Dummes Denken deutscher Denker. Ulf Heuner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulf Heuner
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783960240303
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auch aus zugefügtem Unrecht hervorgegangen sein kann, normalerweise erwartet sie von solchen Personen also nichts Gutes. Aus diesen Personengruppen rekrutieren sich demnach die »klassischen Täter«, »denen das Böse ins Gesicht geschrieben steht«. Da fragt man sich natürlich, ob Emcke beim Verfassen der Kolumne selbst Drogen konsumiert hat. So einen Unsinn kann doch ein hochbegabter, intelligenter und sympathischer Mensch bei klarem Verstand nicht verzapfen. Doch: »Es mag unpraktisch und verwirrend sein, aber die Bilder von Menschen und die von ihren Vergehen sind nicht unbedingt deckungsgleich. Eine dämonische Tat und die dazugehörigen Täter müssen sich nicht ähneln.« (ebd.) Emcke hat in ihrer Kindheit offenbar zu viele Karl-May- und Edgar-Wallace-Filme geschaut, in denen die Bilder von Menschen und ihren Taten immer deckungsgleich sind und Bösewichtern wie den von Klaus Kinski gespielten das Böse stets bereits ins Gesicht geschrieben steht.

      Handelt es sich bei der Kolumne um ein Missgeschick, bei dem Emcke unfreiwillig preisgibt, was sie über Drogensüchtige, Obdach- und Erfolglose wirklich denkt? Doch sie hat den Text auch noch Jahre nach seiner Erstveröffentlichung auf ihrer persönlichen Homepage verlinkt. Sie steht also nach wie vor zu dem Unsinn, den sie da geschrieben hat. Die Aufteilung in intelligente, begabte und sympathische Menschen, denen man erst mal nichts Böses zutraut, und dumme, erfolglose und unsympathische Menschen, denen auch mal ein Unrecht widerfahren kann, ist allerdings kein verquaster elitärer Ausrutscher im unermüdlichen publizistischen Schaffen Emckes. Der Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer hat Emcke in einer Kolumne »Poverty-Porn« vorgeworfen (vgl. Fleischhauer 2014). Was Emcke hier betreibt, ist allerdings nicht Poverty-Porn, sondern Poverty-Bashing. Unmissverständlicher als in diesem Text kann man seine Verachtung gegenüber Drogensüchtigen, Obdachlosen oder einfach nur erfolglosen oder gar mühsamen Menschen nicht ausdrücken. Emcke diffamiert hier genau die Personengruppen, gegen deren Diffamierung sie sich sonst so stark einsetzt. Ganze Personengruppen wie Obdachlose oder Drogensüchtige mit Attributen wie »keineswegs sympathisch«, »liederliche Gewohnheiten« oder »widerwärtige Eigenschaften« zu assoziieren, stellt eine Diffamierung dar. Festzustellen, dass solche Personen auch Unrecht erleiden können, was bedeutet, dass man von ihnen eher erwartet, Unrechtes zu tun, grenzt im Grunde an Volksverhetzung. Wer meint, es sei unpraktisch und verwirrend, dass eine dämonische Tat und die dazugehörigen Täter sich nicht quasi naturgemäß ähneln, dass also hässliche Taten nicht nur von hässlichen, dummen und erfolglosen Menschen verübt werden, wer Menschen in begabt, intelligent, leistungsstark, sympathisch und demgegenüber in erfolglos, obdachlos, drogensüchtig, querulantisch, mühsam, unsympathisch einteilt, denkt in den gleichen Kategorien wie Thilo Sarrazin, der Menschen stets nach guter und schlechter Qualität sortiert und entsprechend seine Sympathiepunkte verteilt. Die Kolumne Emckes hätte, drei Monate vor der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an sie, einen Skandal auslösen müssen.

      Würde man Emcke mit dem Inhalt ihrer Kolumne konfrontieren, würde sie wahrscheinlich ähnlich wie Sarrazin reagieren und meinen, man habe sie komplett falsch verstanden, eine Diffamierung und Diskriminierung von Personengruppen wie Obdachlosen oder Drogensüchtigen sei eine böswillige Unterstellung, um sie als Autorin zu diskreditieren. Deshalb habe ich das Ganze in etwas redundanter Weise aufgedröselt, damit auch Hochbegabte die entscheidenden Punkte mitbekommen.

