Deutlich war der Strom des Vernichtungswillens, der von der näherbrandenden Schar ausging, zu spüren. Die Kavalleristen zwangen sich dazu, ihren Anblick zu ertragen.
Pferderücken wurden leergefegt. Die reiterlosen Gäule preschten in der donnernden Angriffwelle weiter, wurden regelrecht mitgerissen. Jetzt schossen auch die Angreifer wie rasend. Aus der flatternden Wolke, die die Soldaten umhüllte, torkelten Gestalten hervor und brachen zusammen.
Das hochträllernde Geschrei zermürbte die Gemüter. Tomahawks wirbelten durch die Luft, Kriegslanzen zogen ihre lautlosen Bahnen. Pferde brachen zusammen. Die Soldaten schossen die Rohre heiß. Die Indianer waren in eine Kreisbahn eingeschwenkt, hingen an den den Soldaten abgewandten Seiten der Pferde und feuerten mit alten Revolvern und Gewehren unter den Köpfen der Tiere hindurch.
Dann aber verschwanden sie ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Wahrscheinlich merkten sie, dass der Blutzoll, den sie Ihrem Hass zu bezahlen hatten, zu hoch war. Sie stoben über die Kämme der Hügel ringsum und es war, als hätte sie die Erde geschluckt, als hätte es sie nie gegeben. Doch die toten Pferde, Indianer und Soldaten waren Zeugnis dafür, dass sie Realität gewesen waren - bittere, unselige Realität.
Staub und Pulverdampf zerflatterten, wurden vom Wind fortgetragen oder legten sich auf den Boden zurück.
»Rückzug in die Schlucht!«, rief der Major. Seine Stimme klang heiser und mitgenommen. »Decken Sie mit drei Mann unseren Rückzug, Lieutenant!«
Fünf tote Soldaten blieben zurück. Sieben Pferde waren getötet worden. Einige Mustangs standen herum und spielten nervös mit den Ohren.
»Wir nehmen die toten Kameraden mit!«, kommandierte Whitlock, als Major Garretson mit dem Haupttrupp in der Schlucht verschwunden war. Sie luden die reglosen Gestalten auf die Pferde und führten die Tiere zwischen die Felswände. Zwei Soldaten blieben zurück, um den Zugang zu bewachen.
»Fünf Tote, vier Verwundete«, zog Major Garretson Resümee. »Und wir haben sieben Pferde verloren. Welch ein Irrsinn. Sie sind über uns gekommen wie der Adler über eine Feldmaus.«
»In dieser Wildnis sind sie uns haushoch überlegen«, knurrte Whitlock.
Die Verwundeten wurden verbunden. Einer der Kavalleristen hatte einen Schuss in die rechte Brustseite bekommen. Ein anderer hatte einen Bauchschuss davongetragen. Die beiden anderen Verwundeten hatten nur leichte Verletzungen.
»Wir müssen Schleppbahren bauen«, erklärte der Lieutenant. »Zunächst einmal aber sollten wir die Nacht abwarten. Kehren wir zum Beginn der Schlucht zurück, Sir?«
»Ja.« Der Major nagte an seiner Unterlippe. »Wir sind noch neunzehn Männer. Sieben Mann fallen aus. Das heißt, dass wir um mehr als fünfundzwanzig Prozent dezimiert sind. Noch ein solcher Überfall, und wir können einpacken.«
»Ich habe im Fort meine Bedenken angemeldet, Sir«, versetzte Whitlock vorsichtig. »Aber der Colonel meinte, dass wir als kleine Gruppe beweglicher wären. Er hat die Apachen unterschätzt.«
»Sie zweifeln den Befehl des Colonels an?«, fragte der Major scharf. Zwei steile Falten hatten sich über seiner Nasenwurzel gebildet.
