„Und … und was ist da drin?“
„Ooch, nur ein paar Kräuter, ein Kupferkorn …“
„Wie gesagt, Emily, du kannst aufhören“, sagte ich überdeutlich. Ed brach in Gelächter aus. „Mo-mo – motscho!“, rief er mit hochrotem Gesicht und schüttelte sich regelrecht vor Lachen. „Motscho!“
„Wirklich sehr komisch, Ed“, sagte Emily trocken, aber Ed lachte bloß noch heftiger.
„Dann kann ich morgen ja hierbleiben“, sagte er und wischte sich die Augen. „Dein Motscho wird dich schon vor Diane beschützen.“
„Es heißt Mojo“, berichtigte ich ihn. Ich bereute meine Worte sofort, waren sie doch Öl im Feuer von Eds Belustigung. Immer noch lachend verließ er den Raum. Wenig später gingen auch Emily und ich zu Bett.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte ich, bevor ich ihr das Wohnzimmer überließ. „Ich glaube nicht, dass Diane einem von uns wehtun würde.“ In Wahrheit wusste ich es nicht. Diane war schwer einzuschätzen.
Aber Emily machte auf mich nicht den Eindruck, als fürchte sie sich wegen Diane. „Bestimmt nicht“, sagte sie, doch ihr Blick war in die Ferne gerichtet, und ich fragte mich, welchen Unsinn sie wohl in diesem Moment aus den Fäden der Ereignisse spann.
Sie sah mir in die Augen. „Nimm dich in Acht, William.“ Sie klang besorgt. „Wenn sie wusste, dass du ihr Messer wiedererkennst, wollte sie dich vielleicht ködern.“ Ich schluckte. Daran hatte ich noch nicht gedacht.
Am Nachmittag des nächsten Tages machten Ed und ich uns auf den Weg zum Hafen. Ed machte einen entspannten Eindruck, und das Ereignis der vergangenen Nacht verlor etwas von seinem Schrecken. Kaum hatten wir das Fourier betreten, versperrte Gary uns den Weg.
„Soll das ein Scherz sein, Gary?“, fragte Ed. „Wie oft haben wir zusammen einen draufgemacht? Und jetzt willst du mich nicht mehr reinlassen?“
„Du kannst rein“, knurrte Gary. „Aber der da …“ Er wies kopfnickend in meine Richtung. „… bleibt draußen.“
„Will ist in Ordnung.“
„Da kennst du ihn aber schlecht.“ Gary sah mich zornfunkelnd an. „Es enttäuscht mich, dass du mit ihm befreundet bist. Ist dir klar, wie gestört er ist?“
„Wovon redest du?“
„Frag ihn doch selbst.“
Ed und ich sahen einander an. Mein ratloser Blick genügte.
„Ich rede davon, dass du sie regelmäßig aufsuchst und irgendwelche Psychospielchen mit ihr treibst“, rief Gary und Spucketröpfchen flogen mir ins Gesicht.
„Aber ich war nicht …“
„Fang nicht wieder damit an“, sagte Gary und deutete auf mich. Eine gefährlich große Ader pochte auf seiner Stirn.
„Schluss damit, Gary“, sagte Ed scharf. „Ich kenne Will gut genug, um zu wissen, dass er sowas nie tun würde. Er ist total harmlos. Meine Fresse, er liest Gedichte und schreibt Tagebuch. Denkst du wirklich, er wäre zu Psychospielchen fähig?“ Ein Teil der Wut wich aus Garys Gesicht und machte einem nachdenklichen Ausdruck Platz. „Will hat sie seit drei Vierteln nicht gesehen“, fuhr Ed fort, „und dann steckte gestern ihr Messer in der Tür unserer Freundin.“
Um Eds Worte zu untermauern, holte ich Dianes Messer hervor und reichte es mit dem Griff voran an Gary weiter. Der Wachhund musterte es aufmerksam.
„Das ist ihr Messer“, murmelte er.
„Wir müssen mit ihr reden, bevor sie irgendwas Dummes anstellt“, sagte Ed.
