Haben die Pinguinkarawanen endlich ihr Brutgebiet erreicht, ist es Zeit für die Fortpflanzung, der jedoch stets eine ziemlich außergewöhnliche Balz vorgeschaltet ist. Es ist dabei immer das Männchen, das gleich mit einer ganzen Serie von Lautäußerungen um ein Weibchen buhlt. Hat ein Weibchen sich dann für einen Partner entschieden, stellen sich Herr und Frau Pinguin Auge in Auge gegenüber, wobei das Männchen die Bewegungen des Weibchens imitiert – ähnlich, wie das in einem Spiegel der Fall ist. Anschließend verbeugen sich die beiden Geschlechtspartner, zur Freude von menschlichen Beobachtern, mehrmals tief voreinander. Bei diesen Verbeugungen handelt es sich jedoch nicht etwa um einen Akt der Höflichkeit, sondern um ein wichtiges Ritual. Eigentlich schade! Nachdem das Vorspiel, das sich über Stunden hinziehen kann, vollzogen ist, kommt es dann endlich zum eigentlichen Akt.
Wobei der Pinguinsex – und das betrifft nicht nur Kaiserpinguine – nicht ganz ohne Tücken ist: Zum einen ist Sex auf Eis und Schnee sicherlich auch in Pinguinkreisen nicht jedermanns Sache, zum anderen ist die flaschenförmige Figur der Pinguine nicht gerade hilfreich. Zum Akt legt sich das Weibchen nämlich aufs Eis und das Männchen mit seinem Bauch auf ihren Rücken. Das ist, flapsig formuliert, in etwa so, als wollte man zwei Bierflaschen aufeinanderstapeln und das ist ja bekanntlich relativ schwierig. Aber mit Geduld und einem gewissen Balancegefühl klappt es bei den Pinguinen dann doch.
Im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Glauben leben Kaiserpinguine nicht strikt monogam, bleiben ihrem Partner also nicht ein Leben lang treu. Die berühmte Monogamie der Kaiserpinguine hält oft nur ein Jahr, wenn Herr und Frau Pinguin in der Brutzeit aufeinander angewiesen sind. In der nächsten Saison verpaaren sich die meisten Pinguine dann mit einem neuen Partner. Ein Verhalten, das in der Wissenschaft etwas beschönigend als „serielle Monogamie“ bezeichnet wird.
Allerdings gilt offensichtlich auch bei Kaiserpinguinen in Sachen Scheidungsrate der Satz: „Never change a winning team“. Einige Pinguinpaare tun sich wieder erneut zusammen, wenn die Brut in der vergangenen Saison erfolgreich war. Wissenschaftler konnten beobachten, dass bewährte „Ehen“ deshalb bis zu sieben Jahre lang fortgesetzt werden.
War der Akt erfolgreich, legen die geschwängerten Weibchen nach rund 90 Tagen ein einzelnes Ei zunächst auf ihren breiten Schwimmfüßen ab. Nach der Eiablage sind die Kaiserpinguinweibchen mit ihren Kräften ziemlich am Ende. Die Entwicklung des rund 450 Gramm schweren Eis hat unglaublich viel Energie gekostet. Nahrung, sprich Fisch, steht in den Brutgebieten, die sich ja fernab vom Ozean befinden, jedoch nicht zur Verfügung. Will heißen, die Pinguinmütter müssen jetzt dringend den langen Marsch zu ihren Jagdgründen im Packeis antreten, um ihre leeren Energiespeicher aufzufüllen. Und deshalb ist von diesem Zeitpunkt an das Brutgeschäft bei Kaiserpinguinen erstmal reine Männersache. Allerdings gilt es, vorher eine große Herausforderung zu meistern: Das Ei muss von den Füßen der Mutter möglichst behutsam auf die Füße des Vaters transferiert werden – ein regelrechter Eiertanz. Gerade junge unerfahrene Pinguine stellen sich bei der Eiübergabe oft nicht sonderlich geschickt an. Und das kann für das werdende Leben ganz schnell zu einer Angelegenheit auf Leben und Tod werden. Rollt das Ei von den Füßen auf das blanke Eis und das Pinguinpaar schafft es nicht, es innerhalb von ein bis zwei Minuten zurückzuholen, stirbt der Embryo bedingt durch die klirrende Kälte unweigerlich ab.
Die Sache mit dem Wärmeaustauscher
Pinguine sind in der Antarktis auf dem Kontinent von Eis und Schnee ständig Temperaturen ausgesetzt, die tief unterhalb des Gefrierpunktes liegen. Da müsste doch eigentlich permanent die Gefahr bestehen, dass die Vögel mit ihren nackten Füßen auf den Eisschollen bzw. der geschlossenen Eisdecke festfrieren? Tun sie aber nicht! Um nicht festzufrieren, haben sich die Pinguine gleich mehrere Tricks ausgedacht: Zum einen können bekanntermaßen nur Flüssigkeiten leicht festfrieren – daher hätten Tiere mit Schweißfüßen am Südpol sehr schlechte Karten. Die cleveren Pinguine halten ihre Füße jedoch möglichst trocken, um ein Festfrieren zu verhindern. Zusätzlich stehen sie oft auch nur auf den Fersen, um die Kontaktfläche mit dem Eis so klein wie möglich zu halten. Zum anderen kühlen die Vögel ihre Füße mit einem körpereigenen Wärmeaustauscher von den 39 °C, die im übrigen Körper herrschen, auf rund 8 °C herunter. Durch diesen Kniff wird erreicht, dass die Füße gerade so kalt sind, dass das Eis darunter nicht antaut. Und was nicht antaut, kann auch nicht gefrieren. Dieser Wärmeaustausch wird dadurch ermöglicht, dass in den Beinen die Arterien und Venen sehr eng beieinanderliegen. Während warmes Blut durch die Arterien in die Füße fließt und dabei von den benachbarten Venen heruntergekühlt wird, wird das kalte venöse Blut, das in den Körper zurückfließt, von den Arterien wieder erwärmt.
