„Robert Dawn ist der Köder, der nötig war, um dich umzustimmen“, stellte Milo fest, als wir im Wagen saßen und aus der Tiefgarage in der Mott Street fuhren, um uns wieder in den Verkehr einzufädeln. „Und gib es zu! Irgendwo tief in deinem Herzen findest du es doch auch bedauerlich, dass du die 510 PS, die unter der Haube deines Wagens schlummern im Stadtverkehr des Big Apple nicht einmal annähernd ausfahren kannst!“
„Quatsch!“, sagte ich.
Aber viel zu schnell, um überzeugend wirken zu können.
Und tatsächlich hatte Milo mich da an einem wunden Punkt erwischt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in New York lag vor allem zur Rush Hour weit unter den erlaubten Höchstgeschwindigkeiten, so dass man nicht einmal die Möglichkeit hatte, so schnell, zu fahren, wie es erlaubt war – geschweige denn, dass man die Kraft der über 500 PS auch nur annähernd spüren konnte.
„Warten wir erstmal ab, was Mister McKee dazu sagt.“
7
Obwohl unsere Dienstzeit längst zu Ende war, fuhren wir am Abend noch zurück zum Office im Bundesgebäude an der Federal Plaza.
Mr McKee war wie üblich noch dort. Er war meistens morgens der Erste und abends der Letzte im Büro.
Ich übergab ihm den Umschlag, den Clement mir überreicht hatte. Er enthielt die Fahrzeugdaten eines Porsche 911 Turbo, Höchstgeschwindigkeit 310 Kilometer.
„Nach Clements Angaben ist der Wagen für das Rennen gemeldet und wird von Robert Dawn gefahren – dem Rennsport-Narren unter den Lohnkillern.“
Mr McKee hob die Augenbrauen. „Dass Robert Dawn ein Autonarr ist, wissen wir ja seit langem, weshalb sich unsere Innendienstler aus der Fahndungsabteilung auch immer wieder an Händler von Luxus-Sportwagen gewandt haben. Schließlich ist nicht anzunehmen, dass er seine Vorlieben plötzlich aufgegeben hat.“
„Der wird sich seine Luxus-Schlitten über irgendeinen Strohmann besorgen“, meinte Milo. „In diesem Fall meinte unser Informant zu wissen, dass es einen Sponsor gibt, der ihm den Porsche 911 Turbo für die Teilnahme am Rennen spendiert. An den Unterlagen sieht man ja auch, dass ein paar kleinere Extras eingebaut sind.“
„Aber nichts, was anzeigepflichtig ist!“, erwiderte Mr McKee nach kurzer Durchsicht der Unterlagen. „Wir werden den Killer nicht einfach dadurch in die Finger bekommen, dass wir sämtliche Besitzer dieses Wagentyps kontrollieren.“
„Der Wagen kostet neu um die 120 000 Dollar“, sagte Milo. „Damit ist er nicht so super-exklusiv, dass die geringe Zahl der Besitzer den Wagen leicht identifizierbar macht.“
„Es ist noch nicht einmal gesagt, dass es der einzige 911er ist, der an dem Rennen teilnimmt“, gab ich zu bedenken. „Die Teilnehmerliste ist uns dieser Clement ja bislang schuldig geblieben.“
„Wir stehen jetzt vor der Frage, ob wir das Rennen schon beim Start abwürgen oder den Start zulassen sollen, um diesen Killer zu fassen!“, brachte Mr McKee seinen inneren Zwiespalt auf den Punkt. „Das will wohl abgewogen sein!“
„Wir können den Start nicht verhindern“, erklärte ich unserem Chef und erläuterte ihm die Startmodalitäten. „Andernfalls ginge es vielleicht darum, abzuwägen, was wichtiger ist: Die Allgemeinheit vor einem unkalkulierbaren Risiko durch dieses Rennen zu schützen oder diesen Killer und mit etwas Glück sogar die betrügerischen Hintermänner des Rennens dingfest machen zu können. Aber das ist hier nicht die Alternative. Das Rennen findet auf jeden Fall statt. Wir können schließlich nicht alle Sportwagen, die sich innerhalb der nächsten Zeit in der Nähe des 75. Längengrades aufhalten, stoppen und die Fahrer festnehmen. Dazu fehlt jede rechtliche Handhabe. Davon abgesehen wäre das auch gar nicht durchführbar.“
„Und die Veranstalter des Rennens sähen darin nur eine weitere Schikane, die die Fahrer zu nehmen hätten, sodass der Wetteinsatz etwas spannender würde!“, ergänzte Milo. Er wandte sich an mich. „Ich fürchte, es gibt keine andere Möglichkeit, als dass wir Clements Vorschlag folgen und einen Fahrer einschleusen.“
Ich nickte. „Wenn wir das geschickt anstellen, dann gelingt es uns vielleicht, unterwegs diesen Robert Dawn zu stellen!“ Die Ergreifung eines Killers wie Robert Dawn war es ganz sicher wert, auch den Sportwagen aufs Spiel zu setzen.
