Auf den Spuren der Josefine Mutzenbacher. Anna Ehrlich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Ehrlich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783902862372
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wisst Ihr, was Ihr gegessen habt?«, verneinte sie. Höhnisch grinsend klärte er sie auf. Verzweifelt schluchzte da die Herzogin: »Unschuldig hat er den Tod erlitten um meinetwillen; er kam mir nie so nah, dass ihn meine Arme umfangen hätten.« Sie schloss sich in ihre Kammer ein, aß und trank nicht mehr und starb nach zwölf Tagen.

      Reinmar von Hagenaus berühmtester Schüler war Walther von der Vogelweide, der bis 1198 am Wiener Hof weilte. Auch er liebte die Schönheit der Frauen und die »niedere« Minne. Er sang vom Liebeslager unter der Linde, dem Bett aus Rosen, von tausend Küssen und der Verschwiegenheit: »Was er mit mir tat, das soll nie jemand erfahren als er und ich und ein kleines Vögelein, tandaradei; das wird gewiss verschwiegen sein.«

      Drall, mit rosigen Wangen und lachenden grauen, blauen oder hellbraunen Augen, so wird sie wohl ausgesehen haben, diese kleine »Wienerin« mit ihrer Vorliebe für die Natur. Eine »Hübschlerin« im Mutzenbacherischen Sinne war sie deswegen noch lange nicht. »Hübschlerinnen« nannte man die freien »gemainen Frauen«, die sich der Männer von Berufs wegen erbarmten. Das Wort »huer« war als Schimpfwort bereits bekannt: Am 9. Juli 1192 verbot Herzog Leopold V. das Wort »Hurensohn« bei Strafe. Fluchen und Schimpfen war damals gang und gäbe: Man wünschte jemandem das Fieber, die Krämpfe, den Veitstanz, man legte haarsträubende Schwüre ab bei Gottes Lunge oder Leber, bei Gottes Blut oder Darm, bei Gottes Laus oder Schweiß. Man rief: »Dass dich Gottes fünf Wunden schänden! Dass dich der Teufel oder Gottes Leichnam schände!«

       Adeliger Zeitvertreib: Turniere, Kreuzzüge

      Auch in Wien war für die adelige Gesellschaft das höchste aller Vergnügen das Turnier. Von weit her kamen die Ritter, um im Angesicht der Frauen ihre Kräfte zu messen. Rund um den Turnierplatz (heute: Platz Am Hof) war die »Schranke« errichtet, die Ritter mussten dort Schild und Rüstung mustern lassen. War eine der Damen von einem Ritter beleidigt worden, so warf sie Schild und Rüstung von der Schranke und der Getadelte durfte nicht am Kampf teilnehmen. Für die Damen waren Tribünen errichtet, wo ihnen nichts vom edlen Streit entging. Sie konnten durch die Wahl ihrer Kleiderfarben ihrem Galan Botschaften vermitteln. Rot stand für brennende Liebe, Blau für Treue, Grau für Trauer und Schwarz für das Ende der Liebe, Weiß für Unschuld und Herzensreinheit. Grün wurde selten getragen, es galt als Hexen- und Teufelsfarbe. Gelb wurde vermieden, es war als Farbe der Schande Juden, Bettlern und Prostituierten zugeteilt. Letztere waren in großer Zahl anwesend und ermunterten die Ritter durch ihre freizügig zur Schau gestellten Reize.

      Doch die edlen Ritter lockte auch die Ferne. Herzog Leopold V. nahm – wie fast alle christlichen Fürsten – am dritten Kreuzzug teil, dieser führte 1198 seinen Vetter Friedrich I. Barbarossa zum zweiten Mal über Wien. Der Kaiser hielt auf der Simmeringer Heide zwei Wochen lang Reichstag mit Heerschau und rauschenden Festen, bevor das Heer mit Kaiser und Herzog an der Spitze nach Osten weiter zog. Im Heiligen Land geriet Leopold vor Akkon mit dem berüchtigten Raufbold Richard Löwenherz von England aneinander. Als der Engländer dann auf der Heimreise Schiffbruch erlitt, blieb ihm nur der Landweg, und der führte über Wien. Sicherheitshalber verzichtete Löwenherz auf königliches Gepränge und verkleidete sich als Mönch, trotzdem wurde er am 21. Dezember 1192 in einer Schenke in Erdberg erkannt. Leopold warf ihn in den Kerker, zuerst in Wien und später in Dürnstein, und zahlte ihm so die Beleidigung vor Akkon heim.

