Jahrbuch der Baumpflege 2020. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биология
Год издания: 0
isbn: 9783878152729
Скачать книгу
alt=""/>

       Abbildung 2: Eine frische sowie zahlreiche ältere typische P. syringae pv. aesculi - Leckstellen

      Im Winter 2011/2012 wurde ein neues Krankheitsbild beobachtet, das mit einer Folgeinfektion durch Sekundärerreger einhergeht (GAISER 2012). Diese Komplexkrankheit mündet überwiegend in Fällungen der massiv geschädigten oder abgestorbenen Rosskastanien und wird in Hamburg seit 2013 verstärkt beobachtet. Neben den schwärzlichbraunen Leckstellen wurden in den Wintermonaten zahlreiche fruktifizierende, holzzersetzende Pilze ausgemacht (GAISER et al. 2013). Dieses zuvor unbekannte Schadbild an der Rosskastanie macht die neuartige Komplexkrankheit aus und die Pilze sind als Hauptverursacher des Komplexschadens einzustufen (MÜLLER-NAVARRA et al. 2014). Das Schadbild wurde anfänglich nur bei A. carnea beobachtet, aber es ist inzwischen auch bei A. hippocastanum weit verbreitet, wenn auch in geringerem Ausmaß. Vitale Weißblühende Rosskastanien scheinen die Bakterien-Nekrosen besser eingrenzen zu können als die Rotblühenden (GAISER & DUJESIEFKEN 2012). Zahlreiche Pilzfruchtkörper, am Stamm oder im Kronenbereich, signalisieren eine fortgeschrittene Weißfäule. (Abbildung 3)

      Häufig vorgefundene Sekundärerreger sind der Austernseitling (Pleurotus ostreatus), der Samtfußrübling (Flammulina velutipes), der violette Knorpelschichtpilz (Chondrostereum purpureum) oder der runzelige Schichtpilz (Stereum rugosum), seltener der Krause Adernzähling (Pilcatura crispa), der Hallimasch (Armillaria spp.) oder der Fleischrote Gallertbecher (Ascocoryne sarcoides) (DUJESIEFKEN et al. 2016). In der Regel sind es mindestens zwei oder drei unterschiedliche Pilzarten, die zur selben Zeit oder aufeinanderfolgend fruktifizieren (GAISER et al. 2013; DUJESIEFKEN 2018).

       3 Material und Methoden

      Das digitale Baumkataster (BK) ist das zentrale Steuerungsinstrument des Hamburger Stadtbaummanagements und unterstützt die vorgeschriebenen Baumkontrollen zur Verkehrssicherheit und die gerichtsfeste Dokumentation. Neben dem Einsatz in der Baumkontrolle und Baumpflege ermöglicht das Baumkataster die statistische Auswertung der großen Datenmenge des Hamburger Baumbestandes (DOOBE 2008).

      Untersuchungsgegenstand sind in diesem Fall die im Baumkataster als Einzelbaum erfassten Rosskastanien. Werden an ihnen während der bezirklichen Baumkontrolle Symptome der Pseudomonas-Rindenkrankheit erkannt, trägt der Kontrolleur das Kürzel ‚pseudo‘ mit fortlaufender Jahresangabe, beginnend beim Erstverdacht, in das Bemerkungsfeld des Baumkatasters ein. Diese qualitativ und quantitativ erfassten Baumkataster-Einträge sind die Grundlage der Untersuchung. Ausgewertet wurden alle Datensätze ab 2007. Um die Befallsdynamik der Pseudomonas-Rindenkrankheit über das gesamte Stadtgebiet Hamburgs abzubilden, wurden zudem verschiedene Sach- und Geodaten aufbereitet und verknüpft. Der Datenbestand der sieben Hamburger Bezirke wird jährlich in der Fachbehörde zusammengeführt. Zudem melden die Bezirksdienststellen aktuelle Verdachtsbäume und Fällungen. Diese Daten werden mit den Einträgen im Baumkataster abgeglichen und ggf. ergänzt. Die Ergebnisse der zurückliegenden Reihenuntersuchungen der Jahre 2007, 2014 und 2018 wurden ebenfalls berücksichtigt. Die Geodatenbank mit den Raum- und Sachdaten zur Pseudomonas-Rindenkrankheit enthält rund 40 Attributspalten mit den Stammdaten des Baumes, Bemerkungsfeldeinträgen, Ausfluss, Auftreten von Pilzen, Rissen, Erstverdacht, Fällung etc.

       Abbildung 3: Pilzfruchtkörper des Samtfußrüblings (Flammulina velutipes) und des Rötenden Runzel-Schichtpilzes (Stereum rugosum) an einer Rotblühenden Rosskastanie (A. carnea)

      Die Auswertung der großen Datenmenge, bis zu 9.300 Rosskastanien pro Jahresdatensatz, erfolgte über SQL-Abfragen (Structure Query Language) in einem Geoinformationssystem (GIS) (EHLERS & SCHIEWE 2012). Die Weiterverarbeitung und visuelle Informationsgenerierung der statistischen Inhalte erfolgte über räumliche Analysemethoden im GIS (ZIMMERMANN-JANSCHNITZ 2014). Die Ergebnisse werden in thematischen Karten durch Interpolationen (Inverse Distance Weighted (IDW)/Kriging), Hot-Spot-Analysen (Getis-Ord Gi*-Statistik) und Kerndichteberechnungen (Kernel-Density) dargestellt.

