Am Abend wollten er mit mir nach München fahren – zu Pasta & Opera. Er wollte mir einen Freund vorstellen, der eine Musikagentur hatte und in der Musikbranche viele Kontakte pflegte.
Wir waren etwas spät dran: »Schnell, beeil dich«, feuerte mich Fabiano an. Wir rannten die letzten Meter und kamen gerade noch rechtzeitig zu Beginn des Konzertes an. Er stellte mir Saverio vor. Anscheinend hatte Fabiano viel über mich erzählt, denn er zeigte sich sehr interessiert an meinen Projekten.
Das Programm war ganz nett, nichts Überragendes, eben nett. Es traten hauptsächlich Schüler von Saverio auf. Besonders stolz war er auf seinen Countertenor. Fabiano und ich waren jedoch keine besonderen Fans von Countertenören. Ich freute mich, dass wir einen ähnlichen Musikgeschmack hatten.
Es war ein wundervolles Gefühl, mit ihm in ein Konzert zu gehen. Dieser Abend war großartig und ich genoss das Zusammensein mit ihm. Nach dem unterhaltsamen Abend trennten sich unsere Wege leider wieder. Erfüllt von unserem traumhaften Tag fuhr ich nach Hause, Fabiano zurück in sein „Schloss“. Wir telefonierten die ganze Fahrt miteinander.
3. Juli
Heute war mein Auftritt bei Daimler – Klassik am Odeonsplatz. Daimler lud in der Pause des Konzertes seine prominentesten Kunden zu einem „Snack“ ein und ich spielte in der VIP- Lounge. Dort standen nur ein Flügeltürer und ein Steinway Konzertflügel. Bei all den illustren Gästen war ich zu Beginn leicht nervös.
P.: Drück mir die Daumen für heute Abend.
F.: Nicht nur die Daumen! Heute Abend und immer. Aber doch, heute Abend – in besonders – auch F.
20: 16 Uhr
F.: Bravo!!! Bravissimo!!! F.
Vor Schreck fiel ich beinahe von meiner Klavierbank. Fast hatte ich das Gefühl, Fabiano steht an einem der riesengroßen Fenster hinter mir und konnte meinen Auftritt mitverfolgen. Ich drehte mich um. Es standen viele neugierige Leute an der großen Glasscheibe und drückten ihre Nase platt. Aber leider kein Fabiano. Beinahe wäre ich auf ihn reingefallen.
20: 44 Uhr
F.: Beso tu mano24.
P.: Dein Daumen drücken und beso tu mano hat gewirkt – es war unübertroffen! Aber wo bist du? Dein M.isterio25
4. Juli
F.: Hallo! Ich habe eine neue Telefonnr.: …especiel für unsere sms.
Mit ein Kuss.F.
5. Juli
P.: where our hearts meets each other …
F.: … steht unsere Sommerhaus. F.
24 Ich küsse deine Hand.
25 el misterio = das Geheimnis
PAPPENHEIM I
7. Juli
Fabiano lud mich auf sein „Schloss“ in der Nähe von Eichstätt ein. Mit Vergnügen folgte ich seiner Einladung und fuhr kurzentschlossen nach Pappenheim.
Ich war voller Vorfreude. Schmetterlinge wirbelten in meinem Bauch und ich hielt es kaum aus, so neugierig war ich darauf, wie er lebte und wohnte. Es war eine schöne Route. Ich fuhr von der Autobahn ab und nahm die Straße weiter über Land. Die Gegend war reizvoll. Einsame kleine Dörfer mit alten Fachwerkhäusern wechselten sich mit weiten Feldern und Wäldern ab. Fabianos Beschreibung folgend, fuhr ich immer weiter. Nach zweieinhalb Stunden war ich fast angekommen. Aber plötzlich stand ich inmitten von Nichts. Hier gab es nur noch Feld- und Wiesenwege. Nachdem ich eine halbe Stunde im Kreis gefahren war, bemerkte ich, dass ich mich heillos verfahren hatte. Es gab keine Straßenschilder mehr. Mein Handy hatte keinen Empfang. Schnell wurde mir klar, dass ich jetzt doch ein kleines Problem hatte. Die letzte halbe Stunde war mir keine Menschenseele begegnet, die ich hätte fragen können. Was blieb mir anderes übrig, als mich auf meine Intuition zu verlassen. Wie ein perpetuum mobile schickte ich Stoßgebete Richtung Himmel und hoffte bang auf meinen guten Draht nach oben. »Bitte schicke mir ein Zeichen«, murmelte ich mantramäßig vor mich hin. Und tatsächlich, da kam ein Zeichen in Form eines vergilbten Wegweisers. Nach ein paar weiteren Runden entdeckte ich glücklicherweise die Straße, die zum Schloss führte. Nach gut drei Stunden kam ich schließlich an. Ich stieg aus, streckte und dehnte mich, um meine Anspannung loszuwerden und meine steifen Gliedmaßen zu lockern. Tief atmete ich die würzige Luft ein.
