GESTEIGERTER GENUSS:
EAT & ART IM MUSEUM
Kalbsrücken in Nusskruste oder Joghurtmousse auf Erdbeer-Minzragout vertragen sich gut mit amerikanischem Design oder aktueller Videokunst. Viele Ausstellungshäuser und Museen bringen gepflegte Esskultur und Kunsthunger unter einen Hut und bieten vom Brunch über den Lunch bis zum Dinner kombinierte Genüsse an.
Das Kunstmuseum Wolfsburg setzt mit seinem Bistro Walino auf »Eat & Art« mit abendlichem Dinner und Führungen dienstags und freitags um 18.30 Uhr zu den jeweiligen Ausstellungen. (www.kunstmuseum-wolfsburg.de)
Zeitgenössische Kunst macht die Hamburger Kunsthalle mit einem sonntäglichen Brunch (10 – 14 Uhr) und drei stündlichen Führungen dem Publikum mundgerecht. Im Bistro wird beim »Untitled Breakfast« getafelt, durch die jeweiligen Wechselausstellungen in der Galerie der Gegenwart geht es mit wissenschaftlichem Fachpersonal. (www.hamburger-kunsthalle.de)
Wer in Berlin seine Mittagspause kunstorientiert verbringen will, geht mittwochs um 13 Uhr zu den »Lunch Lectures« in die Deutsche Guggenheim Berlin. An die halbstündige Führung schließt sich ein von den Nationalitäten der Künstler inspiriertes kleines Mittagessen an: spanisch bei Antoni Tàpies, kreolisch bei Kara Walker, chinesisch bei Cai Guo-Qiang. (www.deutsche-guggenheim-berlin.de).
Eine Institution ist in Düsseldorf das Café op de Eck. 1991 wurde die frühere Hafenkneipe in die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen am Grabbeplatz verlegt, die inzwischen den Namen K20 trägt. Auch hier sitzt man wieder an einer Ecke und kann entweder im Bistro leger über Kunst plaudern oder an weiß gedeckten Tischen mit Blick in den Hofgarten tafeln. (www.kunstsammlung.de)
Mit zu den beliebtesten Plätzen, ja geradezu Kult ist es, sich während der Messe Art Basel unter den Platanen im Garten oder in einem der verschachtelten Säle des Restaurants Kunsthalle einzufinden. Nicht wegen der Küche etwa, als Treffpunkt ist das Lokal jedoch unerreicht. (www.restaurant-kunsthalle.ch)
Richtig gut speist man dagegen im Tokyo Eat im von Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal erbauten Palais de Tokyo in Paris. Im künstlerischen Zusammenwirken des Architekten Stéphane Maupin und Designern sowie dem Schweizer Künstler Beat Streuli ist ein unverwechselbares Ambiente unter einer hohen Decke entstanden, wo man sich nach dem Kunstgenuss eine französisch-asiatische Fusionsküche munden lässt. Je nach Tagesangebot auch schon einmal eine lackierte Ente mit parfümiertem Reis und einem Salat von Gurken, Ananas und mit frischem Koriander. (www.palaisdetokyo.com)
Im siebten Stock der Tate Modern in London hat man nicht nur einen rasanten Ausblick über die St. Paul’s Kathedrale und die City. Am Ufer der Themse kann man sich vom Frühstück bis abends (donnerstags bis 23 Uhr) vor oder nach dem großen Rundgang durch das ehemalige Kraftwerk stärken. In den beiden anderen Cafés der Kunstfabrik gibt es ein Sandwich oder frisch gepresste Säfte. (www.tate.org.uk/modern/eatanddrink)
Wer der Kunst wegen nach New York reist, besucht auch garantiert das Museum of Modern Art. Wer würde darauf kommen, dort ausgerechnet auf den elsässischen Küchenchef Gabriel Kreuther zu stoßen, dem die New York Times drei Sterne für seine Künste zugeschrieben hat. Die Haute Cuisine hat ihren Preis, schneller, preiswerter und weniger förmlich, aber dennoch appetitanregend sind das Café 2 und Terrace 5. (www.moma.org)
ADRENALINSTOß:
DIE GROßEREIGNISSE
DOCUMENTA, BIENNALE VENEDIG, MANIFESTA ETC.
Manchmal hat man schon den Eindruck, der Kunstbetrieb sei ein einziger großer Wanderzirkus. Aber das Ziehen von Ort zu Ort und von einem Großereignis zum nächsten scheint das Adrenalin zu sein, das die Kunstszene braucht, um auf dem Laufenden und high zu bleiben. Wer versuchen würde, allen rund um den Globus veranstalteten Biennalen zwischen Venedig, Berlin, Lyon, Istanbul, Shanghai, Sydney, Santa Fe, Havanna, Sharja oder Gwangju hinterherzujetten, könnte locker Kunstmeilen-Weltmeister werden.
