Der Tod – eine Illusion!
Nahtod-Zeugen sind sich sicher: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Nicht die Spur eines Zweifels daran kommt auf. Der Tod hat für sie seinen Schrecken verloren.
Sie haben die Überzeugung gewonnen, dass sie sich noch verändern müssen, bevor sie die Erde endgültig verlassen. Sie werden spiritueller, religiöser. Das äußert sich nicht in häufigerem Kirchenbesuch oder im Zelebrieren frommer Rituale. Der US-Amerikaner Eben Alexander, als Neurochirurg ein „Mann der Wissenschaft“, ist durch sein eigenes Nahtoderlebnis gläubig geworden (sein Buch „Blick in die Ewigkeit“ war nahezu zwei Jahre auf der New-York-Times-Bestsellerliste).
Die Nahtod-Zeugen sehen nach der Reanimierung die Welt mit anderen Augen und verändern sich - zum Teil grundlegend. Sie leben bewusster und dankbarer. Sie werden sensibler und aufgeschlossener. Den Mitmenschen begegnen sie versöhnlicher, nachsichtiger, fürsorglicher, hilfsbereiter, mitfühlender: sozialer mit einem Wort. Überhaupt wächst ihr Mitgefühl gegenüber allen Wesen. Ihre Selbstgerechtigkeit jedoch schrumpft.
„Manche Aspekte des Lebens ‒ teure Autos, ein großes Haus, Erfolg im Beruf ‒ verlieren an Bedeutung. Stattdessen fühlen sich viele tief verbunden mit der Natur …“, erläutert der Kardiologe Pim van Lommel, den wir schon als einen der führenden wissenschaftlichen Nahtod-Experten der Gegenwart vorgestellt haben. Die Nahtod-Zeugen machen alles in allem einen Wertewandel durch.
Die Skeptiker wenden ein:
Okay, die unauslöschlichen subjektiven Erfahrungen mögen die Nah-Toten zu einem Kurswechsel in der Lebenspraxis angespornt haben, ist das aber schon ein schlüssiger ‒ objektiver ‒ Beweis für die Zuverlässigkeit der Nahtod-Berichte? Kurzum: das Nahtod-Thema bleibt für die Skeptiker „Phantasterei von Obskurantisten“.
Keine Hirngespinste
Freilich enthalten Nahtod-Erfahrungen Elemente, die Skeptiker in Verlegenheit bringen. Für tot erklärte Patienten, die reanimiert werden konnten, berichten häufig, dass ihr Bewusstsein den Körper verlassen hat und dass sie sich emporgehoben fühlten und von oben auf ihren Körper blickten. Sie beobachteten dabei die Wiederbelebungsversuche in allen Einzelheiten. Sie schilderten nachher genau, was passiert ist, was wer gesagt, getan und ‒ gedacht (!) hat. Ja, manche spürten sogar die Emotionen oder Gedanken von Operateuren oder Sanitätern. Sogar verborgene Abläufe im Nebenzimmer nahmen sie wahr. Wände und Türen bieten keinen Widerstand.
Die Beobachtungen der „ausleibigen“ Zeugen sind überprüfbar und wurden überprüft ‒ unzählige Male. Es handelt sich also nicht um Hirngespinste.
Ein Beispiel, das der holländische Kardiologe und Nahtod-Forscher Pim van Lommel gerne erzählt: Einem komatösen 44jährigen Mann, dessen Körper schon blau verfärbt war, hat eine Krankenschwester das Gebiss herausgenommen, um den Beatmungsschlauch einzuführen. Als der Herzstillstandspatient nach über einer Woche künstlicher Beatmung auf der Intensivstation aus dem Koma erwachte und in die kardiologische Station zurückgebracht wurde, erkannte er sofort die Pflegerin: „Oh, Sie wissen wo meine Zahnprothese ist. Sie haben sie mir herausgenommen und in die Schublade des Wagens gelegt, auf dem die vielen Flaschen lagen.“
Die „Materialisten“ runzeln die Stirn oder zucken mit den Schultern. Im Erklärungsnotstand bleibt den Skeptikern, die sich dem Spirituellen verweigern, freilich immer noch der Ausweg, darauf zu vertrauen, dass die Wissenschaft irgendwann das Gebiss-Rätsel „vernünftig“ lösen wird. Der Heidelberger Psychiater und Neurologe Michael Schröter-Kunhardt, namhafter Experte für Nahtod-Erfahrungen, kennt aber seine akademische Kollegenschaft: „Die Wissenschaft hat geradezu Angst vor solchen Erfahrungen.“
Energiefeld ohne weißen Bart
Sie haben das Licht am Ende des Tunnels gesehen, die Nahtod-Zeugen. Die Grenzgänger im Vorhof des Todes können gewiss keine letztgültigen Aussagen über das Jenseits treffen. Es ist vielmehr, um mit dem Theologen Werner Thiede zu sprechen, „ein Ahnen und Erspüren, was sein wird; es ist ein Schimmer durch den Vorhang.“
Dennoch: Wer die Nahtod-Zeugen gleichsam als „Todesspione“ betrachtet, die einen Blick über den Zaun werfen durften, frägt sich, was sie über die Nachtod-Wirklichkeit denken.
