Jetzt gab es keine feindliche Haltung mehr bei der Treibherdenmannschaft. Im Gegenteil, es wurde ihnen Gastfreundschaft geboten, und man duldete es nicht, dass sie sich sofort an die Verfolgung machten. Man lud sie zum Essen ein und fragte nicht erst, was sie für den Weiterritt benötigten. Bevor sie um Mitternacht aufbrachen, wurde für jeden von ihnen ein Packen gebracht.
„Für die Weiterreise“, sagte der Vormann und sah Dan dabei fest in die Augen. „Wir hätten in Pelcon bleiben sollen“, sagte er dann. „Du kommst ein wenig spät zurück, Dan Flemming.“
„Es ist niemals zu spät, für die Freiheit zu kämpfen, Vormann!“
„Diese Worte hätte dein Vater sprechen können, Dan“, antwortete der silberhaarige Mann. „Wenn ihr die Schufte erwischt, denkt an uns und brennt ihnen eine Kugel mehr auf.“
„Und wenn ihr einer wilden Schar von Rohhäutern begegnet, die nach einer jungen Frau suchen, dann haltet sie so lange ihr könnt auf“, mischte Lee Millard sich ein. „Es würde zu weit führen,
euch eine Erklärung zu geben. Achtet besonders auf den Anführer Kan Palmer.“
„Wird gemacht!“, versprach der Vormann. „Es gibt immer einen Grund, um Leute aufzuhalten. Wir werden uns einen guten Grund zurechtlegen.“ Nach diesem Gespräch wurden die drei Freunde herzlich verabschiedet.
Paul Millard wandte sich an Dan:
„Ich glaube, du hast heute die größte Lektion deines Lebens bekommen, Kleiner. Ich muss sagen, dass du dich verteufelt gut gehalten hast. Du siehst nun, dass es gut ist, sich gegen ein Fehlurteil zur Wehr zu setzen. Ohne deine eigene Hilfe wärst du bei deinen Vätern und nicht mehr auf dieser schönen Welt. Wenn du jetzt nach Pelcon willst, forderst du das Schicksal wieder heraus.“
„Man kann mich nicht mehr als Geächteten behandeln, Paul“, erwiderte Dan. „Ich brauche nicht mehr über die Hügel zu reiten, ich kann meinen Namen nennen und jedem in die Augen sehen.“ „Nun, sicherlich kannst du das alles, aber wenn du das tust, wird man dich um so früher erwischen. Aus diesem Grunde lassen wir beide dich nicht mehr aus unserer Reichweite, und das heißt, dass wir bei dir bleiben. Jetzt, Dan, da wir genau wissen, welche Schufte gegen dich sind, lockt uns die Abwechslung.“
Er lachte hart und schaute auf die Fährte, der sie nachritten. Mit kehlig klingender heiserer Stimme fuhr er dann fort:
„Du wirst deinen Namen für dich behalten, du wirst wie wir scharf Obacht geben und deinen Zorn unterdrücken müssen. Sorgen wir jetzt dafür, dass wir Joe Hannigan stellen und ihn daran hindern, mit seinen Revolverleuten in Jugens Dienste zu treten.“
„Was für ein Gedanke, Paul!“, unterbrach Lee ihn düster vom Sattel her. „Bedenke, dass Hannigan ein alter Bekannter von Jugens sein kann!“
„Kaum anzunehmen, Lee. Du hast doch gehört, dass er sich von überall her die größten Schufte für seine Stammmannschaft kommen lässt. Es sind alles ausgesuchte Schufte, harte Brocken, die er um sich sammelt und schon gesammelt hat. Es ist kaum anzunehmen, dass er alle Leute, die er anschreibt, auch persönlich kennt. Nutzen auch wir das aus, um an ihn ohne große Schwierigkeiten heranzukommen.“
„Keine schlechte Idee, Paul“, sagte Lee trocken. „Es verspricht eine nette Abwechslung zu werden.
