Abbildung 4: Kerndichteberechnung der Einzelbaumstandorte, Auszählung der Rosskastanien pro Stadtteil und Interpolation zum Alter des Rosskastanienbestandes der Freien und Hansestadt Hamburg
4.2 Befallsdynamik
Abbildung 5 zeigt die räumliche Analyse zur Verbreitung der Pseudomonas-Rindenkrankheit anhand der aktuellen Verdachtsbäume und der bisher gefällten Rosskastanien. Die Karte ist somit keine Momentaufnahme der aktuellen Situation, sondern zeigt sämtliche Rosskastanienstandorte, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit in Zusammenhang gebracht werden. Einige Standorte sind oder waren besonders betroffen. Die Berechnung der Punktdichte hebt diese Standorte mit einem hohen Befallsdruck (rot) hervor. Je mehr kranke Bäume sich in dieser Region zentrieren, desto stärker ist die Ausprägung auf der Karte.
Abbildung 5: Verbreitungskarte der Pseudomonas-Rindenkrankheit
Abbildung 6a und 6b zeigen exemplarisch einen Hotspot in Hamburg-Bergedorf. Die zwei Straßenabschnitte liegen ca. 550 Meter voneinander entfernt. In der Ernst-Henning-Straße sind bisher 29 Rosskastanien von der Komplexkrankheit betroffen, 12 weitere Bäume sind mit Pae infiziert und vier Bäume sind bisher symptomfrei. Unter den symptomfreien Bäumen befinden sich zwei Rosskastanien der Art A. hippocastanum. Alle anderen Rosskastanien in der Ernst-Henning-Straße waren oder sind rotblühend. In der Justus-Brinkmann-Straße standen ausschließlich Rosskastanien der Art A. carnea. Von den ehemals 29 Bäumen mussten bisher 28 Rosskastanien gefällt werden, weil die Bruchsicherheit durch die Weißfäule-Erreger gefährdet war. Das plötzliche Auftreten unterschiedlicher holzzerstörender Pilze erhöht den Kontrollaufwand in der Baumkontrolle deutlich und Beobachtungen von Verdachtsbäumen sind aufgrund dieses Schadbildes in verkehrswichtigen Räumen un-umgänglich (DUJESIEFKEN & GAISER 2014; FISCHER 2014).
Abbildung 6a, b: Hotspot der Rosskastanien-Komplexkrankheit in Hamburg-Bergedorf
Der Großteil der Fällungen betrifft in Hamburg bisher die rotblühende Art. Es werden zwar quantitativ mehr Weißblühende Rosskastanien verdächtigt, mit P. syringae pv. aesculi infiziert zu sein, aber die Zahlen bestätigen, dass die Rotblühende Rosskastanie stärker von der Komplexkrankheit betroffen ist und der Schadensablauf eine höhere Dynamik hat. Erkrankt eine Rotblühende Rosskastanie, muss sie in der Regel wenige Jahre später gefällt werden. Dies verdeutlicht auch den mitunter sehr schnellen Übergang zwischen den ersten Anzeichen der Bakteriose und dem Schadbild der Komplexkrankheit. Fruktifizieren zahlreiche Pilzfruchtkörper an einer mit Pae infizierten Rosskastanie, ist die Bruchsicherheit bereits deutlich gefährdet (DUJESIEFKEN 2018).
4.3 Folgen für den Hamburger Rosskastanienbestand
Abbildung 7 zeigt die gefällten Rosskastanien und Neupflanzungen im Stadtgebiet seit dem Jahr 2000. In dieser Statistik werden die Fällgründe nicht nach Baumaßnahmen, Vandalismus oder biotischen Schäden wie der Komplexkrankheit differenziert. Die Grafik verdeutlicht jedoch den exponentiellen Anstieg der Fällungen seit 2013 und zeigt anhand der ausbleibenden Ersatzpflanzungen den Negativtrend und damit das Gefährdungspotenzial für den zukünftigen Gesamtbestand der Hamburger Rosskastanien. Die stark zurückgehenden Pflanzzahlen von 2000 bis 2006 sind dabei die Konsequenz einer massiven Ausbreitung der Rosskastanienminiermotte und in den Folgejahren dann der Komplexerkrankung geschuldet. Zum Pflanzpeak 2007 wurden besonders viele Rotblühende Rosskastanien als Alternative zur Weißblühenden gepflanzt, weil sich die Larven der Miniermotte in den Blättern von A. carnea nicht entwickeln (DOOBE & ZUNKE 2007). Doch der Hoffnungsträger wurde mit der Bakteriose und der folgenden Komplexkrankheit wenige Jahre später zum Problembaum. Fällungen in Grünanlagen werden separat anhand der grünen Linie dargestellt, um zu verdeutlichen, dass die Fällungen hier seit 2010 ebenfalls angestiegen sind.
