Ndura. Sohn Des Urwalds. Javier Salazar Calle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Javier Salazar Calle
Издательство: Tektime S.r.l.s.
Серия:
Жанр произведения: Приключения: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788835415947
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mit dem Feuerzeug und verödete die Wunde vorsichtig. Ich hatte keine Ahnung, ob sich Verletzungen, die von Blutegeln herrührten, entzündeten oder nicht, aber ich zog es vor, kein Risiko einzugehen. Es tat so weh, dass ich mich sehr anstrengen musste, um nicht aus Leibeskräften zu schreien. Ich suchte den Rest meines Körpers für den Fall ab, dass da noch mehr waren, aber es war der einzige. Jetzt hatte ich am Bein ein Brandmal in Form meiner Taschenmesserspitze. Vielleicht hätte ich diese Gräueltat nicht begehen sollen.

       Die Trägheit übernahm die Kontrolle über meinen Körper und ich beschloss, mir einen freien Vormittag zu erlauben. So viele unterschiedliche Gefühle ermüdeten, ich war fix und fertig und mein Körper wog Tonnen. Ich suchte mir einen schattigen Platz, und nachdem ich mich abgetrocknet hatte, zog ich mich an und deckte mir den Kopf und das Gesicht mit dem Namibia Souvenir T-Shirt aus dem Rucksack ab, um die vielfältigen und lästigen Insekten, die das Ufer säumten fernzuhalten. Bevor ich mich hinlegte, untersuchte ich einen Strauch mit auffälligen karminroten Früchten und kleinen bläulichen Samen13, der in meiner Nähe stand und von dem ich schon viele gesehen hatte. Ob man sie essen konnte? Ich zerquetschte einige verirrte Ameisen, die ich noch nicht aus meiner Kleidung hatte schütteln können. Ich schloss die Augen und ließ mich von der Schläfrigkeit und Benommenheit davontragen, die Hitze und die Feuchtigkeit machten meine Muskel schwer und lähmten meinen Willen.

       Ein Schuss, dann eine Salve aus einer automatischen Waffe, noch mehr Schüsse. Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Sie kamen vom anderen Flussufer, wenn auch aus weiter Ferne. Diesmal bildetet ich es mir wirklich nicht nur ein, sie würden mich jeden Augenblick finden. Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass meine Situation es mir nicht erlaubte, mich auszuruhen, dass es meinen sicheren Untergang bedeutete, wenn ich nicht alle meine Sinne in ständiger Alarmbereitschaft hatte.

       Schnell sammelte ich alle meine Sachen zusammen, verstaute das T-Shirt im Rucksack, zog die Socken und die Turnschuhe an und ergriff den Wanderstock. Die Sachen waren noch nass, aber im Augenblick hatte ich keine Zeit, mich um solche Nichtigkeiten zu kümmern. Weil es meiner Meinung nach die beste Möglichkeit war, dem Flussbett zu folgen, um irgendwohin zu gelangen, es mir aber sehr gefährlich erschien, direkt am Ufer entlangzulaufen, ging ich wieder in den Urwald, um mich zwischen dem Blattwerk „unsichtbar“ zu machen und in vier bis fünf Meter Entfernung parallel zum Fluss zu gehen. Es war eine geschlossene Welt, in der es nichts gab, außer einer undurchdringlichen grünen Wand ohne irgendeinen Ausgang, egal in welche Richtung ich auch blickte. Ich konnte höchstens drei oder vier Meter weit sehen. Schnell verlor ich den Fluss aus den Augen, und wieder einmal befand ich mich auf dem Weg ins Nirgendwo.

       Den ganzen Nachmittag lief ich in einem wechselnden Rhythmus, mal sehr schnell und dann wieder langsam mit nur wenige Pausen. Gerade genug, um wieder etwas zu Atem zu kommen und um zu lauschen für den Fall, dass weitere Schüsse zu hören wären. Die ganze Zeit musste ich gelegentliche Vorboten eines Wadenkrampfes ertragen und das Geräusch, das meine Turnschuhe bei jedem Schritt machten, das klang, wie wenn man in eine Pfütze trat. Das Blattwerk wurde zeitweise so dicht, dass es einige Bereiche in den Schatten tauchte. Überall waren Mücken, die nicht aufhörten, mich zu drangsalieren, als würde es sich um eine endlose Schlacht handeln. Manchmal erinnerten sie mich an die japanischen Kamikazeflieger aus dem zweiten Weltkrieg, die sich im Sturzflug auf ihr Ziel warfen ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Die Mücken waren genauso, sie stürzten sich kontinuierlich auf meinen Körper, ohne dass sie sich für ihre Verluste interessierten, die ich ihnen durch die Schläge meiner Händen, die ich als Luftabwehr benutzte, verursachte. Einige von ihnen war so groß, dass sie mehr gigantische Bomber als Kampfflieger ähnelten und deren bloße Anwesenheit beim Feind Besorgnis auslöste. Sobald sie sich mir näherten, spannte ich mich sofort an, bereit ihnen auszuweichen. Da war immer eine mit Appetit und ich hatte unendlich viele Stiche auf den Armen und Beinen, überall dort, wo meine Kleidung meinen Körper nicht bedeckte. Einige saßen sogar auf den Bissen, die mir die Ameisen beim Aufwachen zugefügt hatten. Das war eine Schlacht, die ich schon im Voraus verloren hatte, ein banaler Kampf, belanglos, unnütz, denn von ihnen gab es unendlich viele und ich war immer erschöpfter. Sie nervten mich derart, dass ich beschloss, die nackte Haut mit nasser Erde zu bestreichen und auf diese Weise eine für sie undurchdringliche Mauer zu erschaffen. Diese plötzliche Eingebung rettete mich. Es war unbequem sich damit zu bewegen, vor allen Dingen, wenn sie trocknete, aber die unablässigen Angriffe der Mücken waren schlimmer. Dank dieses Tricks konnte ich die unerbittlichen Insekten eine ganze Zeitlang vergessen, und wenn ich auch nicht den Sieg davongetragen hatte, so hatte ich zumindest einen zeitweiligen Waffenstillstand erreicht. Außerdem hatte es die überraschende Wirkung, dass es dort, wo die Ameisen mich gebissen hatten, aufhörte zu jucken. Endlich ein bisschen Glück.