Wer sich das leisten kann, hat es gut. Um den Überblick zu behalten, ist das aber nicht nötig – globales Dorf hin oder her. Immer noch bieten einige Großereignisse in erreichbarer Nähe die Gelegenheit zu Begegnung und Auseinandersetzung mit neuen oder neu inszenierten künstlerischen Positionen.
Dazu gehört ohne Frage die alle fünf Jahre im Sommer in der nordhessischen Provinz stattfindende »documenta« in Kassel. Auf ihre Geburtsstätte ist das Geschehen längst nicht mehr ausschließlich konzentriert. Der aus Nigeria stammende künstlerische Leiter der 11. Ausgabe der Weltkunst-Schau, Okwui Enwezor, schaltete ihr im Jahr 2002 sogenannte Plattformen intellektueller Diskurse in Afrika, der Südsee, in Wien, Berlin und Indien vor. Der Leiter der 12. Ausgabe im Jahr 2007, der in Berlin gebürtige Wahlwiener Roger M. Buergel, bezog 90 Kunstzeitschriften aus der ganzen Welt zur Erstellung dreier »documenta«-Textsammlungen mit ein. Darin wurde unter anderem die Kernfrage »Ist die Moderne unsere Antike?« aus dem Blickwinkel von Shanghai bis Santiago de Chile, St. Petersburg bis Haifa, Paris, New York und Caracas abgeklopft. Wie weltumspannend in der Chefetage auch gedacht, für die Künstlerauswahl und Vorträge inzwischen auch gereist wird, für 100 Tage ist und bleibt der zentrale Ort des Geschehens als Treffpunkt der internationalen Kunstwelt Kassel.
Diese 1955 von dem Kasseler Kunstprofessor Arnold Bode erfundene und periodisch etablierte, auf inzwischen rund 15.000 Quadratmeter und verschiedene Gebäude und den öffentlichen Raum ausgebreitete Schau zeitgenössischer Kunst aus aller Welt ist Pulsmesser, Anschauungsfeld und bietet Diskussionsstoff ohne Ende. Hier entzünden sich die Debatten im Vorfeld und im Nachhinein über das Woher und Wohin der Kunst, werden Kurskorrekturen vorgenommen und außerdem ein sommerliches 100-Tage-Fest gefeiert. (www.documenta.de)
Nicht ganz so lange muss man auf die Wiederkehr der »Biennale« in Venedig warten. Die älteste, alle zwei Jahre stattfindende und bereits 1895 gegründete Kunstschau lebt vor allem von dem Ambiente der Lagunenstadt. Und weil alle so gerne dorthin fahren, durfte über die vermittelten innovativen Qualitäten von Kunst und Inszenierung gelegentlich hinweggesehen werden.
Wie immer ambitioniert und versiert übernahm der Schweizer Ausstellungsmacher und künstlerische Leiter der inzwischen fast als legendär verklärten »documenta 5« (1972), Harald Szeemann, 1999 und 2001 die Regie in den Giardini. Er überraschte mit Kunst aus China, und das hatte Folgen zugunsten der Akzeptanz der dortigen jungen Künstler. Erstmals im Jahr 2005 zeichneten zwei Frauen verantwortlich, die Spanierinnen María de Corral und Rosa Martínez mit einer eher retrospektiven Schau als Basis für die Zukunft. 2007 war dann zum ersten Mal ein Amerikaner an der Reihe; Robert Storr erfand einen poetischen Titel: »Denken mit den Sinnen – Fühlen mit dem Verstand« und legte auch einen Schwerpunkt auf afrikanische Kunst. Rund um das zentrale, meistens um ein Motto kreisende Ausstellungsgebäude gruppieren sich in der weitläufigen Parkanlage um die 30 »Pavillons« der einzelnen Länder mit jeweils eigenen Kuratoren. Außerdem etablieren sich zunehmend neue Länder – auch ohne festes Dach – in Kirchen, Schulen und Palazzi in der Stadt und auf den Inseln. (www.labiennale.org)
Diese beiden Erfolgs-Säulen im Ausstellungsbetrieb, mit Überraschungen und Enttäuschungen gleichermaßen, fanden und finden immer mehr Nachahmer in Sachen »Biennale«. Sie kommen und gehen, gedeihen und verblühen, und wahrnehmen kann sie in Gänze schon niemand mehr.
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