»Du willst damit also sagen, dass Kolja deshalb Magie anwenden kann, weil dein Blut in seinen Adern fließt?«
»Ist nur so eine Vermutung. Könnte aber was dran sein, oder?«
Marzena und Adrian tauschen einen Blick.
»Jaaaa«, sagt sie schließlich langsam, »das könnte tatsächlich Sinn machen. Die Frage wäre nur, wieso das dann bei den anderen Männern nicht klappt.« Sie tätschelt ihren mittlerweile schon recht runden Bauch. »Die haben ja schließlich im Mutterleib auch das Blut einer Frau bekommen.«
Sie lächelt. »Ha, aber ohne Magie! Das könnte der springende Punkt sein: Sobald eine Frau schwanger ist, kann sich ihre Magie nicht erneuern! Während der gesamten Schwangerschaft nicht. Als du Kolja adoptiert hast, hattest du aber noch Magie, nicht wahr?«
»Genau. Sie war gefesselt, aber vorhanden. Sonst hätten wir ja auch keine Magiemuster anlegen können.«
Einen Moment lang hängen wir alle unseren Gedanken nach. Gut, bis auf Gero vielleicht, der einfach nur dumm aus der Wäsche guckt.
Ich lächele ihn an. »Nur, damit auch du das jetzt verstehst, lieber Gero-Spatz: Mein Blut nützt dir jetzt also nichts mehr! Keine Magie, kein Nutzen. Kannst also aufhören, davon zu träumen, mich mit deinem Kartoffelmesser zu piksen!«
Bevor der Rebell etwas erwidern kann, tritt Marzena vor mich hin und umarmt mich dann zu meiner Verblüffung.
»Helena, du bist genial!«
Ich mache mich stocksteif. Muss das sein? Ihr Bauch ist erstaunlich fest, ich hatte mir das weicher vorgestellt. Dennoch hätte ich auf diese Erfahrung gern verzichtet.
Endlich löst sie sich von mir und strahlt mich an. Rundherum – mit Ausnahme natürlich von Mister Vollpfosten – glückliche, geradezu fröhliche Gesichter, deren Augen auf mich gerichtet sind. Hilfe!
Eine Hand schiebt sich in meine. Mojserce. Wie immer beruhigt mich sein vorsichtiger Händedruck. Dennoch mache ich vorsichtshalber einen Schritt rückwärts. Nicht, dass hier noch eine auf die Idee kommt, mich durchzuknuddeln!
Es ist schließlich Simone, die in ihrer durchdachten, ruhigen Art die Dinge zusammenfasst.
»Wir müssen also nichts weiter tun, als Frauen Männer und Fräulein adoptieren zu lassen. Dafür brauchen wir willige Frauen – das dürfte kein Problem sein« – Adrian nickt. »Ich schicke gleich eine rüber zu Martinas Gruppe.« – »Willige Männer, ebenfalls kein Thema, und, und das dürfte zweifellos das größte Problem sein, eine Bluthexe, die bereit ist, uns zu helfen.«
»Das können wir knicken«, sagt Désirée betrübt. »Jede Bluthexe muss sich in Annaburg registrieren lassen und einen Eid schwören, der Goldenen Frau zu gehorchen und niemals zu schaden.«
»Das verlangt ja auch keine!«
»Trotzdem. Wir können keine Bluthexe auf unsere Seite ziehen, ohne ihr zu erklären, was wir vorhaben.« Désirée rümpft die Nase. »Und wenn wir das tun, kann sie schwerlich so tun, als würde das der Goldenen Frau nicht langfristig schaden oder gegen deren Gesetze verstoßen. Es ist ja eine Menge möglich in dieser Welt, aber nicht, einen blutmagischen Eid auszutricksen.«
Kolja neben mir schaudert. »Oh ja!«
»Also was ist die Alternative?« Adrian beginnt, hin und her zu gehen. »Wir brauchen eine Bluthexe, die uns hilft, ungewöhnliche Adoptionen durchzuführen. Eine, die keine Fragen stellt, weil sie uns nicht mehr helfen wird, wenn wir sie beantworten.«
Marzena nickt langsam. »Du meinst, so tricksen wir sie aus: Durch Nichtwissen.«
»Ganz genau.«
»Das ist doch vollkommen lächerlich!«, plustert sich Gero auf. »Keine Bluthexe auf der ganzen Welt würde uns helfen, ohne den Grund zu wissen!«
Kolja zupft mich am Arm.