»Nein, Sir«, wehrte Whitlock ab. »Das wäre vermessen. Ich will damit nur zum Ausdruck bringen, dass wir zu schwach sind, um gegen Victorio und seine Krieger bestehen zu können. Der Colonel ist davon ausgegangen, dass Victorio die Aussichtslosigkeit seines Kampfes einsieht und sich ergibt. Das war jedoch ein Trugschluss. Ich will damit dem Colonel auf keinen Fall zu nahe treten.«
Der Major winkte resigniert ab. »Schon gut. Ich weiß, was Sie meinen, Lieutenant. Lassen Sie aufsitzen. Wir ziehen uns in die Schlucht zurück. Und dann sehen wir weiter.«
»Wir sollten uns einige Pferde zusätzlich beschaffen, Sir«, räumte Whitlock ein. »Es kann nie schaden, ein paar Tiere in der Reserve zu haben.«
»Veranlassen Sie, dass die Tiere der Apachen eingefangen werden.«
Whitlock rief die Namen dreier Kavalleristen und befahl ihnen, die Pferde zu holen, die die Apachen zurückgelassen hatten. Dann zogen sich in die Schlucht zurück. Eine kleine Gruppe sicherte nach hinten, vier Soldaten und der Scout ritten voraus. Immer wieder wanderten die Blicke an den Felswänden nach oben. Und als die Vorhut eine der Engstellen passiert hatte, geschah es. Steine stürzten in die Tiefe. Eine ganze Gerölllawine. Es krachte und barst. Staub wallte dicht. Die Pferde scheuten. Geschrei erschallte. Die Vorhut war von der Patrouille getrennt. Immer wieder krachten Felsklötze in die Tiefe. Und dann kam Hufgetrappel auf. Ein Dutzend Apachen stoben durch die Schlucht. Im vollen Galopp feuerten sie ihre Waffen ab. Der Scout und die vier Soldaten hatten keine Chance. Die Apachen sprangen von den Pferden und erklommen den Haufen Gestein, der von oben in die Schlucht gestürzt war. Blindlings feuerten sie in die Patrouille hinein. Im Nu wälzte sich ein Knäuel ineinander verkeilter Menschen- und Pferdeleiber am Boden. Das Sterben ging weiter. Nur einem kleinen Rest Soldaten gelang es, in Deckung zu laufen und zu kämpfen. Pferde gingen durch und stoben von Panik erfasst davon. Die Nachhut war aufgerückt. Die Indianer, die durch die Schlucht gekommen waren, verschwanden wieder.
Der Spuk war plötzlich zu Ende.
Lieutenant Whitlock, Sergeant Burmester und fünf Soldaten waren noch einsatzfähig. Die anderen waren entweder tot oder schwer verwundet. Sie hatten nur noch drei Pferde. Es war eine bittere Niederlage, die sie einstecken mussten.
»Wir brechen die Mission ab«, sagte Whitlock. »Die Toten begraben wir an Ort und Stelle. Mit den Verwundeten versuchen wir, uns nach Norden durchzuschlagen.«
Seinen Worten fehlte die Hoffnung. Später, als die Männer Felsbrocken über die toten Kameraden schlichteten, sagte er zu dem Sergeant: »Wir sind verheizt worden. Der Colonel ist von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Aber was zählen schon ein paar Soldaten. Es ist im Sold inbegriffen, gegebenenfalls vor die Hunde zu gehen. Als Kavallerist bist du nichts weiter als ein Stück Ausrüstung, die zum Pferd gehört. Das ist so und wird mir immer klarer.« Der Tonfall in der Stimme Whitlocks war an Verbitterung nicht zu übertreffen.
»Haben wir überhaupt eine Chance?«, fragte der Sergeant.
»Solange ein Funke Leben in uns ist – ja. Es wird zehn bis zwölf Tage dauern, bis wir Fort Wingate erreichen. Ja, wir haben eine Chance.» Whitlock nickte, als wollte er so seinen Worten Nachdruck verleihen. »Wir marschieren nachts und ruhen am Tag. So schaffen wir es, Sergeant. Ganz bestimmt.«
Der Gesichtsausdruck des Sergeanten verriet, dass er Whitlocks Zuversicht nicht teilte.
Es starben noch zwei der Verwundeten. Sie waren zu siebt und mussten sich um drei Verwundete kümmern. Für sie hatten sie noch Pferde. Whitlock, der Sergeant und die anderen fünf Soldaten, die noch einsatzfähig waren, mussten marschieren.
Als die Dunkelheit den Tag nach Westen vertrieben hatte, brachen sie auf. Sie verließen die Schlucht und wandten sich nordwärts. Die Angst war ihr Begleiter, die Apachengefahr hing wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen. Dazu kamen bald Hunger und Durst. Der kleine Vorrat an Pemmikan war schnell aufgebraucht, die drei Wasserflaschen, die sie hatten, waren leer. Auf die Jagd wagten sie sich noch nicht zu gehen, denn ein Schuss konnte den Indianern ihren Standort verraten.
Die Nacht war finster. Die Dunkelheit zwischen den Felsen mutete fast stofflich und greifbar an. Sie kamen nur schlecht vorwärts. Die Geräusche, die sie verursachten, rollten vor ihnen her. Schon bald begannen Whitlocks Füße in den Stiefeln zu brennen. Den anderen ging es nicht besser. Mit den glatten Sohlen rutschte der eine oder andere auf dem oftmals glatten Fels aus. Die Männer stöhnten und ächzten. Einmal sagte einer der Kavalleristen: »Wenn ich das zehn oder zwölf Tage durchhalten soll, schieße ich mir lieber gleich eine Kugel durch den Kopf.«
»Das erledigen vielleicht