„Das würde Ihr Vater nie zulassen, Jim Jugens! Er weiß wie jeder andere hier in der Gegend, warum die beiden hier sind und was sie fordern. Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern, dass sie die Drei-Stäbe-Ranch oder eine hohe Auszahlung haben wollen. Ein Teil der alten Mannschaft steht bereits auf der Seite Ihrer Brüder. Die Schwierigkeiten, die Sie bekommen werden, sind größer als Sie glauben. Ziehen Sie Ann nicht in diesen Höllenstrudel hinein und glauben Sie nicht, dass Sie mich einfach aus der Welt schaffen können und meine Stammesangehörigen nicht wissen, wo sie mich zu suchen haben. Sie werden hier einfallen.“
„Nur zu, wenn sie sich blutige Köpfe holen wollen“, grinste Jugens den Alten an.
„Übertreiben Sie nichts, lassen Sie mich laufen! Ich habe Sie gewarnt!“
„Genug, Alter“, erwiderte Jim Jugens. „Fesselt ihn und bindet ihn auf sein Pferd“, wandte Jugens sich an seine Begleitmannschaft. Sein Befehl wurde sofort ausgeführt. Kalt sah der junge Mann zu, wie man dem Alten die Hände fesselte, ihn auf sein Pferd setzte und ihm die Beine unter dem Pferdebauch zusammenband.
„Ann hat mir sofort gefallen“, sagte er dann zu dem Rohhäuterführer, der zusammengesunken im Sattel hockte. „An wen hat sie denn ihr Herz verschenkt?“
Kan Palmer hob den Kopf. Sein Kinn streckte sich vor, und in seinen erloschenen Blick kam neues Leben.
„Sie wartet auf den Mann, dem die Drei-Stäbe-Ranch zusteht“, entgegnete Palmer, „auf einen Mann, den wohl keiner von euch Jugens gern hier sieht, nämlich auf Dan Flemming. Wenn Sie es nicht glauben wollen, fragen Sie Ihre Brüder Red und Larry, sie werden es bestätigen können. Dan Flemming hat sie mit seinem Blei so gezeichnet, dass sie immer daran denken werden; sie und auch der Bandenführer Joe Hannigan, den sie bei sich haben. Wenn Sie noch mehr wissen wollen, müssen Sie sich in der Tat mit Ihren schuftigen Brüdern zusammensetzen. Sie werden jetzt wenig Zeit haben, sich um Ann zu kümmern, mit ihrem Erscheinen meldet sich hier der Tod an. Ihre Brüder und Joe Hannigan haben das schon begriffen, nur Sie nicht. Die alte Rechnung steht noch offen, und sie wird beglichen werden müssen.“
Ein Faustschlag von Jim Jugens ließ Palmer verstummen. Die dunklen Augen des jungen Jugens’ blickten drohend in die Runde.
„Er weiß mehr, als für ihn gut ist, Gents“, sagte er. „Los denn, reiten wir, Ann ist im Hotel gut untergebracht. Unsere Leute bewachen sie scharf. Sollte diesem Flemming tatsächlich einfallen, hier aufzukreuzen, so wird er nicht mehr lange leben.“
„Vielleicht doch“, stöhnte Kan Palmer. „Ihre beiden Brüder hätten ihm mit Hannigan zusammen eine Falle stellen können, doch sie verzichteten darauf, sie wollten, dass er hier her kommt. Mit seinem Auftauchen ist noch mehr Verwirrung zu erwarten, Jim Jugens. Wollte Gott, dass er gegen eure schuftige Bande zu Felde zieht. Das wird er bestimmt tun, wenn es um Ann geht, wenn Sie ihm Ann entreißen wollen.“
„Das wünschen Sie, ausgerechnet Sie, Palmer?“
„Ich hege keinen Hass mehr gegen Dan Flemming. Ich musste diese Stadt erst kennenlernen, um mich selbst einen Narren zu nennen. Ann ging mir verloren, nun, ich selbst habe dazu beigetragen. Ich hätte wissen sollen, dass es so kommt. Jugend gehört zu Jugend. Im ersten Zorn hätte ich den Mann, den sie erwählt hat, aus der Welt geschafft, doch jetzt bin ich froh, dass es so kam.“
Wieder schlug Jim zu, und das Stöhnen des alten Mannes wurde lauter. Mit schmal gezogenen Augenbrauen beobachtete Jim Jugens den schwer gezeichneten Mann und nickte dann seinen Männern zu. Man nahm den Gefangenen in die Mitte; dann ritt der Trupp an.
