Zunächst fragen wir nach der Bedeutung des Wortes → Blockbuster. Dabei tritt ein seltsamer Befund zutage: Blockbuster wird so manches genannt, die große Publikumsausstellung der Kunst trägt jedoch erst seit kurzer Zeit diese Bezeichnung.
Sodann verschaffen wir uns einen ersten → Überblick. Wir schauen auf Ausstellungen, die in den letzten Jahren zu großen Publikumsausstellungen der Kunst avancierten, tragen Daten und Zahlen zusammen. Das Resultat: Der Blockbuster ist längst zum gängigen Kunstformat geworden.
In einem nächsten Schritt gliedern wir die Vielzahl der Beispiele mit einer → ersten Typologie. Wichtige Beispiele zeigen, welche Formen der Blockbuster annehmen kann. Gespräche mit den Machern hinter den Erfolgsausstellungen zeigen, wie sehr diese sich in ihren Profilen und Philosophien unterscheiden können.
Schließlich folgt eine → zweite Typologie. Sie bezieht sich nicht auf konkrete Beispiele, sondern versucht vielmehr, wesentliche Elemente zu analysieren, die zu jedem Blockbuster gehören. Von Kunst bis Marketing reicht der Bogen der unterschiedlichen Erfolgsfaktoren des Formats.
Sodann wenden wir uns den Wirkungen der Blockbuster zu und fragen nach der → Perspektive der Besucher. Die finden ihr Vergnügen an einer Kunstausstellung als geschlossener Erlebniswelt, sie genießen die vielfältigen Anlässe zur Kommunikation und zum gemeinschaftlichen Erlebnis, das der Blockbuster bietet. Dies alles gilt es ernst zu nehmen – als Leistung der Großausstellungen jenseits bloßer Kulturwirtschaft.
Im → letzten Kapitel wird gefragt, welche Trends der Blockbuster in Gang gebracht oder zumindest nachhaltig befördert hat. Die großen Publikumsformate verändern das Museum als Institution, den Stellenwert der Kunst und die Erwartungen der Kulturpolitik. Dies wird abschließend in den Blick genommen.
Die Darstellung bezieht sich – aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit – vor allem auf Beispiele aus dem deutschen Sprachraum. Die angeführten Beispiele für Blockbuster-Ausstellungen sind insofern nichts anderes als eben Beispiele – instruktiv, aber nicht ausschließlich repräsentativ für die Spezies der alle Maßstäbe sprengenden Großausstellungen. Auch wenn historische Großausstellungen und kulturgeschichtliche Präsentationen immer wieder zu Blockbustern avanciert sind, so konzentriert sich diese Darstellung doch ganz auf das Segment der Kunstausstellungen.
Definition: Blockbuster – das Wort und seine Bedeutungen
»Blockbuster«: Der Begriff hat im deutschen Sprachraum eine bislang kurze, aber von bezeichnend durchschlagendem Erfolg gekennzeichnete Karriere erlebt. 1998 taucht der Begriff erstmals in einem Lexikon der Trendwörter auf,7 2010 wird das Wort dann schon von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) unter die häufigsten Anglizismen eingereiht, die Deutsche verwenden.8 »Blockbuster: sehr erfolgreicher Kinofilm«, heißt es bei der dpa in lapidarer Kürze. Den »durchschlagenden Erfolg« macht auch das bereits genannte Trendwörterbuch9 zum zentralen Kriterium des Begriffs und knüpft ihn gleichfalls an das Kino. »Bezeichnung für einen Film, der extrem viel Geld einspielt oder von dem man erwartet, dass er es tun wird (nachdem er extrem viel Geld gekostet hat).«10 Aus der Sicht von Filmexperten bemisst sich der Blockbuster am Einsatz großer Budgets und an den Kennzeichen des Investments, das mit Zukunftsprojektionen operiert und hohe Risiken eingeht, um einen Erfolg zu erzielen.