      Elitäre Einstellungen offenbart Emcke ebenso in anderen Texten, in denen sie z. B. deutlich macht, dass sie von Alkoholikern nicht viel hält, oder einem Teil der Menschheit schlicht die Fähigkeit abspricht, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Letzteres gilt beispielsweise für mehr als die Hälfte der britischen Wähler, die für den Brexit gestimmt haben. Diese haben Emcke zufolge keine eigenständige politische Entscheidung getroffen, sondern sind allesamt manipulativen Populisten auf den Leim gegangen. In ihrer mit »Torheit« betitelten SZ-Kolumne vom 8. Juli 2016 (Emcke 2016b) wettert sie gegen den Populismus der britischen Politiker Boris Johnson und Nigel Farage. Diesen Populismus belegt sie jedoch keineswegs mit Zitaten, deren populistischen Kern sie dann analytisch freilegen würde, sondern sie bedient sich rhetorischer Mittel, die selbst zum populistischen Repertoire gehören. Es handelt sich durchweg um sogenannte Argumente ad personam, d. h., sie argumentiert gar nicht zur Sache, sondern setzt den Populismus von Farage und Johnson einfach voraus und argumentiert zur Person, was letztlich nur eine Umschreibung von Beleidigung ist. So schreibt sie über Johnson: »Wie es gelingen konnte, dass sich ausgerechnet jemand wie Boris Johnson als Sprecher der einfachen Leute erfindet, ist ein zynisches Lehrstück rhetorischer Manipulation. Mit Johnsons Abgang von der politischen Bühne ist die Unaufrichtigkeit eines sprachmächtigen Egomanen sichtbar geworden, der kaum weniger authentischer sein könnte: Eton-Schüler, Oxford-Absolvent, Brüssel-Korrespondent des Daily Telegraph, aber aus nichts als obszöner Freude an der eigenen Macht gegen eine Elite hetzen, der er selbst angehört.« (ebd.) Dafür, wie Johnson sich als Sprecher der einfachen Leute inszenierte, wird leider kein Beleg gegeben. Nun gehört Emcke als Kolumnistin der Süddeutschen Zeitung, ehemalige Harvard-Studentin, Yale-Dozentin, Auslandskorrespondentin des Spiegel etc. (vgl. https://carolin-emcke.de/zur-person/) selbst zu dem, was man gesellschaftliche Elite nennt. Und als Mitglied der gleichen gesellschaftlichen Elite wie Johnson hat sie sich als Sprecherin der gesellschaftlichen Außenseiter und Marginalisierten erfunden. Emcke auf diesen kleinen performativen Widerspruch aufmerksam zu machen, wäre wohl vergebliche Mühe. Für ihre eigenen Widersprüche und Populismen sind linksliberale Publizisten genauso blind wie rechte Populisten.

      Emckes Kolumne über den Populismus ist selbst ein zynisches Lehrstück rhetorischer Manipulation, in dem sie einen populistischen Anti-Populismus zelebriert, der sich nicht einmal zu schade ist, den vermeintlichen Alkoholismus eines politischen Gegners ins Spiel zu bringen, um diesen zu diskreditieren: »Bei Nigel Farage waren die Mittel der anti-elitären Maskierung als Politiker der Abgehängten und Überflüssigen der Gesellschaft noch erbärmlicher als bei Boris Johnson: Als ehemaliger Privatschüler und Rohstoffhändler in der Londoner City beschränkte sich der verlogene Gestus des ›Ich bin einer von euch‹ primär aufs Bier-Trinken. Allerdings ist notorisches Saufen nicht unbedingt ein Beleg für Volksnähe, sondern womöglich nur schlicht für Alkoholismus.« (ebd.) Auch hier wird kein konkretes Beispiel für die »Hetze« des Populisten gegeben, von der sie in der Kolumne fortwährend spricht. Man muss sich die Hetze wohl ungefähr so vorstellen, wie Emcke hier mit Schaum vor dem Mund gegen Farage und Johnson geifert. Solche rein persönlichen Invektiven sind übrigens nicht unbedingt ein Beispiel dafür, wie man laut Emckes Buch Gegen den Hass ebendiesem begegnen sollte: »Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seine Einladung, sich ihm anzuverwandeln, ausschlägt. Wer dem Hass mit Hass begegnet, hat sich schon verformen lassen, hat sich schon jenen angenähert, von dem die Hassenden wollen, dass man es sei. Dem Hass begegnen lässt sich nur durch das, was dem Hassenden ab­geht: genaues Beobachten, nicht nachlassendes Differenzieren und Selbstzweifel.« (Emcke 2016c, 17 f.) Wenn man sich die wenig differenzierte und von Selbstzweifeln gänzlich ungetrübte Kolumne über den Populismus von Leuten wie Johnson und Farage anschaut, muss man feststellen, dass Emcke die Einladung des Hasses, »sich ihm anzuverwandeln«, selbst doch nicht ausschlagen konnte. Ihre Kolumne zum Populismus von Johnson und Farage ist im selben Jahr wie ihr Buch Gegen den Hass veröffentlicht worden. Man fragt sich, wieso jemandem wie Emcke nicht selbst die riesige Diskrepanz zwischen den hehren Worten zum bedachtsamen und reflektierten Umgang mit Hass in ihrem Buch und ihren Worten voller Hass auf Leute wie Farage und Johnson in ihrer Kolumne auffällt.

      Auch in Emckes SZ-Kolumne »Der Brexit ist eine populistische Farce« vom 17. März 2019 (Emcke 2019) sucht man nach Differenzierung und Selbstzweifeln vergeblich. Dort behauptet sie wiederum, dass es aufseiten der Brexit-Befürworter nur Hetze und Populismus gegeben habe. Brexiteers wie z. B. die Labour-Politikerin Gisela Stuart, welche die Vote-Leave-Kampagne organisiert hat, kommen bei Emcke schlicht nicht vor. Betrachtet Emcke Stuart auch als populistische Hetzerin, oder wird Stuart von Emcke ignoriert, um den Lesern ihrer Kolumne bewusst eine gemäßigte, rational argumentierende Stimme aufseiten der Brexit-Befürworter vorzuenthalten? Dann hätte Emcke selbst genau das praktiziert, was sie dem politischen Prozess des Brexit-Referendums insgesamt zum Vorwurf macht: »Eben das fehlte: die Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, sich mit ausreichend substantiellen Informationen zu versorgen, die politischen Behauptungen auf ihre Rationalität hin zu prüfen, die abstrakten Szenarien