Die Pelztierjäger waren sehr still geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil sie ja wußten, wer in der Stadt war: der Dodger Marshal Earp! Der Mann mit den Falkenaugen. Der Sternträger, der alles daransetzen würde, den Tod seines Kameraden zu rächen!
Dabei hätten sie nur um sich zu greifen brauchen. So nah war der Mörder. Er lag noch in seinem Bett oben im Boardinghouse und schlief.
Walker hatte sich eigentlich vorgenommen, früh aufzustehen und aus der Stadt zu reiten. Aber da ihn seine Tat für Stunden keinen Schlaf hatte finden lassen und er dann erst kurz vor Morgengrauen im Schlaf fiel, wachte er jetzt nicht auf. Er hörte nicht das Gemurmel auf der Main-street, sah nicht die Menschen, die umherhuschten und den Mörder des unbekannten Sheriffs suchten.
Als er dann endlich aufwachte, kam er mit bleichem Gesicht ans Fenster und stierte aus glasigen Augen hinunter auf die Straße.
Da erst kam ihm das Geschehen der Nacht zum Bewußtsein. Er hatte Dick Cirby ermordet!
Den Sheriff von Hickory, den Mann, der immer ein Auge und manchmal auch zwei zugedrückt hatte, wenn es um Rüpeleien, Schlägereien oder sogar Schießereien ging, an denen der junge Jerry Walker beteiligt gewesen war.
Er hatte eine siebzehnjährige Tochter, zwei Söhne von fünfzehn und vierzehn und noch zwei kleine Jungen daheim, der tote Dick Cirby.
Der Mörder schob das Kinn vor und spürte, daß seine Zähne klappernd aufeinanderschlugen.
Da sah er drüben aus dem Barbershop den Marshal kommen.
Walker preßte sich die Finger in den Mund. Wyatt Earp ist noch da! Um Himmels willen, ich muß auf dem schnellsten Weg verschwinden!
Aber noch einmal hatte das Schicksal es anders gewollt.
Ben Hilgers, der Fallensteller mit dem rostroten Haar, war am vergangenen Abend von Schenke zu Schenke gegangen. Am Schluß war er in der Kantine des Pelzmagazins hängengeblieben, wo er sich restlos betrank.
Der Quartiersmaster fand ihn am Morgen, als er sich an die Arbeit machen wollte, noch vorn im Kantinenraum. Er setzte ihn an die Luft, da er Ruhe für seine Arbeit brauchte.
Obwohl Hilgers ein zäher Bursche war, der ganz sicher etwas vertragen konnte, war es doch zuviel gewesen, was er sich in der vergangenen Nacht zugemutet hatte.
Immer noch betrunken, stolperte er die Straße hinunter. Als er schließlich die Menschenansammlung vor dem Sheriffsoffice bemerkte, saugte sich sein verschwommener Blick an der Gestalt des Marshals fest, der durch seine Körpergröße die anderen Männer überragte.
»Da ist er ja noch, der verdammte Sternträger. Weg muß er! Weg mit dem Stern. Ausrotten! Vernichten! Zum Teufel mit ihm!«
Die Gespräche der Männer waren verstummt. Es waren merkwürdige Blicke, die auf einmal den Fallensteller trafen.
Hilgers war schwankend stehengeblieben.
Plötzlich hatte er den Revolver in der Hand und krakeelte: »Ausrotten! Sie müssen verschwinden! Alle!«
Zwei Schüsse jagten in das Vorbaudach.
Da kam der Missourier langsam auf den Fallensteller zu. »Haben Sie irgend etwas zu sagen, Hilgers?«
Der Fallensteller schoß dem Missiourier einen wütenden Blick zu. »Irgend etwas? Eine ganze Menge habe ich zu sagen! Du wirst vernichtet werden! Erschlagen! Erschossen…«
Der Marshal sah ihn aus harten Augen an und forderte ihn mit ruhigen Worten auf: »Geben Sie mir Ihren Revolver, Ben Hilgers!«
»Meinen Revolver? Eher knalle ich dich auf der Stelle nieder!«
Der Fallensteller riß den Colt hoch.