Die drei Männer in ihrem Versteck, die zwar alles gesehen, aber nichts gehört hatten, schauten sich betroffen an, als der Trupp nicht in Richtung der Stadt weiter ritt.
„Folgen wir ihnen“, sagte Dan aus einem inneren Impuls heraus. „Kan Palmer ist in Not.“
„Ohne Zweifel ist er das, Dan, doch ausgerechnet du willst ihm helfen?“
„Sollte ich aufjubeln? Nein, ich könnte es nicht! Jeder macht einmal Fehler. Es war nicht meine Schuld, dass Ann sich in mich verliebte. Kan Palmer war mir immer ein guter Kamerad, und es sieht jetzt nicht gut für ihn aus.“
„Hut vor dir ab!“, sagte Paul, und zu Lee gewandt fuhr er fort: „Hast du etwas anderes von unserem Schützling erwartet?“
11.
Brauchte man noch mehr über Jim Jugens zu wissen? Der Drang nach Macht war ein so lebendiger, unheimlicher Faktor seines Wesens, dass es für ihn weder Hindernisse noch Skrupel gab. Das ganze Land zitterte vor ihm. Er beherrschte die Umgebung und auch die Stadt. Zuträger brachten ihm alle gewünschten Informationen, und wer sich gegen ihn und seinen Vater stellte, war seines Lebens nicht sicher.
In genügend weitem Abstand folgten Paul und Lee Millard und Dan Flemming dem Trupp durch die Nacht in das Buschland, das von vielen Flüssen durchzogen war. An manchen Stellen waren die Strauchgruppen so dicht, dass man den Eindruck hatte, vor einer Wand zu stehen. Nur vereinzelt gab es freie Prärieflächen, und dort war das Gras fast mannshoch.
Um Mitternacht folgten die drei der Fährte durch einen kleinen Bach, an dessen rechter Seite die
Dornbüsche so dicht waren, dass es für Pferd und Reiter kein Durchkommen gab. Modergeruch breitete sich um sie herum aus, und Mückenschwärme belästigten Pferde und Reiter. Je weiter sie ritten, um so deutlicher wurde es, dass sie sich einem großen See näherten, der sehr morastig sein musste. Der Boden unter den Pferdehufen wurde immer weicher.
„Dan, kennst du diese Gegend einigermaßen?“, fragte Lee besorgt und gab das Zeichen zum Halten. „Wir scheinen in eine Sumpf und Moorgegend zu kommen, in eine von jenen trügerischen Landschaften, in der die schönsten Azaleen blühen. Ich habe mir sagen lassen, dass hierher einst die Sklaven flüchteten, wenn sie ihren Besitzern ausrissen. In diesen Mooren ist so mancher verzweifelte von Bluthunden gehetzte Mensch verschwunden. Himmel und Hölle, nur einer, der sich hier bei Nacht und Nebel genau auskennt, sollte sich hier weiterbewegen.“
„Bisher habe ich diesen Jim Jugens als einen Gegner betrachtet, jetzt aber weiß ich, dass er ein Teufel ist“, sagte Dan nachdenklich. „Es würde mich nicht wundern, wenn er dem Gefangenen die
Augen verbunden hätte und ihn zur Teufelsinsel brächte.“
„Zur Teufelsinsel, Dan?“, schnappte Paul. „Das klingt aber wenig erfreulich.“
„Es ist ein schrecklicher Ort, Paul“, erwiderte Dan dem Partner. „Vor zehn Jahren lebte dort ein entwichener Sklave und holte jahrelang Leidensgefährten aus den Mooren. Er brachte sie dann zu seinem Zufluchtsort. Mein Vater entdeckte eines Tages durch Zufall diese Sklavengruppe. Ich erinnere mich noch genau, wie erschüttert er war, als er auf die Ausgestoßenen traf. Es waren Frauen und auch Kinder darunter, die um ihrer Freiheit willen ein hartes und unmenschliches Leben auf sich nahmen. Er traf auf ausgemergelte Gestalten, menschliche Gerippe, die lieber in der selbstgewählten jämmerlichen Freiheit leben wollten, als ein Sklavendasein zu führen. Nur der Himmel weiß, warum diese dunkelhäutigen Menschen das Unmöglichste wagten