Zusammengefasst: Höhepunkt ist die Begegnung mit dem Lichtwesen, verbunden mit dem Gefühl der Glückseligkeit. Manche bezeichnen das Lichtwesen als Gott, andere einfach als „etwas Hochheiliges“.
„St. Patricks Fegefeuer“ (Bild): Der hl. Patrick (385-461) bediente sich der Legende nach zur Bekehrung der Iren einer Fegefeuer-Schau. Nahtod-Zeugen erfahren jedenfalls nichts über einen Reinigungsort zur Läuterung der armen Seelen nach dem Tod
Bernard Jakoby, der Berliner Erforscher von Nahtod-Kontakten, glaubt sogar im Namen der Nahtod-Zeugen ein Gottesbild skizzieren zu können: „Gott ist ein unendliches energetisches Feld von Liebe und Allwissenheit. Er hat weder Gestalt noch Geschlecht ‒ und ist eben nicht der alte Mann mit dem weißen Bart.“
Die Nahtod-Zeugen fühlen sich bedingungslos geliebt.
Sie empfinden ihren Seelenflug als Heimkehr: als Rückkehr zum Ursprung. Sie fühlen sich befreit aus der Ichbefangenheit und eingebunden in das Ganze. Sie erleben eine allumfassende Einheit und Verbundenheit.
Das ist kein Verlust des Ich, im Gegenteil: eine Erweiterung, eine Entgrenzung, betonte der Neurologe und Psychiater, Professor und Chefarzt Eckart Wiesenhütter (1919-1995), der selbst Nahtoderfahrungen nach zwei Lungeninfarkten hatte. Wiesenhütter war von den Leitfiguren der Thanatologie Moody und Kübler-Ross unbeeinflusst. Sein Buch „Blick nach drüben/Selbsterfahrungen im Sterben“ war 1974 erschienen, also ein Jahr vor dem Werk Moodys. Er beschreibt die Rückkehr in die Ganzheit bzw. die Wiedervereinigung des Getrennten keineswegs als Auflösung oder Auslöschen der Individualität, sondern als Fort- und Übergehen des Bewusstseins in ein nicht beschreibbares Überbewusstsein.
Die Nahtod-Zeugen erleben „grenzenlose Geborgenheit“.
Von Strafe oder Lohn oder Sühne erfuhren die Menschen, die dem Tod ins Auge gesehen haben, wenig bis nichts. „Während meiner gesamten Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet habe ich nicht den leisesten Hinweis auf die Vorstellungen von Himmel oder Hölle gehört, wie sie in unserer Kultur jedermann geläufig sind“, bekennt Raymond A. Moody, der Pionier der Nahtod-Forschung.
„Der Tod - mein schönstes Erlebnis“
Ein charakteristisches Fallbeispiel:
Stefan von Jankovich (1920-2002), Diplomingenieur, Architekt, Dozent für Städtebau und Raumplanung, Sportler, Hobbymaler, ein in der Schweiz lebender gebürtiger Ungar: aktiv, realistisch, praktisch, auf Leistung ausgerichtet, der Welt zugewandt, religiös gleichgültig, gesund ‒ also ganz und gar nicht vorprogrammiert für Überirdisches und Außersinnliches.
16. September 1964, 13: 10 Uhr, bei Bellinzona in der Schweiz:
Der (damals) 44 Jahre alte Stefan von Jankovich wird als Beifahrer bei einem Frontalzusammenstoß mit einem Lastwagen aus dem Auto geschleudert. 18 Knochenbrüche und jede Menge schwerste Verwundungen. Ohnmächtig liegt er in einer Blutlache. Ein Arzt, der eine Wiederbelebung versucht, kann wegen der gebrochenen Rippen des Unfallopfers keine Herzmassage machen: „Es geht nicht, man kann nichts machen, er ist tot.“
Der klinisch tote Diplomingenieur, dessen Wachbewusstsein erloschen war, konnte aber, zirka 3 Meter über der Unfallstelle schwebend, die Vorgänge und die Gespräche ‒ und sogar Gedanken ‒ von Helfern und Zuschauern wahrnehmen. Er sah hinunter auf seinen „ehemaligen“ Körper und war erheitert, als ihn der Arzt für tot erklärte, wusste er doch, dass er lebte. Er bekam sogar mit, dass der Arzt Berner Deutsch und ein „leicht komisches Italienisch“ sprach. Ein nicht gerade mit Mitgefühl gesegneter