Aber gedankenschnell flog die Stiefelspitze des Marshals unter seine Hand. Der Revolver polterte zur Seite und rutschte unter den Vorbau.
Der Betrunkene stierte den Marshal glasig an.
»Das wirst du büßen«, lallte er.
Wyatt nahm ihn rauh am Arm und führte ihn zum Sheriffsoffice.
»Hier, Parker, sperren Sie den Mann ein, bis er nüchtern ist.«
Jerry Walker war mit den anderen Männern dem Marshal gefolgt. Ein mörderischer Gedanke war ihm plötzlich gekommen. Dieser Hilgers kam ihm wie gerufen. Und das, was er gesagt hatte, paßt doch wie der fehlende Stein ins Mosaik.
»Bis er nüchtern ist, Marshal?« rief er von der Officetür her. »Er braucht erst gar nicht nüchtern zu werden, der Mörder. Wir hängen ihn auf.«
Wie ein Sturmwind pflanzte sich der Ruf von Mund zu Mund, weit über die Mainstreet von Dead West fort: »Aufhängen!«
»Sofort aufhängen!«
»An den Ast mit dem Mörder!«
Der Teufel vom Westcreek hatte das Gift gestreut, hatte den Stein ins Rollen gebracht.
Vor der Tür der Grisly Bar standen die Kameraden des Ben Hilgers.
Der kleine Derrick stieß Zeduc in die Seite und wies auf das finstere Gesicht des hünenhaften Ower Jipp.
Der Bullenbeißermensch hatte die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen. Plötzlich stieß er hervor: »Damned! Wenn Ben es getan hat, ist er ein ganz verdammtes Schwein.«
Der kurmmbeinige Jack Landers krächzte: »Wenn…? Hast du denn nicht gehört, was er hier vorhin gebrüllt hat? Dieser Verrückte!«
»Ich wette hundert Bucks, daß er es war«, preßte Jonny White durch die zusammengebissenen Zähne.
Jimmy Duck und Ric Wilson nickten nur, und Bill Henninger fauchte: »Dann sollten wir nicht warten, bis sie ihn fertigmachen. Dann müssen wir ihnen zeigen, wie wir darüber denken.«
»Richtig«, stimmte Landers zu. »Einen Strick her, Männer! Wir selbst werden den Mörder hängen!«
Es war Jonny White, der ein Pferdelasso brachte.
Owen Jipp riß ihn an sich und schwang ihn trotz seines verletzten Armes.
»Auf, Männer, Ben Hilgers muß hängen!« Mit diesem Ruf auf den Lippen stampften die neun Männer dem Sheriffsoffice zu.
Parker sah sie kommen und sah auch den Strick an der Hand Owen Jipps.
»By gosh«, stammelte er. »Jetzt kommen sie und wollen ihn hängen. Und der Marshal ist nicht da.«
Die Pelztierjäger hatten einen Halbkreis draußen auf der Straße gebildet, und Jipp brüllte: »Parker! Gib ihn raus!«
Der Sheriff schwitzte Blut und Wasser. Auf zitternden Beinen stand er hinter der Tür und lauschte hinaus.
Da vernahm er hinter sich in der Zelle ein Geräusch und fuhr herum.
Ben Hilgers war zu sich gekommen. Der Eimer Wasser, den Wyatt Earp, der im Umgang mit Betrunkenen sattsam Erfahrungen besaß, hatte Wunder gewirkt.
Zwar immer noch benommen, aber doch ernüchtert stand der Fallensteller mit grünlichem Gesicht an der Zellentür.
»He, Sheriff, wen wollen sie hängen?«
»Dich, Hilgers«, sagte Parker gallig.
»Mich…?«
»Yeah, dich.«
»Weshalb denn?«
»Weil du den Sternträger ermordet hast.«
»Den Sternträger?« stammelte der Fallensteller völlig entgeistert. »Wyatt Earp – ist tot?«
Der Sheriff blickte mit zuckenden Lippen in Hilgers’ Gesicht.
»Wyatt Earp? Mensch, wer spricht denn davon? Ein fremder Sheriff ist ermordet worden, und du bist es gewesen.«
»Ein fremder Sheriff? Verdammt noch mal! Welcher fremde Sheriff denn?