Wie bei den meisten Nahtodzeugen waren die Lichterscheinung und der abrollende Lebensfilm die zentralen Erlebnisse im klinischen Tod.
Sein Lebensfilm mit abgerundeten Szenen begann mit dem Unfall und endete mit seiner Geburt bei Kerzenschein in Budapest.
Was Stefan von Jankovich ‒ im Nachhinein ‒ beim Lebensfilm frappierte, war dreierlei:
1. Bei der Bewertung seiner irdischen Gedanken und Handlungen fällte er selbst das Urteil. Er selbst zog die Bilanz ‒ und nicht eine überirdische Instanz.
2. Merkwürdigerweise beurteilte er, vom Lichtwesen gleichsam erleuchtet, nicht nach irdischen religiösen oder gesellschaftlichen Moralgesetzen, sondern nach einem „absoluten“ (kosmischen) Maßstab. Manche sogenannte „gute“ Tat erschien in der „transzendenten“ Selbsterkenntnis negativ (wenn sie egoistischen Hintergedanken entsprungen war). Und manche sogenannte „schlechte“ Tat entpuppte sich im Lichterlebnis als positiv, wenn die Beweggründe uneigennützig gewesen sind und sie von Mitgefühl getragen wurde. Der springende Punkt ist stets die Selbstlosigkeit.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Bibel): das ist, auf das Erdenleben bezogen, die größte Weisheit und der wichtigste Wegweiser, spürte Stefan von Jankovich in der Beurteilung des Lebensfilms.
Gedanken, Worte und Handlungen, die beispielsweise von Hass, Rache, Neid, Machtgier, Habsucht, Eitelkeit oder Stolz ausgehen, verstoßen im Licht der Nahtoderfahrung gegen das Gesetz der Harmonie.
3. Die Verstöße gegen das kosmische Harmoniegesetz verschwanden aber aus dem Bewusstsein, nachdem sie als solche begriffen und bereut worden sind. „Man nimmt nur die guten Noten mit“. Die schlechten werden getilgt. Es folgt keine Strafe für „gefallene Seelen“, keine Rache.
Fassungsloser Retter
Noch lag ‒ während der Lebensfilm des Diplomingenieurs Stefan von Jankovic ablief ‒ sein lebloser Körper am Straßenrand. Das 3 Meter darüber schwebende Bewusstsein des klinisch Toten nahm einen zweiten herbeilaufenden Arzt wahr, schlank und barfuß, Schriftdeutsch sprechend. Der verabreichte ihm eine Adrenalin-Spritze mitten in das Herz.
Im selben Augenblick stürzte Stefan von Jankovich in eine schwarze Tiefe hinunter und schlüpfte mit einem beklemmenden Ruck in seinen Körper zurück, der entsetzlich schmerzte. Er wurde mit Blaulicht und Sirenen-Tatütata in das Spital in Bellinzona gefahren.
Ein paar Tage später besuchte ihn der Lebensretter und war fassungslos, dass ihn das Unfallopfer erkannte, das doch zum Zeitpunkt des Rettungseinsatzes bewusstlos, ja klinisch tot gewesen ist. Die beiden wurden später gute Freunde.
Sobald er dazu gesundheitlich in der Lage war, begann der perfektionistisch veranlagte Jankovich seine Erlebnisse, die er während seines klinischen Todes gehabt hatte, so weit als möglich zu überprüfen und zu verifizieren ‒ mit Hilfe der Zeugen und des ärztlichen Lebensretters sowie der Dokumente (ärztliche Protokolle, Polizeiberichte, Unfallfotos etc.).
Laut Aussage des Arztes betrug sein Herzstillstand 5 ½ bis 6 Minuten.
Die während seines klinischen Todes gemachten Beobachtungen der Lage des Autos und der Position seines leblosen Körpers sowie die Wahrnehmungen der Tätigkeiten, Gespräche und Gedanken von Nothelfern und Schaulustigen entsprachen, soweit sie kontrolliert werden konnten, der Realität.
Mit seinem Buch „Ich war klinisch tot / Der Tod - mein schönstes Erlebnis“* geht es Stefan von Jankovic, wie er im Vorwort schreibt, nicht darum, Unfehlbares zu verkündigen, das geglaubt werden muss. Für ihn ist es allerdings ein Tatsachenbericht. Er hat seinen Alltag und seine Lebensphilosophie fundamental geändert.
