Es sind Wilde durch und durch, dachte Cormac. Ärger als die Gallier, die Briten und die Germanen. Lag etwas in den alten Legenden, die besagten, daß sie zu einer Zeit herrschten, da fremdartige Städte dort standen, wo jetzt die Wogen des Meeres rollten? Und daß sie die Flut überlebten, die jene glanzvollen Imperien überschwemmte, und dann in die Barbarei zurückfielen, aus der sie sich einst erhoben hatten?
In der Nähe des Piktenlagers befanden sich die Feuer eines Trupps von Briten, Angehörige der Stämme, die südlich der Römischen Mauer in den Hügeln und Wäldern des Westens ihren Wohnsitz hatten und sich der Gewalt Roms widersetzten. Sie waren von kräftigem Körperbau, besaßen blitzende, blaue Augen und dichtes, gelbes Lockenhaar und gehörten demselben Volk an, das sich an der Ceanntischen Küste drängte, als Cäsar die römischen Adler auf die Inseln brachte. Ebenso wie die Pikten waren sie nicht gepanzert, sondern nur in grobes Leinen und Hirschhautsandalen gekleidet. Sie trugen kleine Rundschilde aus bronzeverstärktem Hartholz und lange, schwere Bronzeschwerter mit abgerundeten Spitzen. Einige hatten Bögen, waren jedoch keine Meister in deren Anwendung. Ihre Bögen waren kürzer als die der Pikten und nur auf kurze Entfernungen hin wirksam. Aber in der Nähe der Feuer standen die Waffen aufgereiht, die den Namen Brite zu einem Wort des Schreckens unter den Pikten, Römern und Nordmännern machten: Fünfzig Streitwagen aus Bronze schimmerten im Schein der Flammen. Die Achsen waren zu langen Klingen verlängert, die einem halben Dutzend Männer gleichzeitig die Beine abzutrennen vermochten. In der Nähe grasten unter den wachsamen Blicken der Posten die Zugpferde, gewaltige und rasche Tiere.
„Ich wollte, wir hätten mehr von diesen“, meinte Bran nachdenklich. „Mit tausend Streitwagen und meinen Bogenschützen könnte ich die Legionen in die See werfen.“
„Die unabhängigen Stämme der Briten müssen früher oder später ein Opfer der römischen Legionen werden“, prophezeite Cormac. „Man möchte annehmen, sie würden dich freudig in deinem Krieg unterstützen.“
Bran machte eine hilflose Geste. „Ha! Die Launenhaftigkeit des Kelten! Sie können ihre alten Fehden nicht vergessen. Unsere alten Männer berichteten uns, sie hätten sich nicht einmal gegen Cäsar zu einen vermocht, als die Römer zum erstenmal die Insel betraten. Sie kämpften niemals gemeinsam gegen einen äußeren Feind. Diese Männer stießen wegen irgendeiner Meinungsverschiedenheit mit ihrem Häuptling zu mir. Aber ich kann mich nicht auf sie verlassen, falls es nicht tatsächlich zum Kampf kommt.“
Cormac nickte. „Ich weiß. Cäsar eroberte Gallien, indem er einen Stamm gegen den anderen ausspielte. Mein eigenes Volk wechselt die Bündnisse mit dem Wechsel der Gezeiten. Aber von allen Kelten sind die Cymrier die launischsten. Vor nur wenigen Jahrhunderten nahmen meine gälischen Vorfahren Erin den cymrischen Danaanen ab, weil sie uns – obgleich in der Überzahl – stammweise entgegentraten anstatt als Nation.“
„Und nun stehen diese cymrischen Briten Rom gegenüber“, sagte Bran. „Morgen werden sie auf unserer Seite kämpfen – mehr kann ich nicht sagen. Aber wie kann ich von fremden Stämmen Treue erwarten, der ich mir nicht einmal meines eigenen Volkes sicher bin? Tausende lauern in den Hügeln und warten ab. Laß mich morgen siegen, und sie werden sich um meine Banner scharen; verliere ich, so zerstreuen sie sich wie Vögel vor einem kalten Sturm.“
Ein Chor von Begrüßungsworten tönte den beiden Anführern entgegen, als sie das Lager von Cormacs Galen betraten. Fünfhundert an der Zahl waren sie groß, schwarzhaarig und grauäugig und trugen das Gehabe von Männern zur Schau, deren Handwerk ausschließlich der Krieg ist. Wenngleich unter ihnen keine eiserne Disziplin herrschte, so gewann man doch den Eindruck größerer Ordnung, als sie in den Lagern der Pikten und Briten existierte. Sie waren zuletzt von den keltischen Völkern auf die Insel gekommen, und ihre barbarische Zivilisation stand viel höher als die ihrer cymrischen Verwandten. Die Vorfahren der Galen hatten das Kriegshandwerk an den weiten Steppen Skythiens und den Höfen der Pharaonen erlernt, wo sie als Söldner Ägyptens fochten, und vieles von dem Erlernten hatten sie nach Irland mitgebracht. Als Meister der Metallbearbeitung besaßen sie hochwertige Waffen aus Eisen.