Ich denke, dass dieses Banditentrio seinen Trail nach Pelcon für immer unterbrechen wird. “Wenn wir erst über den Red River sind und in dichter besiedelte Gebiete kommen, werden diese drei Schufte schon ihre Fährte zu zeichnen beginnen. Ich habe so eine bittere Ahnung, denn Verbrecher wie sie lockt es immer wieder zu einer Untat. Bleiben wir ihnen auf den Fersen, holen wir alles aus unseren Pferden heraus. Achten wir darauf, dass sie uns mit ihren frischen Remudapferden nicht abhängen.“
„Einer von ihnen hat eine Schulterverletzung, und ihm zuliebe werden sie den Ritt bald verlangsamen, Bruder. Hoffen wir, dass wir sie bald stellen können.“
Dan nahm an diesem Gespräch nicht teil. Jetzt erst, als sie in der Nacht auf der Fährte nach Süden ritten, kam ihm zum Bewusstsein, wie schuftig Jugens an ihm gehandelt hatte, um auch ihn schuldig zu machen und für immer auszuschalten. Seine Zähne knirschten hart aufeinander.
8.
Den Red River, der die Grenze von Oklahoma nach Texas bildete, hatten sie bereits hinter sich. Vor ihnen breitete sich nun das texanische Land aus. Noch immer folgten sie der Fährte, die Hannigan mit seinen beiden Leuten hinterlassen hatte. Zwei Tage waren seit dem Aufbruch aus dem Lager der Treibherdenmannschaft vergangen. Paul und Lee Millard waren des Lobes voll über den Proviant, den ihnen die Treibcrew mit auf die Reise gegeben hatte. Nach zwei Tagen waren sie den drei Banditen nicht näher gekommen, doch dafür hatten sie in der letzten Nacht Schüsse gehört und später dann die Rinder gesehen, die von den Kerlen niedergeschossen worden waren. Sie hatten einem Siedler gehört, der bei der Schießerei ums Leben gekommen war. Er lag neben einem der Rinder. Lee ritt zur Siedlerhütte, um die Angehörigen zu verständigen. Dabei musste Lee feststellen, dass der bei der Verteidigung der kleinen Herde ums Leben gekommene Mann unverheiratet war. Die einige Meilen weiter entfernt liegende kleine Siedlung fand Lee in heller Aufregung vor. Die Leute dort traten ihm sehr feindselig entgegen.
„Schon wieder ein Fremder“, hörte er eine tiefe Bassstimme aus der erregten Menschenmenge sagen. „Halten wir ihn an und prüfen wir ihn auf Herz und Nieren.“
„Solange Hannigan vor uns ist, werden wir noch eine Menge Kummer haben“, sagte Lee sich und stieg ohne Aufforderung vom Pferd. Er fragte nach dem Sheriff des Ortes.
Einer der Männer erwiderte:
„Der Sheriff wird dich gern unter die Lupe nehmen, Fremder, nur einen Augenblick Geduld. Er ist in dem Haus da drüben, in das vor einigen Stunden drei Schufte einbrachen und sich von der kleinen Bank die großen Geldscheine holten. Aber vielleicht weißt du das besser als wir und willst nur ein wenig herumspionieren.“
„Freund, ich will dem Sheriff einen Mord melden, begangen an einem Heimstätter, ausgeführt von drei Schuften, deren Fährte wir, das heißt, meine beiden Freunde und ich, von Oklahoma her verfolgen. Jemand liegt tot bei seinen erschossenen Milchkühen und muss ein christliches Begräbnis haben. Macht Platz, Gents, ich muss den Sheriff sprechen!“
Lee Millards Auftreten bewirkte, dass die Siedler zurücktraten, wenn auch die drohende Haltung der Menschen blieb. Sie ließen ihn in die Bank ein treten, wo der Sheriff mit ein paar Männern dabei war, den Tatbestand aufzunehmen. Ein Mann lag schwerverwundet im Bankraum, und der Doc war gerade dabei, seine Instrumente wieder einzupacken. Zwei bleichgesichtige Männer standen scheu an der Fensterwand und sahen zu, wie der Sheriff und sein Gehilfe Notizen machten. Bei Lees Eintritt wandte sich der hagere Sheriff böse an den Mann, der Lee eingelassen hatte.
„Was soll das, ich habe doch angeordnet, dass ich nicht gestört werden will!“
„Tut mir leid, Sheriff“, unterbrach ihn Lee, „wenn mein Bruder und mein Freund auch so dächten, würde der Tatbestand eines Mordes, etwa zehn Meilen von hier entfernt, wohl wer weiß wann auf genommen werden.“
„Mann, was sagen Sie da?“
„Nur das, was ich mit eigenen Augen gesehen habe, Sheriff“, erwiderte Lee ruhig. „Ich bin Lee
Millard,