* Reduzierte Größen werden in Abschnitt 1.2.2 definiert.
Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir den Gültigkeitsbereich der Gleichung untersuchen. Dazu vergleichen wir die Isothermen, die man daraus auf theoretischem Wege erhält, mit den experimentellen Isothermen aus Abb. 1-15. Die berechneten Isothermen in Abb. 1-19 und Abb. 1-20 geben die experimentellen Werte recht gut wieder, wenn man von den Oszillationen unterhalb der kritischen Temperatur absieht. Diese Schwankungen – auch Van-der-Waals-Schleifen genannt – entsprechen nicht dem realen Verhalten, denn ihnen zufolge müsste in einem bestimmten Bereich eine Druckerhöhung zu einer Vergrößerung des Volumens führen. Sie wurden deshalb so durch horizontale Linien ersetzt, dass sich zwischen Kurve und Linie oberhalb und unterhalb der Verbindung gleiche Flächen ergeben, eine Methode, die von Maxwell eingeführt wurde (die so genannte Maxwell-Konstruktion,siehe (3)). Durch Anpassung der berechneten Kurve an die experimentellen Daten mittels Regressionsrechnung erhält man die Van-der-Waals-Koeffizienten (siehe Tabelle 1-6).
Abb. 1-19 Flächen von Zuständen, die die Van-der-Waals-Gleichung zulässt. Man vergleiche mit den Flächen in Abb. 1-8.
Die wichtigsten Eigenschaften der Van-der-Waals-Gleichung können wie folgt zusammengefasst werden:
1 Bei hohen Temperaturen und großen molaren Volumina erhält man die Isothermen des idealen Gases.
Bei hohen Temperaturen wird RT so groß, dass der erste Term in Gl. (1-21b) bei weitem über den zweiten dominiert. Weiterhin ist für großes Molvolumen (Vm ≫ b) der Nenner Vm – b ≈ Vm. Die Gleichung geht so in die Zustandsgleichung des idealen Gases über, p = RT/ Vm.
1 Wenn sich abstoßende und anziehende Kräfte ausgleichen, existieren Flüssigkeit und Gas gleichzeitig.
Wenn beide Terme in Gl. (1-21b) ähnlich groß sind, entstehen die Van-der-Waals-Schleifen; dabei gibt der erste Term die kinetische Energie der Moleküle und die abstoßenden Wechselwirkungen, der zweite die Anziehungskräfte wieder.
1 Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen kritischen Größen und Van-der-Waals-Koeffizienten.
Bei T < Tkrit findet man die Schwankungen in den berechneten Isothermen, sodass je ein Minimum und ein Maximum entsteht. Diese Extrema nähern sich für T →Tkrit aneinander an und fallen schließlich bei T = Tkrit in einem Punkt zusammen. Am kritischen Punkt hat die Kurve eine Krümmung von null (horizontaler Wendepunkt, siehe (4)). Ein derartiges Verhalten einer Kurve entsteht, wie wir wissen, wenn sowohl die erste als auch die zweite Ableitung null sind. Daher können wir die kritischen Größen bestimmen, indem wir dieser Ableitungen berechnen und am kritischen Punkt null setzen:
Abb. 1-20 Van-der-Waals-Isothermen für verschiedene Werte von T/ Tkrit;man vergleiche mit Abb. 1-15. Die Van-der-Waals-Schleifen werden in der Regel durch horizontale Linien ersetzt. Für die kritische Isotherme gilt T/Tkrit = 1.
Die Lösungen sind
Interaktive Übung: Berechnen Sie das Molvolumen von Chlorgas mithilfe der Van-der-Waals-Gleichung bei 250 K und 150kPa. Wiegroß istdieprozentuale Abweichung des Ergebnisses von der Vorhersage der Zustandsgleichung des idealen Gases?
wobei wir pkrit mithilfe von Gl. (1-21b) aus Vkrit und Tkrit berechnet haben. Diese Beziehungen eröffnen einen alternativen Weg zur Berechnung der Werte von a und b aus den Werten der kritischen Konstanten. Wir überprüfen ihre Richtigkeit anhand der Tatsache, dass mit ihrer Verwendung derselbe kritische Kompressionsfaktor Zkrit für alle Gase vorausgesagt wird:
(1-23)
Beim Vergleich mit Tabelle 1-5 sieht man, dass Zkrit zwar kleiner als
Das Prinzip der übereinstimmenden Zustände
Für den Vergleich der Eigenschaften verschiedener Objekte ist es in der Wissenschaft oft nützlich, eine für alle Objekte relevante fundamentale Größe auszuwählen und auf ihr eine relative Skala aufzubauen. Da die kritischen Größen für die einzelnen Gase charakteristisch sind, ist es sinnvoll, sie als Einheiten zu verwenden. Wir führen reduzierte Variablen ein, indem wir die jeweilige Variable durch die entsprechende kritische Größe teilen:
[1-24]
Wenn der reduzierte Druck für ein Gas gegeben ist, lässt sich sein wirklicher Druck leicht aus p = pr pkrit berechnen; dies gilt analog für Volumen und Temperatur. Van der Waals, der die reduzierten Größen erstmals einführte, erwartete für Gase mit gleicher reduzierter Temperatur und gleichem reduzierten Volumen auch gleichen reduzierten Druck – eine Vermutung, die tatsächlich weitgehend zutrifft. Abbildung 1-21 zeigt die Abhängigkeit des Kompressionsfaktors Z vom reduzierten Druck für verschiedene Gase und verschiedene reduzierte Temperaturen. Der Erfolg der Methode ist deutlich: Man vergleiche Abb. 1-21 mit Abb. 1-14, die ähnliche Daten ohne die Verwendung von reduzierten