      Die Probeentnahme der untersuchten Rosskastanien 2018 wurde wie bei KEHR et al. (2010) beschrieben durchgeführt. Die Entnahme des Probenmaterials erfolgte lediglich im oberen Phloem und es wurde nicht bis zum Splintholz vorgedrungen, um die natürliche Selbstheilung zu unterstützen (DUJESIEFKEN & LIESE 2008). Die Gesamt-DNA-Extraktion erfolgte aus dem Übergangsbereich zwischen gesundem und befallenem Rindengewebe, bei dem die Aktivität der Erreger am höchsten ist (KEHR 2010; WERRES 2011). Die DNA-Isolation wurde mittels DNeasy Plant Mini Kit (Qiagen) durchgeführt. Der molekularbiologische Nachweis von Pseudomonas syringae pv. aesculi erfolgte durch Amplifikation der partiellen Gyrase B Sequenz mit den Primerpaaren G1/G2 (SCHMIDT et al. 2008) und G5/G6 (SCHMIDT et al. 2009).

      Der Nachweis einer Phytophthora spp.-Infektion erfolgte mit dem Primerpaar YPh1F/YPh2R aus dem rasbezogenen Proteingen (Exon 3 und Exon 6), entwickelt für die Detektion von ca. 15 gehölzgefährdenden Phytophthora-Arten (SCHENA et al. 2007). Die PCR wurde für beide Krankheitserreger nach dem gleichen Schema durchgeführt, wobei lediglich das Annealing geändert und die finale Elongation um fünf Minuten erhöht wurde. Die Baumstandorte wurden über das Stadtgebiet verteilt aus der Verdachtsbaumdatenbank ausgewählt und beide Krankheitserreger aus einer Probenteilmenge detektiert (MELZER et al. 2019).

       4 Ergebnisse und Diskussion

       4.1 Der Hamburger Rosskastanienbestand

      Der Hamburger Rosskastanienbestand wird durch die Arten A. hippocastanum (rd. 80 %) und A. carnea (rd. 18 %) bestimmt. Die übrigen Arten machen, in Relation zum erfassten Gesamtbestand, nur einen geringen Anteil aus. Die Sorte A. carnea ‚Briotii‘ umfasst ca. 35 % der rotblühenden Art und die weißblühende Rosskastanie ist mit ca. 90 % durch die gemeine Rosskastanie A. hippocastanum vertreten. Die gefülltblühende Sorte ‘Baumannii’ macht knapp 10 % aus. Die Rosskastanien verteilen sich im gesamten Stadtgebiet, aber zentrieren sich quantitativ im Zentrum der Stadt.

      Als Hilfsmittel für die Festlegung der Kontrollintervalle werden von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) Bäume hinsichtlich ihrer Standzeit in drei Entwicklungsphasen unterteilt. Die Jugendphase beginnt mit der Pflanzung am Standort und erstreckt sich über 15 Jahre. Die Reifephase endet je nach Baumart nach 50 bis 80 Jahren Standzeit und geht anschließend in die Alterungsphase über (FLL 2010). Die Altersklassifizierung der erfassten Rosskastanien erfolgte nach diesem Modell. Die Bäume wurden in die Jugendphase, die erste Reifephase (bis 40 Jahre Standzeit), die zweite Reifephase (bis 80 Jahre Standzeit) und in die Alterungsphase (> 80 Jahre Standzeit) eingeteilt.

      Ca. 10 % der Hamburger Rosskastanien befinden sich in der Jugendphase und ca. 50 % in der Reifephase, wobei 24 % auf die erste Reifephase entfallen. Die Alterungsphase umfasst weitere 30 %. Bei den fehlenden 10 % ist kein Eintrag zum Pflanzjahr dokumentiert. Diese Rosskastanien sind zum Großteil im Kataster erfasste Privatbäume (Grenzbäume) oder stehen in Grünanlagen. Die schwarzen Punkte auf der Hauptkarte (Abbildung 4) zeigen die genauen Baumstandorte. Die Interpolation der Standzeit ist in acht Klassen unterteilt. An Straßen mit einem erhöhten Altbaumbestand stehen in der Regel auch junge Rosskastanien oder umgekehrt. Diese haben aufgrund der geringeren Anzahl bei der Interpolation eine geringere Gewichtung. Die räumliche Interpolation der Standzeit ist daher keine exakte Darstellung der Realität, sondern bildet diese nur angenähert ab und ist, wie bei Modellen üblich, eine idealisierende Abstraktion der Realität, die von den Merkmalen der Attribute abhängt (BÖHNER 2011). Die drei Karten in der Abbildung 4 zeigen