Die frühen 80er Jahre, in denen der Roman spielt, sind geprägt durch die Folgen des RAF-Terrorismus in Deutschland, durch die erste Kanzlerschaft von Helmut Kohl und durch die Etablierung der Partei DIE GRÜNEN als neue Fraktion im Deutschen Bundestag.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.
Auerhaus – Entstehung und Quellen:
Der Roman ist im Oktober 2015 im Verlag Blumenbar, einem Imprint des Berliner Aufbau Verlags, erschienen.
Der Verfasser sagt, er habe sich beim Schreiben einfach nur daran erinnern müssen, was er selbst als Abiturient in einer WG erlebt habe. Einzelne Passagen des Romans habe er vor der Veröffentlichung auf Lesebühnen vorgetragen.
Inhalt:
Der Roman besteht aus drei Hauptkapiteln mit sehr unterschiedlicher Länge. Darin wird die Geschichte von sechs Jugendlichen erzählt, die in ihrem letzten Schuljahr in einer Wohngemeinschaft zusammenleben.
Chronologie und Schauplätze:
Der Roman spielt im Zeitraum von etwa einem Jahr (ca. 1982/83) in einem kleinen Dorf auf der schwäbischen Alb. Vier Jugendliche gehen in der nahegelegenen Stadt auf ein Gymnasium und stehen kurz vor dem Abitur, sie ziehen ins Auerhaus, zwei weitere Jugendliche stoßen hinzu. Durch Rückblenden und Vorausschauen werden auch frühere Entwicklungen und die Zukunft der einzelnen Personen thematisiert.
Personen:
Die Hauptpersonen sind
Der Ich-Erzähler:
Nachname: Höppner
zwischen 18 und 19 Jahre alt
besucht die Abschlussklasse (= 13. Jahrgangsstufe) des Gymnasiums
jobbt neben der Schule auf einer Hühnerfarm
lebt am Anfang noch mit seinen zwei jüngeren Schwestern bei seiner Mutter und deren Freund
fühlt sich für seinen suizidgefährdeten Freund Frieder verantwortlich
scheitert wegen eines fehlenden Punktes beim Abitur und versagt dann bei der anstehenden mündlichen Prüfung
um der Einberufung zur Bundeswehr zu entgehen, verlegt er seinen Wohnsitz später nach West-Berlin
Frieder Wittlinger:
zwischen 18 und 19 Jahre alt
besucht die Abschlussklasse (= 13. Jahrgangsstufe) des Gymnasiums
hat mit den Schlaftabletten seiner Mutter und mit zwei Liter griechischem Wein einen Selbstmordversuch unternommen, wurde aber von seinem Vater im letzten Moment noch aufgefunden
zieht als therapeutische Maßnahme in die Wohngemeinschaft
macht nach dem Abitur eine Lehre als Fahrradmechaniker
begeht dann doch noch „erfolgreich“ Selbstmord
hochbegabt, aber unfähig zur Anpassung an gesellschaftliche Normen
ein tendenziell anarchischer Typ, der immer hart an der Illegalität agiert
Vera:
zwischen 18 und 19 Jahre alt
besucht die Abschlussklasse (= 13. Jahrgangsstufe) des Gymnasiums
befreundet mit dem Ich-Erzähler
entschließt sich zur Teilnahme an der Wohngemeinschaft
Cäcilia Schreiner:
zwischen 18 und 19 Jahre alt
besucht die Abschlussklasse (= 13. Jahrgangsstufe) des Gymnasiums
schließt sich aus sozialer Verantwortung der Wohngemeinschaft an
ist aber die erste, die sich aus der Gemeinschaft des Auerhauses wieder löst, weil sie wohl befürchtet, dass der schlechte Ruf ihrer Mitbewohner ihre berufliche Karriere gefährden könnte
Pauline:
zusammen mit Frieder Insassin der Nervenheilanstalt
dort ist sie wegen Brandstiftung eingeliefert worden
wird später auch Mitglied der Wohngemeinschaft
muss am Ende für zehn Jahre ins Gefängnis wegen einer Brandstiftung mit Todesfolge
Harry (Harald Calabrese):
Elektrikerlehrling aus Stuttgart
weil er sich als schwul outet, wird er von seinem Vater verprügelt
wird später auch Mitglied der Wohngemeinschaft
verdient in der Stadt nebenbei Geld als Strichjunge und als Drogendealer
Stil und Sprache:
Der Roman verwendet durchgehend die Ich-Erzählhaltung. Daraus folgt fast zwangsläufig, dass beide möglichen Erzählperspektiven vorhanden sind: die Außensicht und die Innensicht. Der Standort des Erzählers ist mitten im Geschehen, dennoch hat er nur eine begrenzte Sicht auf die Dinge. Dies hängt auch damit zusammen, dass es sich bei dem Ich-Erzähler um einen ca. 18-jährigen Jugendlichen handelt.
Als sprachliche Darbietungsweisen werden verwendet: der epische Bericht, der Kommentar des Ich-Erzählers, einmontierte Versatzstücke (Zeitungsnachrichten), die direkte Rede und die indirekte Rede.
Die Sprachebene ist – passend zu dem Ich-Erzähler – eine Form der Jugendsprache. Dementsprechend erweist sich der Satzbau im Roman als überwiegend kurzschrittig und parataktisch.
Als Interpretationsansätze bieten sich an:
Die Betrachtung und Deutung der zentralen Dingsymbole im Roman,
der Gattungsbezug des Romans als Adoleszenzroman und der Vergleich mit ähnlichen Werken,
der inhaltliche Schwerpunkt von Auerhaus als ein utopischer Roman über das richtige Leben,
die Frage nach den Gründen für den Selbstmord von Frieder und der Vergleich mit anderen Romanen, die Selbstmorde von Jugendlichen thematisieren,
die Rolle der Musik für die Protagonisten des Romans,
die Beziehung des Romans Auerhaus zu anderen vorkommenden Texten (Intertextualität) und
die Formen der verbalen und nonverbalen Kommunikation im Roman.
2. | Bov Bjerg: Leben und Werk |
Bov Bjerg (* 1965)
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2.1 | Biografie |
JAHR | ORT | EREIGNIS | ALTER |
1965 |
Heiningen, eine Gemeinde im Landkreis Göppingen, Baden-Württemberg, am Fuße der Schwäbischen Alb mit ca. 5000 Einwohnern, ca. 5 km von Göppingen, ca. 50 km von Stuttgart
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