„Sie ist beim Leuchtturm“, sagte Gary widerwillig. „Geht zu ihr und schafft diesen Streit aus der Welt. Aber …“ Er zögerte. „Seid vorsichtig. Diane ist manchmal … etwas sonderlich. Verdammt, ich weiß, was ihr jetzt denkt. Das macht sie nicht unglaubwürdig! Ich will damit nur sagen, dass sie ihre Kämpfe in aller Regel nicht mit Worten austrägt … versteht ihr?“
„Ed“, sagte ich, nachdem wir das Fourier verlassen hatten und der Promenade in Richtung Leuchtturm folgten. „Hältst du es für möglich, dass ich bei Diane war, ohne es zu wissen?“
Ed runzelte die Stirn. „Ich habe selbst darüber nachgedacht, ob du geschlafwandelt sein könntest. Erinnerst du dich? Damals habt ihr euch über mich lustig gemacht. Jetzt verstehe ich auch warum. Deine Worte klingen lächerlich.“
„Ich meine nicht, dass ich geschlafwandelt bin“, sagte ich kleinlaut. „Aber … hast du mal von den schizophrenen Menschen gehört, die es in Sankt Laplace geben soll?“
„Du fürchtest, du hast eine zweite Persönlichkeit?“, fragte Ed. Ihm war anzuhören, wie skeptisch er war. „Ich glaube, das hätte ich bemerkt. Gibt es denn Zeitabschnitte, an die du dich nicht mehr erinnern kannst?“
„Nein. Eigentlich nicht.“
„Wenn du mich fragst, ist eher Diane ein Fall für die Klapsmühle“, fuhr Ed fort. „Du hast Gary gehört. Und schließlich hat sie ein Messer in Emilys Tür gerammt. Nein, ich glaube, sie ist eifersüchtig.“ Nachdenklich fügte er hinzu: „Trotzdem wüsste ich zu gern, wie es dir gelungen ist, sie ins Bett zu kriegen. Weißt du, wie oft ich mir an ihr die Zähne ausgebissen habe?“
Ich nickte. „Du hast es mir ja nun oft genug erzählt.“
Als ich Ed zum ersten Mal ihren Namen genannt hatte, hatte er geglaubt, ich erlaube mir einen Scherz. Diane war die Perle des Fourier. Die Frauen beneideten sie um ihre Schönheit, die Männer buhlten um ihre Aufmerksamkeit. Ihre Stimme brachte Eisberge zum Schmelzen und selbst abgebrühte Seemänner um den Verstand. In jener Nacht, als ich Diane kennenlernte, hatte Ed kurz das Lokal verlassen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt mit dem Kopf auf der Tischplatte geschlafen. Als er nach unbestimmter Zeit zurückgekehrt war, war ich verschwunden gewesen. Und Diane ebenfalls. Ed hatte sich nichts dabei gedacht.
Als wir Kap Peek erreichten, neigte der Tag sich dem Abend zu. Es war stürmisch und das Rauschen der Wellen, die sich an den Klippen brachen, füllte unsere Ohren.
„Was kann ich euch Gutes tun, Jungs?“, fragte der Leuchtturmwärter, ein alter Mann mit grauem Stoppelbart.
„Wir suchen eine junge Frau“, sagte ich. „Sie ist etwa in unserem Alter, blonde Haare, ziemlich hübsch.“
„Aber doch nicht hier.“ Der Alte zeigte ein schelmisches Grinsen. „Jungs, als ich in eurem Alter war, hab ich auch von hübschen Blondinen geträumt, aber auf einem Leuchtturm danach zu suchen, auf die Idee bin ich nie gekommen, nein. Und ich halte den Einfall, ehrlich gesagt, für beschissen.“
Ed wandte sich ab und sagte so leise, dass nur ich es hören konnte: „Er gefällt mir.“
„Wir suchen nicht nach irgendeiner Blondine“, sagte ich, „sondern eine … Freundin.“
„Da muss ich dich leider enttäuschen, mein Jung. Sie ist nicht hier.“
„Sind Sie sich sicher?“
Der Alte nickte. „Hier kommt keiner rein, wenn ich ihm nicht die Tür öffne. Und abgesehen von euch beiden hatte ich heute keinen Besuch. Aber ihr dürft gerne raufgehen und euch selbst davon überzeugen.“
Ed zuckte die Achseln. „Wenn wir schon mal hier sind …“ Minuten später gelangten wir – etwas kurzatmig – an der Spitze des Turms wieder ins Freie. Der Ausblick war fantastisch. Der Leuchtturm stand am Rande der Klippen von Kap Peek. Somit befanden wir uns über dreihundert Meter über dem Meeresspiegel. Der Wind pfiff uns um die Ohren und türmte wie ein verspieltes Kind mit der Kraft einer Naturgewalt weit unter uns das Wasser zu meterhohen Wellen auf, um sie an den Felsklippen zu zerschmettern.