       Ich beobachtete unaufhörlich meine Umgebung, ich hatte den fortwährenden Eindruck, dass ich verfolgt wurde, dass ich in einem grenzenlosen Urwald immer weiter eingekreist und in die Enge getrieben wurde. Ich meinte sogar Schritte und Stimmen hinter mir zu hören oder flüchtig die Gesichter der Milizen zwischen den Bäumen zu erblicken, die mich mit wildem Blick anstarrten und mich unaufhörlich überwachten. In Wahrheit bekam ich keinen deutlich zu sehen, ich konnte nicht einmal die geringste Spur ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet entdecken. Es kam mir so vor, als würden sich die Bäume über meinem Kopf zusammenbeugen und mich immer weiter in einer Zelle aus lebendem Holz einsperren. Ich wusste nicht, ob ich paranoid wurde oder so, aber ich musste es schaffen mich zu beruhigen, um in diesem unbekannten und tödlichen Dschungel zu überleben.

       Während ich derart verwirrten herumstreifte, machte ich auf eine grausige Entdeckung. Auf einer Lichtung lagen inmitten einer großen getrockneten Blutlachen die Reste von dem, was anscheinend einmal eine Primatenfamilie von der Größe von Schimpansen oder Ähnlichem gewesen war, sie hatten keine Hände und Füße, nicht einmal mehr Köpfe und sie waren bedeckt von Myriaden von Fliegen und allen möglichen anderen Insekten und von Aasfressern umzingelt. Der Gestank, den sie verströmten, war unerträglich und ich konnte nicht verhindern, dass ich mich augenblicklich übergeben musste. Ich sammelte meinen Mut zusammen und schaute noch einmal hin. Es waren vermutlich zwei Erwachsene und ein kleineres Tier. Es sah nicht so aus, als wären Jungtiere darunter gewesen, was ich aber nicht wusste, war, ob man sie nicht gefangen hatte, oder ob keine dabei gewesen waren, oder ob man sie mitgenommen hatte, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Ich wusste, dass sich bestimmte Körperteil von Tieren in Asien sehr gut als Aphrodisiakum verkaufen ließen: das Horn der Nashörner, Tigerknochen und ähnliches. Vielleicht handelte es sich hier um so etwas. Diese Entdeckung zeigte mir nicht nur wieder einmal, wie grausam Menschen waren, sondern auch, dass ich mich in einem Gebiet befand, in dem sich Wilderer aufhielten, die sicherlich nicht sehr freundlich zu Fremden waren.

       Ich war zutiefst in Mitleidenschaft gezogen von allem, was hier passierte. Es kam der Augenblick, als ich schließlich einen heftigen Krampf in der rechten Wade bekam, der mich zwang, anzuhalten, um den Muskel zu dehnen, während ich die Lippen wegen der Schmerzen fest aufeinanderpresste und mich auf dem Boden wandte. Ich musste eine ganze Weile sitzenbleiben, bevor ich mich wieder bewegen konnte und der Muskel beeinträchtigte mich für den Rest des Tages ununterbrochen. Mehrere Male dachte ich, der Krampf käme wieder und ich musste stehenbleiben, um das Bein zu dehnen. Als die Nacht hereinbrach war ich völlig ausgelaugt, und ich war wegen des langsamen Rhythmus, den ich hatte einschlagen müssen, nicht sehr weit vorangekommen. Vor allem meine Beine waren durch das lange Gehen erschöpft, mein Knie und meine Wade schmerzten und meine Füße waren wie eingeschlafen. Wenn man es positiv sehen wollte, dann hätte ich meinen beginnenden Bierbauch abtrainiert, sollte ich hier je wieder herauskommen. Das wäre schon etwas. Ich durfte meinen Sinn für Humor nicht verlieren, der könnte mir das Leben retten. Das war das einzige, was mir blieb, das und mein Überlebenswille. Elena, was würde ich jetzt nicht alles für eine Umarmung von dir geben, für dein Lächeln! Oder für eines dieser leckeren Essen, das du immer kochst!

       Ich setzte mich auf einen umgestürzten Baumstamm und aß das ganze restliche Quittengelee auf und trank einen großen Schluck Wasser. Es war nur noch ungefähr ein Fünftel des Wassers übrig und nichts mehr zu essen. Diese dritte Nacht würde ich wieder auf einem Baum verbringen, nach der Erfahrung mit den Ameisen, glaubte ich nicht, dass ich einschlafen könnte, denn die Ameisen waren genauso auf den Bäumen