Für die nächsten rund 65 Tage balanciert der Pinguinvater jetzt das Ei sorgfältig auf seinen Füßen und bebrütet es bis zum Schlupf in der schützenden Bauchfalte. Um sich vor der klirrenden Kälte am kältesten Ort der Erde, aber vor allem auch vor den eisigen antarktischen Stürmen zu schützen, rücken die Pinguinmänner zusammen und bilden sogenannte „Huddles“ – eng gedrängte Gruppen, in denen sich die Pinguine gegenseitig wärmen. Nach einer bestimmten Zeit werden dabei aber stets die Plätze gewechselt, sodass jeder männliche Frackträger mal am kalten Rand, aber auch mal im wärmeren Inneren des kreisförmigen Huddles steht. Inzwischen sind die Weibchen wieder am Ozean angelangt und können sich dort endlich nach der langen Zeit des Hungers den Bauch mit Fisch vollschlagen. Und Fische zu erbeuten, ist geradezu ein Kinderspiel für die an Land so unbeholfenen Vögel. Im Ozean sind Pinguine in ihrem eigentlichen Element. Schwimmend bringen es die immer an einen Bonsai-Oberkellner erinnernden Vögel auf Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 40 Kilometer pro Stunde und Tauchtiefen von über 500 Metern. Bei ihren Jagdzügen können Kaiserpinguine, dank Herabsetzung des Herzschlages und Reduktion des Sauerstoffverbrauchs, immerhin bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben.
Die Jungen schlüpfen in den allermeisten Fällen, bevor die mittlerweile wohlgenährten Mütter zur Kolonie zurückkehren. Eine Situation, die die Pinguinväter vor einige Probleme stellt. Mit was sollen die Jungen gefüttert werden? Schließlich haben die Pinguinväter jetzt selbst vier Monate lang am Stück gefastet und dabei bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts verloren. Aber die Väter haben, um den Hunger des Nachwuchses zu stillen, noch einen letzten Pfeil im Köcher: die sogenannte Kropfmilch. Diese Milch, die mit einem Proteingehalt von 59 Prozent und einem Fettgehalt von immerhin 28 Prozent eine wahre Kalorienbombe ist, wird vom männlichen Kaiserpinguin in einer speziellen Drüse im Schlund hergestellt. Allerdings kann das Jungtier via Kropfmilch maximal eine Woche am Leben erhalten werden. Trifft die Mutter später ein, bedeutet dies das Ende des Pinguinkükens.
Das Weibchen findet übrigens bei der Rückkehr von seinem Nahrungstrip „sein“ Männchen samt dazugehörigem Kind in der oft riesigen Kolonie der wartenden Pinguinmänner nicht etwa anhand von äußerlichen Merkmalen wieder, sondern an dem individuellen Ruf seiner Stimme. Hier zahlt sich offensichtlich das oben erwähnte lange Vorspiel aus, bei dem sich die Ehepaare die akustischen Besonderheiten des jeweiligen Partners gut einprägen können.
Die Weibchen kehren aber in den allermeisten Fällen rechtzeitig zu Vater und Kind zurück und versorgen ihr Küken dann mit der ersten Fischmahlzeit seines noch jungen Lebens. Und die fällt ziemlich reichlich aus: Bis zu drei Kilogramm leicht vorverdauten Fisch transportieren die Pinguinmütter für den Nachwuchs in ihrem Magen aus dem Ozean heran. Anschließend wird das Küken in die Bauchfalte der Mutter übergeben, sodass jetzt der Vater die Chance hat, endlich seinen schon ewig knurrenden Magen durch einen Marsch zum Ozean zu stillen.
Übrigens: Auch wenn das Bauchgefieder von Mutter beziehungsweise Vater in der Regel für genügend Wärme sorgt, fallen immer wieder Kaiserpinguinküken der klirrenden Kälte zum Opfer: Zwischen 80 und 90 Prozent der Küken erleben ihren ersten Geburtstag nicht.
Das Geheimdossier über die „Perversionen der Pinguine“
Als der britische Polarforscher George Murray Levick, der zwischen 1910 und 1913 Pinguinforschung in der Antarktis betrieben hatte, eine Adeliepinguinkolonie etwas näher unter die Lupe nahm, war er von dem, was er da beobachten musste, bis ins Mark erschüttert. Levick stellte geschockt fest, dass nicht nur einige