te, ab­ge­hal­ten, so hät­te sie wohl in mich ge­drun­gen, jene Nacht in Lea­ther­head zu blei­ben. Woll­te Gott, dass ich es ge­tan hät­te! Ich er­in­ne­re mich noch, wie weiß ihr Ge­sicht war; als wir Ab­schied nah­men.

      Was mich be­traf, so war ich den gan­zen Tag fie­ber­haft er­regt, ge­we­sen. Eine Wal­lung, sehr nahe dem Kriegs­fie­ber ver­wandt, das ge­le­gent­lich je­des ge­sit­te­te Ge­mein­we­sen er­fasst, war in mein Blut ge­fah­ren. Und in mei­nem Her­zen war ich nicht sehr be­küm­mert, dass ich jene Nacht noch nach May­bu­ry zu­rück muss­te. Ich fürch­te­te so­gar, dass je­nes letz­te Ge­wehr­feu­er, das ich ge­hört hat­te, die Ver­til­gung un­se­rer Ein­dring­lin­ge vom Mars be­deu­tet hat­te. Mei­ne Ge­müts­ver­fas­sung kann ich am bes­ten aus­drücken, wenn ich sage, dass ich ge­ra­de­zu das Be­dürf­nis hat­te, bei ih­rem Tode zu­ge­gen zu sein.

      Es war fast elf Uhr, als ich mich zur Rück­fahrt an­schick­te. Die Nacht war un­er­war­tet fins­ter. Als ich aus dem er­leuch­te­ten Flur des Hau­ses mei­ner Ver­wand­ten her­austrat, schi­en sie mir ge­ra­de­zu schwarz; und sie war heiß und schwül wie der Tag. Über uns jag­ten die Wol­ken, wenn auch kein Luft­hauch das Busch­werk um uns be­weg­te. Der Die­ner mei­ner Ver­wand­ten zün­de­te