„Schloss“ ist vielleicht ein klein wenig übertrieben, aber es hört sich so schön romantisch an. Eigentlich war es ein uraltes Gebäude, zu Schloss Pappenheim dazugehörig. Es sah eher wie eine verfallene alte Burg oder ein sehr altes Gutshaus aus. Andrea war verreist oder zu Freunden gezogen. So war nur sein Freund Nori – auch ein Maler – auf dem Schloss anwesend.
Fabiano hatte das Schloss geschmackvoll und zugleich künstlerisch eingerichtet. Es gefiel mir! Er empfing mich strahlend und freute sich sichtlich über meinen Besuch. Nachdem er meine Reisetasche nach oben gebracht hatte, zeigte er mir gleich alle Räumlichkeiten.
Sogar sein allerheiligstes Atelier durfte ich betreten. Ich fühlte mich geehrt und war gleichzeitig auch etwas ehrfürchtig.
Im Atelier nahm ich als erstes den typischen Geruch der Ölfarben wahr. Sofort fühlte ich mich »wie zu Hause«. Alles war vollgestellt mit Hunderten von Farbtöpfen, Pigmenten, Behältern voller Pinsel, Stifte und diverser Malmittel. Die Wände gespickt mit unzähligen Skizzen, Notizen und Karten. Ein angefangenes Bild stand auf der Staffelei. Wir gingen in sein angrenzendes Wohnzimmer und setzten uns auf sein antikes Kanapee. Er zeigte mir zuerst einen Bildband. Aber ich war viel zu nervös, um seinen Erzählungen aufmerksam zuzuhören. Meine erregte Stimmung übertrug sich auf ihn. Er nahm meinen Kopf in seine Hände und küsste mich fordernd. Ich schmolz wie Wachs unter seinen Händen und Küssen. Dann schob er langsam meinen Rock hoch. Er blickte mich intensiv an und wir weihten zuerst einmal sein Kanapee ein. Nori war auch im Haus unterwegs und hätte jeden Moment in das Wohnzimmer kommen können…
Was genau war es, das mich an diesem Mann dermaßen anzog und faszinierte? Fabiano schien es genauso zu gehen. Es war wie eine alte Magie zwischen uns. Er spricht eindeutig meine Seelensprache. An diesem Wochenende fiel mir das besonders stark auf. Irgendetwas, das ich nicht in Worte fassen konnte, berührte mich zutiefst in meiner Seele. Mit ihm fühlt es sich so vertraut an, als hätten wir schon Hunderte von Leben gemeinsam verbracht. Er sah Aspekte in mir, die eigentlich nur ich selbst kannte. Außerdem fühlte ich mich in seiner Gegenwart sehr sinnlich und in meiner Weiblichkeit gesehen. Wir fühlten beide das Gleiche: eine große Erfülltheit.
Nach dem Liebesspiel lagen wir uns noch eine Weile in den Armen. Wir atmeten im gleichen Rhythmus und ließen unseren gemeinsamen Höhepunkt nachwirken. Ich sah ihn bittend an: »Sag mal, könntest du mir behilflich sein, bei der Aussprache von ‚Hijo de la Luna‘? Dieses Lied möchte ich in meinem nächsten Konzert „LA LUNA“© singen.«
»Du solltest dieses Konzertprogramm unbedingt dem Grafen Egloffstein anbieten«, meinte Fabiano eindringlich. »Er ist immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Events und Künstlern.«
»Kannst du mir einen Kontakt zu dem Grafen herstellen«, fragte ich ihn direkt.
»Leider mag mich der Graf nicht besonders. Das beruht allerdings auf Gegenseitigkeit«, meinte Fabiano entschuldigend. »Jetzt lass mal hören, wie ich dir bei der Aussprache helfen kann.«
Die spanische Sprache fiel mir nicht leicht, obwohl ich ihren Klang doch so liebte. Besonders wenn Fabiano mit seiner rauen Stimme sprach, könnte ich ihm ewig lauschen.
Stundenlang saßen wir über dem Text und er verbesserte mich geduldig in meiner Artikulation und Phrasierung. Er half mir, die vielen Silben auf die oft nur wenigen Noten zu verteilen. Immer wieder überraschte mich Fabiano mit seinen außergewöhnlichen Musikkenntnissen.
»Woher weißt du das eigentlich alles?«, fragte ich ihn, und er erzählte mir viele unterhaltsame Geschichten aus seiner Zeit in der Jesuitenschule.
Nachdem wir sehr