Abbildung 7: Pflanzungen und Fällungen von Rosskastanien seit dem Jahr 2000 in Hamburg
Abbildung 8 zeigt die räumliche Verteilung der Arten und Sorten im Stadtgebiet. Es wird schnell deutlich, dass der Befall inzwischen flächendeckend auftritt. Zu Beginn des Monitorings entfiel noch der Großteil der Fällungen auf die rotblühende Art, obwohl quantitativ mehr Weißblühende Rosskastanien symptomatisch waren. Die Ausfälle bei A. hippocastanum häufen sich allerdings in der jüngsten Vergangenheit.
Abbildung 8: Räumliche Verteilung der gefällten Bäume und der Verdachtsbäume
Bei der Herbstauswertung 2019 war die Zahl der gefällten Rosskastanien erstmals höher als die der Pae-Verdachtsbäume. Die Daten der bezirklichen Baumkontrolle aus dem Jahr 2019 werden im ersten Quartal 2020 gefiltert. Es ist davon auszugehen, dass Neubefunde hinzukommen werden. Zudem fruktifizieren erfahrungsgemäß noch zahlreiche Pilzfruchtkörper zwischen November und Januar. Im Herbst/Winter 2019 wurden bereits 71 Weiß- und Rotblühende Rosskastanien mit Pilzfruchtkörpern erfasst. Besonders schwer ist eine historisch angelegte Rosskastanienallee im Waldbestand des Niendorfer Geheges betroffen. 17 Rosskastanien müssen hier gefällt werden. Auslöser ist ebenfalls das verstärkte gemeinsame Auftreten des Rötenden Runzel-Schichtpilzes, des Samtfußrüblings und des Austernseitlings – typische Schaderreger der Rosskastanien-Komplexkrankheit (GAISER et al. 2013).
4.4 Verbreitung im Stadtgebiet
Um die Verbreitungsdynamik der Pseudomonas-Rindenkrankheit beurteilen zu können, bedarf es einer detaillierten zeitlichen Erfassung. Die Einträge in den Bemerkungsfeldern des Baumkatasters lassen sich über die Historienverwaltung jährlich nachvollziehen. Zweifellos ist ein exponentieller Anstieg der Einträge zur Pseudomonas-Rindenkrankheit im Baumkataster seit 2013 festzustellen (Abbildung 9). Aus dem Jahr 2007 konnten lediglich die Ergebnisse der ersten Reihenuntersuchung und die zwei Befunde vom Institut für Baumpflege im Bezirk Altona zurückverfolgt werden. Auch aus den Jahren 2008 bis 2013 sind nur wenige Einträge im Baumkataster vorhanden, weshalb diese Jahre nicht dargestellt werden. Das unterstreicht die Bedeutung der Arbeit der Mitarbeiter*innen der Baumkontrolle, deren Aufgabe es ist, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und den Zustand der Bäume gerichtsfest zu dokumentieren (FLL 2010).
Im Gegensatz zur Komplexerkrankung führt die Symptomatik der bakteriellen Infektion nicht zwingend zu einem verkehrsgefährdenden Zustand der Bäume; zumindest solange nicht, wie der Baum vital ist und keine weiteren Schaderreger auftreten (DUJESIEFKEN et al. 2008). Da das Bakterium bereits 2007 weiträumig im Stadtgebiet nachgewiesen wurde, aber nicht zwingend Konsequenzen für die Baumkontrolle ergab, ist der exponentielle Anstieg der Einträge seit 2013 zwar ein mögliches Indiz für das plötzliche Auftreten in den unterschiedlichen Regionen und könnte mit der Ausbreitung des Bakteriums zusammenhängen, aber auch eine verspätete Wahrnehmung in der