Bis 1990 fanden fünf weitere gezielte Morde statt, im Juli 1986 an Siemens-Vorstandsmitglied Karl Heinz Beckurts und seinem Fahrer Eckhard Groppler, im Oktober 1986 an Gerold von Braunmühl, Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt, im November 1989 am Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen. Dagegen scheiterten Anschläge 1988 auf den Finanzstaatssekretär Hans Tietmeyer und 1990 auf den Staatssekretär im Bundesinnenministerium Hans Neusel.
Am 1. April 1991 schließlich wurde der Vorsitzende der Treuhandanstalt Detlev Karsten Rohwedder das letzte Opfer eines Mordanschlags der RAF. Im März 1998 verfasst die RAF ihre Auflösungserklärung und stellt fest, dass die „Stadtguerilla in Form der RAF [...] nun Geschichte“[3] ist.
Die Telefonzelle
Öffentliche Münztelefonzellen wurden zunehmend unrentabel, da die Betriebskosten für die 1984 in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen ca. 130.000 Telefonzellen die Einnahmen von jährlich rund 250 Millionen DM überstiegen. Damals waren noch rund 2,3 Millionen Haushalte in Deutschland auf Telefonzellen angewiesen. Ende 2015 gab es nur noch insgesamt ca. 27.000 öffentliche Telefonzellen.
Das Symbol Telefonzelle (vgl. im Roman Auerhaus Seite K 46 f./A 66) verweist auf die besondere Kommunikationssituation der Bewohner des Auerhauses in den frühen 80er Jahren: sie besaßen kein Smartphone, keinen Computer mit Internetanschluss, kein Festnetztelefon im Haus, vermutlich auch keinen Fernsehapparat. Deshalb spielt die direkte Kommunikation auch eine sehr große Rolle: man redet miteinander!
Weitere Ereignisse in der Jahren 1982–1986
JAHR | EREIGNIS |
1982 | Helmut Kohl wird deutscher Bundeskanzler (1. Oktober) |
1983 | Die Wochenzeitschrift „Stern“ veröffentlicht gefälschte Hitler-Tagebücher Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses Vorgezogene Bundestagswahl im März; mit 5,6 Prozent Stimmen und 27 Abgeordneten ziehen „Die Grünen“ erstmals in den Deutschen Bundestag ein Erste sog. „Chaostage“ in Hannover: als Chaostage werden forthin Treffen von Punks in verschiedenen Städten bezeichnet, die mit Aufrufen zu Gewalt und Zerstörung im Vorfeld und großer medialer Aufmerksamkeit einhergehen[4] |
1984 | Richard von Weizsäcker wird Bundespräsident Die Hungerkatastrophe in Äthiopien bewirkt eine Welle der Hilfsbereitschaft |
1985 | Rede von Richard von Weizsäcker zum 40-jährigen Ende des Zweiten Weltkriegs Michail Gorbatschow wird Generalsekretär der KPdSU; in den folgenden Jahren werden in der Sowjetunion Wandlungsprozesse eingeleitet, die unter den Schlagwörtern Perestroika und Glasnost bekannt werden |
1986 | Nach einer Attentatsserie von Libyern, unter anderem auf die West-Berliner Diskothek La Belle, verhängen die USA ein Wirtschaftsembargo gegen das nordafrikanische Land und fliegen Luftangriffe auf Tripolis und Bengasi Atomreaktor-Katastrophe in Tschernobyl (26. April) Großdemonstration gegen Raketenstationierung im Hunsrück |
2.3 | Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken |
Werkübersicht
2004 | Howyadoin (Kurzgeschichte) |
2008 | Deadline (Roman) |
2015 | Auerhaus (Roman) |
2016 | Die Modernisierung meiner Mutter (Geschichten) |
Preise und Auszeichnungen
1975 | Lobende Erwähnung beim Lego-Wettbewerb der Kreissparkasse Göppingen |
1996 | Gewinner beim „Theodor W. Adorno-Ähnlichkeitswettbewerb“ der Zeitschrift „Titanic“ (zusammen mit Horst Evers) |
2000 | Kleinkunstgral „Goldener Schoppen“ |
2001 | Klagenfurter Literaturkurs |
2002 | Deutscher Kabarettpreis (Programmpreis) für die Kabarettgruppe Mittwochsfazit |
2004 | Gewinner des MDR-Literaturpreises für Howyadoin |
Erläuterungen zu einzelnen Werken
Die Kurzgeschichte Howyadoin (2004) erzählt von „German Hermans“ Abenteuer auf einem amerikanischen Campingplatz nahe einer Eisenbahnlinie und eines US-Bundesgefängnisses.
Der Roman Deadline (2008) ist zurzeit vergriffen, das Hörbuch ist noch lieferbar. Auszüge erschienen in der Literaturzeitschrift „Akzente“ und in der Wochenzeitung „Jungle World“.
Der Roman hat 143 Seiten. Das Hörbuch (mp3-CD bei Silberblick-Musik erschienen) hat eine Laufzeit von etwas mehr als vier Stunden: es enthält zum einen den ganzen Roman, gelesen vom Autor; dazwischen sind kurze Musiken von Andreas Albrecht eingeblendet.
Hauptperson des ziemlich schwer verständlichen Romans ist Paula, eine Übersetzerin von Beruf, „die stets die ‚Deadline‘ für ihre Texte, im von Donuts dick gewordenen Nacken“ hat –, „sie erweist sich als eine präzise Seziererin, die Dinge genau und technisch korrekt benennt“[5]. Weitere handelnde Personen sind ihre Mutter, einst Arbeiterin in der Modelleisenbahnfabrik, dazu eine Schwester, zwei Neffen und ein Schwager. Ort der „Handlung“ ist die Schwäbische Alb, ein Kinderzimmer, verschiedene Dorfrandsiedlungen, eine steil ansteigende Straße.
„Es geht in dem Buch um Amerikaner und Deutsche, um den Tod, um Selbstmord und das Leben, um Erinnerungen und Familiengeschichten, um Stehen und Liegen von Koffern, Häusern, Straßen, Steinen und Menschen, um ‚dieses Zusammen von senkrecht und waagrecht, Fassade und Gehweg‘“[6]. Der Anfang des Romans ist im Kapitel 5 Materialien in dieser Erläuterung wiedergegeben.
Der Band Die Modernisierung meiner Mutter (2016) enthält Geschichten über die schwäbische Heimat, Berlin und Amerika. Man findet Vermischtes aus den letzten 20 Jahren, in denen Bjerg vor allem auf kultigen Lesebühnen reüssierte. Es sind auf 150 Seiten 22 Geschichten und acht Mini-Texte versammelt. Die erste Textgruppe enthält Geschichten aus der schwäbischen Dorf-Idylle, zahlreiche Motive wurden in Auerhaus wieder aufgegriffen (z. B. die Mutter als Verkäuferin, der Auschwitz-Apotheker, das Münzalbum des Onkels, die Irren aus der Nervenheilanstalt und die Lust am Ladendiebstahl). Das zweite Kapitel markiert eher Bjergs Zeit in Berlin und seine Nebenverdienste als Fabrikarbeiter oder als Serien-Horoskop-Schreiber. In der dritten Abteilung geht es dann quer durch Deutschland und mit der prämierten Kurzgeschichte Howyadoin sogar in die USA. In der Erzählung von einer Reise zu einer Lesung nach Frankfurt (die aber dann wegen 9/11 2001 abgesagt wird) verrät