Der Begriff ist damit auf Kultur und Wirtschaft in gleicher Weise bezogen und an das zentrale Kriterium einer unwiderstehlichen Dynamik gekoppelt. Diese Dynamik ist nicht nur im ökonomischen Sinn zu verstehen, sie kennzeichnet auch die Fähigkeit des Wortes, ähnliche Erscheinungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu bezeichnen. 1994 wird – vom Münchener Sender Pro 7 – zum ersten Mal ein Fernsehfilm als »Blockbuster« bezeichnet und so als Ereignis von hoher Anziehungs- und Überzeugungskraft ausgewiesen. In diesen Jahren kommt es auch zur Übertragung des Begriffs auf den Kunstbereich. Daniel Birnbaum, der 2009 die Kunstausstellung der Biennale von Venedig verantworten sollte, spricht im Jahr 2000 schon von der »Blockbuster-Kultur«11 – und das in einem aufschlussreichen Begriffsgefüge. Er verknüpft Besucherzahlen, Event, Festival und Museumsneubau, um diese »Blockbuster-Kultur« zu beschreiben. Birnbaum verbindet mit diesem Bedeutungskomplex die Vorstellung von Turbulenz und Elan, die den Kunstbereich erfasst haben. Nicht ohne Grund geht es in seinem Artikel um grundsätzliche Wandlungen des Rollenverständnisses in der Museumswelt. Dabei war der Begriff »Blockbuster« offenbar erst in diesen Jahren für die Kunstwelt adaptiert worden. Jean-Christophe Ammann, seinerzeit Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst (MMK), verweist zur Erläuterung des Begriffs noch 2006 auf den erfolgreichen Kinofilm, benennt aber zugleich ein sichtbares Indiz, das die Verbindung zur Kunst- und Museumswelt herstellt: »lange Zuschauerschlangen um den Häuserblock herum«.12 Die Kriterien für das schlechthin unüberbietbare Erfolgsformat sind nicht zu übersehen, zugleich aber auch von vornherein mit dem Stigma der Oberflächlichkeit verbunden. Liegt darin der Grund dafür, dass das Wort »Blockbuster« zwar auch in der Kunstwelt längst ganz selbstverständlich verwendet, aber kaum einmal näher reflektiert wird? Die Kunstwissenschaft hat sich mit diesem Format bislang jedenfalls nicht näher beschäftigt.13
Schauen wir nicht allein auf die bereits genannten Befunde, sondern gehen wir noch einen Schritt zurück, um den Bedeutungsumfang der Vokabel »Blockbuster« richtig zu verstehen. Blockbuster ist ein martialisch klingendes Wort – nicht nur im Kontext der Kultur oder gar der Künste. Dass dieses Wort die akustische Qualität eines Knalls aufweist, ist dabei nicht einmal ein phonetischer Zufall. 1984 zitiert John Russell in der International Herald Tribune die Worterklärung des Random House Dictionary.14 Danach bezeichnet »Blockbuster« im Englischen zunächst eine hochexplosive und obendrein schwere Fliegerbombe, geschaffen für ein möglichst großes Ausmaß der Zerstörung. »Block« kann dabei auf die kompakte Form der Bombe ebenso bezogen werden wie auf das, was sie zerstören soll: den Häuserblock, der unter dem enormen Druck der Explosion der Luftmine bersten soll. »Buster« steht im Englischen für den richtigen Kerl, auch den »Alles-Zerstörer«.15 Beide Wortbestandteile haben also mit Kraft und Zerstörung zu tun. Ihre Kopplung wird durch das doppelte »B« auch klanglich zu einem wuchtigen Wort. Der »Blockbuster« klingt wie das, was er meint: maximale Durchschlagskraft. Und schlägt nicht auch manche Blockbuster-Ausstellung in die Kunst- und Kulturszene regelrecht wie ein Sprengkörper ein?
In einem figurativen Sinn überträgt sich das Wort nahtlos auf Kulturformate von hoher Durchsetzungskraft. Danach steht der »Blockbuster« zunächst einmal schlicht für einen Verkaufsknüller. Und das in vielen Bereichen: vom Kino über die Kunst bis hin zum Buchmarkt. Mit der Schrecken erregenden Definition des Wortes als Bombe hat diese Bedeutung immerhin den Aspekt des größtmöglichen Effekts gemeinsam. »Blockbuster« erscheint unmittelbar als Bezeichnung einer extremen Effizienz, als Inbegriff maximalen Wirkungsgrads.
Das Wort finden wir als Bezeichnung für Beststeller auf dem Buchmarkt. Oder als Bezeichnung für ein Medikament, das pro Jahr einen Umsatz von mindestens einer Milliarde Dollar erzielt.16 Auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen erscheint die Vokabel »Blockbuster« ganz geläufig in diesem Sinn. Definitionsfragen stellen sich in diesem Kontext also kaum, da eine objektiv zu benennende Zahl schon ausreicht, um von einem »Blockbuster« sprechen zu können.
Wichtiger als die Verwendung des Wortes in der Verlagsbranche oder in der pharmazeutischen Industrie, ist sein Erscheinen im Filmgeschäft. Von dorther entfaltet der »Blockbuster« seinen Vorbildcharakter für die Kultur- und Kunstwelt. Ob der ästhetische Code des globalen Massengeschmacks, das hohe Marketingbudget oder der Fortsetzungscharakter und die immensen Erlöse: Die Kinoindustrie hat das Profil des Kultur-Blockbusters mit scharfen Konturen versehen. Alle anderen Bereiche der Kunst und Kultur leiten