* Der klinische Tod tritt ein, wenn Atmung und Herzschlag aufhören und die Gehirnfunktion aussetzt.
** Thanatologe = Sterbeforscher. Thánatos, griechisch: Tod. Thanatologie: Wissenschaft vom Tod und vom Sterben.
* Stefan von Jankovich: „Ich war klinisch tot /Der Tod – mein schönstes Erlebnis“, 9. Auflage, Drei Eichen Verlag, 2011.
Kapitel 2
Herz oder Feder?
Alt-Ägypten
Auf einer ägyptischen Pyramide findet sich der Spruch: „Du stirbst, damit du lebst“. Die Kultur im Pharaonenreich am Nil war betont jenseitsorientiert. Die alten Ägypter glaubten an eine ewige Fortsetzung des Daseins.
Im Moment des Todes verlässt der Ba (die Geistgestalt, vergleichbar am ehesten mit unserer Seele) den Körper. Der Körper muss aber für die Ewigkeit haltbar gemacht werden, denn die unbeschränkt bewegliche, räumlich ungebundene Ba-Seele kehrt im Nachtodleben immer wieder in den Körper zurück. Um nicht zu verwesen, wird also der Leichnam mumifiziert, das heißt künstlich konserviert. So kann sich die freie Ba-Seele regelmäßig mit der Mumie im Grab vereinigen.
Das Grab ist der Treffpunkt zwischen den Lebenden ‒ den Hinterbliebenen ‒ und den Toten. Die Toten bleiben Teil der Familie. Die Ba-Seele des Verstorbenen ist einerseits an den Körper bzw. an die Mumie gebunden, kann sich aber anderseits außerhalb des Grabes frei bewegen und die Welt der Lebenden durchwandeln. Zum Beispiel besucht sie Orte, an denen sie sich zu irdischen Lebzeiten gern aufgehalten hat. Sie kann sogar zu den Sternen fliegen oder mit dem Sonnengott über den Himmel reisen.
Zunächst durchwandern die Verstorbenen bzw. deren als menschenköpfiger Vogel dargestellte Seele (Ba) aber die labyrinthische Unterwelt.
Ba – vergleichbar mit unserer Seele – wird als Vogel mit Menschenkopf dargestellt. Der Ba macht die Persönlichkeit aus
Die Ba-Seele schwebt über der Mumie
Die den Toten als Grabbeigaben mitgegebenen Totenbücher ‒ Jenseitsführer ‒ weisen ihnen den Weg und unterrichten sie mit Tipps und Tricks über das richtige Verhalten in der geheimen, schauerlichen und bedrohlichen Unterwelt. Wenn sie die auf der Reise lauernden existentiellen Gefahren heil überstanden haben, müssen sie sich in der „Halle der Wahrheit“ dem Jenseits-Tribunal mit 42 dämonischen Totenrichtern stellen. Im sogenannten „negativen Sündenbekenntnis“ zählen die Prüflinge litaneiartig auf, was sie alles an Untaten nicht getan haben. Zum Beispiel: dass sie keine Tiere gequält, kein Waisenkind um sein Eigentum geschädigt, keinen Diener bei seinem Herrn verleumdet, kein Getreide gestohlen, die Milch nicht vom Säugling fortgenommen oder das Vieh nicht von der Weide verdrängt haben. Die Unschuldsbeteuerungen sollen das Gericht überzeugen, dass die Kandidaten die im Reich gültigen Lebensregeln und Tabuvorschriften nicht verletzt haben.
Entscheidend beim Totengericht ist letztlich aber die Wägprüfung: das Herz des Verstorbenen (in Altägypten das Organ des Denkens und Fühlens sowie des Gewissens) wird gegen eine Straußenfeder aufgewogen. (Die Feder symbolisiert Maât, die Göttin der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der moralischen Weltordnung).
Der verstorbene Schreiber Ani kniet beim Jenseitsgericht vor dem Totengott Osiris
Verschlungen vom Großen Fresser
Der Große Fresser Ammit lauert
Fällt die Prüfung durch die Gerechtigkeitswaage negativ aus (wenn das – sündenbeladene - Herz schwerer ist als die Feder), wird der frevelhafte Verdammte vom „Großen Fresser“, einem Monster mit Krokodilskopf, Löwenrumpf und Nilpferdunterleib, verschlungen. Das ist die Pforte zur „Hölle“.
Nach