»Was ist denn, mein Schatz?«
Er weicht meinem Blick aus, windet sich.
»Ich hätte da eine Idee.«
Es liegt nicht in Koljas Natur, sich in den Vordergrund zu drängen. Auch vor anderen spricht er nur ungern, vor allem, wenn es so viele sind wie hier. Ich fürchte, da muss er aber durch.
»Kolja hat eine Idee«, wiederhole ich laut, so dass es alle hören können.
»Und welche?« Adrian hält inne und lächelt Kolja aufmunternd zu.
Mein Sohn holt tief Luft. »Die Bluthexe in Annaburg!«
Kapitel 9
»Sie heißt Frau NicMara«, stößt Kolja hervor, »und sie schuldet mir noch einen Gefallen! Außerdem ist sie ganz schön gierig. Wenn wir sie also gut bezahlen … «
Ich nicke. »Kolja hat recht! Damals die Adoption, da hat sie auch keine Fragen gestellt. Gut, oder doch, eine. Aber mehr auch nicht. Sie war neugierig, aber der Lohn war ihr wichtiger.«
Marzenas Augen glitzern. »Sie ist käuflich?«
»Aber sowas von!« Kolja nickt eifrig. »Die schreckt vor nichts zurück, um sich ein paar Taler dazu zu verdienen.«
»Woher weißt du das?«
Adrian und die Rebellinnen starren Kolja neugierig an. Offenbar hat er ihnen nicht alles über seinen Aufenthalt in der Hauptstadt erzählt.
Ich stupse meinen Sohn an. Er erwidert meinen Blick und nickt.
»Weil er mit ihr zu tun hatte«, erkläre ich. »Als er in Annaburg war. Sie hatte ihn erkannt, ist aber zum Glück davon ausgegangen, dass er sich als Fräulein tarnt. Doch ob Frau oder Fräulein: Sich als weiblichen Mensch zu verkleiden, darauf steht die Todesstrafe. Also hat sie ihn damit erpresst.«
»Was?« Simone schüttelt den Kopf. »Wahnsinn, Mensch, wieso bist du dann nicht geflohen?«
Kolja reckt das Kinn. Einige Leute sagen, das hat er von mir.
»Ich war in Annaburg, um etwas über meinen Vater herauszufinden. Nicht, um beim kleinsten Problem aufzugeben.«
Ich spüre, wie sich ein stolzes Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet. Das ist mein Junge!
»Sie hat mich erpresst, aber ich habe verhandelt.« Kolja lächelt mir zu. »So, wie Mama es mir beigebracht hat. Ich habe mit Frau NicMara eine Vereinbarung getroffen, und so hat sie mich schließlich in Ruhe gelassen.«
»Und was war das für eine Vereinbarung?«
Ich kann es Adrian nicht verdenken, dass er das wissen möchte, aber ich muss auch meinen Sohn beschützen.
»Ist gut jetzt!«, sage ich bestimmt. »Das tut jetzt nichts zur Sache. Und wir reden auch nicht gern darüber, also lass Kolja in Ruhe damit! Wichtig ist doch, dass wir eine Bluthexe kennen, die käuflich ist und ganz allgemein wenig Skrupel hat. Perfekt also für unsere Zwecke, würde ich sagen.«
Der Anführer nickt. »Stimmt.«
»Immer vorausgesetzt«, schnarrt Gero, »dass Helena überhaupt recht hat. Bis jetzt ist das ja wohl nichts weiter als eine unbewiesene Theorie. Eine recht konfuse Theorie, wie ich anmerken möchte.« Er schaut mich herablassend an. »Ich meine, mal ernsthaft: Wie wahrscheinlich ist das, dass es daran liegt? Viel mehr vermute ich, dass unser Kolja hier irgendeinen Gendefekt oder sowas hat.«
»Vorsicht!« Ich lasse Koljas Hand los. »Ganz vorsichtig, mein Freund. Sag noch einmal etwas gegen meinen Sohn, und … «
»Und was?« Noch immer versucht Gero, einen auf starke Mackerin zu machen, weicht aber dennoch zurück, als ich vortrete.
»Das