Bekleidet waren sie mit feingewebten Kilts und ledernen Sandalen. Jeder trug ein leichtes Kettenhemd und einen offenen Helm, war ansonsten jedoch ungerüstet. Die Kelten, Galen wie auch Briten, pflegten den Mut eines Mannes am Ausmaß der Rüstung zu beurteilen, hinter der er sich verbarg. Die Briten, die gegen Cäsar kämpften, hielten die Römer für Feiglinge, weil sie sich in Metall kleideten, und viele Jahrhunderte später dachten die irischen Clans dasselbe von den gepanzerten normannischen Rittern.
Cormacs Krieger waren Reiter. Weder konnten sie mit dem Bogen umgehen, noch schätzten sie ihn. Sie trugen metallverstärkte Rundschilde, Dolche, lange, gerade Schwerter und leichte Äxte. Ihre Rösser grasten nicht weit entfernt. Sie waren nicht so kräftig wie die der Briten, dafür aber rascher.
Brans Augen leuchteten auf, als die beiden Männer durch das Lager schritten. „Deine Leute sind scharfschnäbelige Kampfvögel! Sieh nur, wie sie ihre Äxte glätten, horch, wie sie über das Morgen scherzen! Ich wünschte, die Räuber in dem Lager da drüben wären so zuverlässig wie deine Männer, Cormac! Dann würde ich die Legionen morgen mit Gelächter begrüßen, wenn sie aus dem Süden heranziehen.“
Sie traten in den Kreis der Feuer der Nordleute. Dreihundert Mann saßen umher, würfelten, schärften ihre Waffen und tranken vom Heidebier, das sie von den piktischen Verbündeten erhalten hatten. Sie betrachteten Bran und Cormac mit unfreundlichen Blicken. Der Unterschied zwischen ihnen und den Pikten und Kelten fiel sofort ins Auge: Er lag in den kalten Augen, den Gesichtszügen und in ihrer Haltung. In ihnen fand sich auch die Wildheit des Barbaren, aber sie glich nicht der plötzlichen Wut des Kelten. In ihnen war Grimm, Entschlossenheit und unerschütterliche Halsstarrigkeit. Der Anfall der britischen Clans war schrecklich, überwältigend. Aber sie hatten keine Geduld. War ihnen nicht sofortiger Sieg vergönnt, so neigten sie dazu, den Mut zu verlieren und sich zu zerstreuen. In diesen Seefahrern jedoch herrschte die Geduld des kalten, blauen Nordens – eine feste Entschlossenheit, die sie bis zum bitteren Ende ausharren ließ, wenn sie sich einmal für ein bestimmtes Ziel entschieden hatten.
Sie waren Riesen von Gestalt. Daß sie die Ansichten der Kelten, was Rüstung betraf, nicht teilten, ging aus der Tatsache hervor, daß sie in schwere Schuppenpanzer gehüllt waren, die fast bis zu den Knien reichten, daß sie massive, gehörnte Helme trugen, während die Beinkleider aus gehärtetem Leder ebenso wie die Schuhe mit Eisenplatten verstärkt waren. Ihre Schilde waren riesige Ovale aus Hartholz, Leder und Messing. Als Waffen trugen sie lange Speere mit Eisenspitzen, schwere eiserne Äxte und Dolche. Einige besaßen breite Langschwerter.
Cormac fühlte sich unter den kalten, durchdringenden Blicken der flachshaarigen Männer nicht wohl in seiner Haut. Sie waren seine Erbfeinde, auch wenn sie zur Zeit auf seiner Seite kämpften – aber taten sie das auch?
Ein Mann trat ihnen entgegen, ein langer, hagerer Krieger, in dessen narbiges Antlitz das flackernde Feuer tiefe Schatten warf. Den Mantel aus Wolfspelz über die breiten Schultern zurückgeworfen, die riesigen Hörner auf dem Helm, so stand er da in den schwankenden Schatten, ein drohendes Symbol der düsteren Barbarei, die bald die Welt überfluten sollte.
„Nun, Wulfhere“, begann der Piktenkönig, „ihr habt den Met der Beratung getrunken und an den Feuern gesprochen. Wie ist eure Entscheidung?“
Die Augen des Nordmanns blitzten im Halbdunkel. „Gib uns einen König unserer Rasse, dem wir folgen können, wenn du willst, daß wir für dich kämpfen.“
Bran streckte die Arme empor. „Verlange von mir die Sterne, auf daß sie eure Helme schmücken! Folgen dir deine Kameraden nicht?“
„Nicht