       Siegespreis beim Turnier: freizügige »Hübschlerinnen«

       (Buchmalerei aus dem »Breviaire d’Amour«)

      1192 war für Herzog Leopold V. ein gutes Jahr, das ihm nicht nur das Anrecht auf sechs Tonnen englisches Silber als Lösegeld für König Richard, sondern auch die Steiermark einbrachte. Sein Glück stimmte den Herzog den Untertanen gegenüber aber nicht milde, und für das Dirnenwesen hatte der »Tugendhafte« schon gar nichts übrig: Er bestimmte 1192, dass die »freien Frauen« außerhalb jedes gesetzlichen Schutzes stehen sollten. Sie hatten kein Klagerecht und waren jeder Willkür ausgeliefert; nicht einmal wegen Notzucht durften sie sich an den Richter wenden. Beliebt war Leopold nicht. 1194 fand er ein schreckliches Ende, nicht ohne zuvor gelobt zu haben, das englische Silber zurückzugeben. Zum Glück für Österreich hielten sich weder seine Söhne noch seine Witwe an das Versprechen.

      Die neue Reinlichkeit : Badstuben und Bademädchen

      Die Kreuzfahrer brachten außer ihren im Kampf verstümmelten Gliedern noch etwas anderes mit nach Hause: den Sinn für Reinlichkeit. Im Orient hatten die frommen Pilger den Luxus des Bades kennen gelernt und wollten ihn nicht mehr missen. Da es in den Häusern selbst meist kein Wasser gab, sprossen Badstuben wie Pilze aus dem Boden. Man besuchte sie tagsüber, denn nachts auszugehen war lebensgefährlich. War nun das Bad bereitet, liefen die Bader und ihre Knechte mit Trommeln durch die Stadt und luden alle ein. Niemand war ausgeschlossen, selbst Lehrlinge und Gesellen bekamen von ihren Meistern den wöchentlichen Badegroschen, und mildtätige Menschen spendeten den Armen »Seelbäder«, um sich das Wohl der eigenen Seele und die Gebete der Beschenkten zu sichern.

      Noch heute erinnert die Neubadgasse an das mittelalterliche Badevergnügen und ein ganzes Stadtviertel, das Stubenviertel, leitet seinen Namen davon her. Man schritt mit um den Leib geschlungenem Leinentuch durch die Straßen zum Bad und ließ sich dort vom Bader oder der spärlich bekleideten Bademagd in tiefen, hölzernen Bottichen mit Lauge abreiben, die Haare waschen und die Wangen rasieren, danach betrat man das Schwitzbad; abschließend wurde man von den Mägden kalt abgegossen. In einigen Bädern waren diese auch sonst recht »hilfsbereit«. In den teuren Badstuben nahm der saubere Badegast nun in einer großen Wanne voll duftendem Wasser Platz. Oft saßen in ihr bereits Vertreter des anderen Geschlechts, und wenn nicht – dann vermittelte der Bader gern Gesellschaft. Zwischen die Badenden wurden Bretter gelegt und das Beste aus Küche und Keller aufgetischt, Spielleute sorgten für Musik, Alkoven dienten für Massage und andere Zwecke.

       Paar im gemeinsamen Badezuber

      Selbst ehrbare Wienerinnen gingen ins Bad und leisteten den Männern Gesellschaft. Eigene Frauenbäder gab es nur zwei in der ganzen Stadt, doch reservierte man in den meisten Bädern bestimmte Stunden oder Tage für Frauen. Sie übertrumpften einander mit den ausgefallensten Kopfbedeckungen, sonstige Badekleidung war nicht üblich.

      Tannhäuser beklagte sich vor 800 Jahren bitter, wie leicht einen das Wiener Leben zugrunde richte, mit schönen Weibern, mit Leckerbissen und »zweimal in der Wochen baden«. Das Bad in der Walchstraße, der heutigen Wallnerstraße, wurde vom Herzog selbst aufgesucht und hieß daher ab 1314 »des Herzogen padstuben« (das spätere »Neubad«). Auch die Herzogin hatte ihre Badstube, lesen wir doch am 22. Januar 1405: »Bruder Arnold von Sehausenvermacht Niklas der pader die pad-stuben, die da leit hinder sand Pangratzen ze Wienne und heizzet der Hertzogin padstubendasz sie dafür im Kloster einen Altar bauen, ein ewiges öllicht vor diesem brennen und einen guten Grabstein über sein Grab legen sollen …« Von der Badstube vor dem Schottentor hört man bereits 1292, das Bad der Perliebin am Haarmarkt wird 1308 erwähnt, die »Wunderburg« im Elend bei den Schotten war für die ärmeren Leute bestimmt, das Bad bei den Röhren (Tuchlauben 7a/Seitzergasse 6/Steindlgasse 1) erfreute sich besonderer Beliebtheit. Etwas jünger waren das Hafnerbad am Hafnersteig, das Frauenbad vor dem Stubentor und das Schilcherbad am heutigen Stock-im-Eisen-Platz 4. Im Spätmittelalter soll es in Wien 29 Badstuben gegeben haben, die in den Vorstädten gelegenen und die jüdischen nicht mitgezählt.

       Die Lepra als Folge der Unzucht

      Ein nicht erfreuliches Mitbringsel aus dem Orient war die Lepra: In Wien wurden Leprahäuser gebaut,