Und vielleicht kam man ja auch an die Hintermänner des Northern Cannonball heran, für die das Ganze einfach nur ein mörderisch gutes Geschäft war…
„Das Risiko ist erheblich, Jesse“, gab Mr McKee zu bedenken. „Dass dieser Robert Dawn – oder wie immer er sich im Moment auch nennen mag, sofort schießt, wenn er glaubt, dass ihm jemand auf den Fersen ist, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu sagen! Aber es gibt noch eine andere Gefahr, die Sie nicht unterschätzen sollen! Die Organisatoren des Rennens sind durch den GPS-Sender jederzeit über Ihre Position unterrichtet. Wenn unser Informant ein doppeltes Spiel spielt oder von seinen Leuten einfach nur mal richtig in die Mangel genommen wird und seine Zusammenarbeit mit uns gesteht, dann sind Sie in akuter Gefahr. Die können in aller Ruhe einen Hit-man auf Sie lauern lassen!“
„Andererseits ist es vielleicht möglich über einen dieser GPS-Empfänger an die Hintermänner heranzukommen“, erwiderte ich.
Mr McKee hob die Schultern.
„Ob es technisch möglich ist, die Signale zu verfolgen, kann sich erst erweisen, wenn wir eines dieser Geräte in den Fingern haben und untersuchen können.“
„Aber diese Sender bekommen nur die Fahrer!“, sagte ich. „Also bin ich dafür, es zu wagen.“
Mr McKee kratzte sich am Kinn. „Ich habe heute Abend noch einen Termin mit einem Bundesanwalt. Bevor man so eine Aktion in Angriff nimmt, müssen wir uns absichern. Ich hoffe, dass ich Ihnen morgen früh näheres sagen kann.“
8
Mr McKee sorgte dafür, dass die Operation auf allen Ebenen grünes Licht bekam. Wir brauchten neben dem Okay der Justiz vor allem auch die Unterstützung der örtlichen Polizeibehörden, mit denen wir über unser Field Office in ständigem Kontakt bleiben würden. Vor allem musste genehmigt werden, dass das FBI das fällige Startgeld vorstreckte.
Zwei Tage nach dem ersten Treffen mit Clement kam es zu einer weiteren Verabredung mit unserem Informanten.
Diesmal trafen wir uns in der Nähe von Loebs Boathouse im Central Park.
„Was ist mit der Liste der Teilnehmer?“, fragte ich.
„Da werden Sie sich noch etwas gedulden müssen.“
„Langsam weiß ich nicht, was diese Hinhalterei soll und ob das Ganze nicht vielleicht nur eine große Luftblase ist, die Sie uns da präsentieren“, konnte ich meine Enttäuschung nicht verbergen.
„Hören Sie, Agent Trevellian, ich muss extrem vorsichtig sein.“
„Konnten Sie wenigstens noch etwas mehr über Robert Dawn erfahren?“
„Nein. Ich fürchte, mit den Angaben, die ich Ihnen gegeben habe, werden Sie auskommen müssen. Aber ich habe inzwischen mit ein paar Leuten über Ihre Teilnahme an dem Rennen geredet. Ich nehme an, Ihr Partner ist als Beifahrer dabei?“
Ich nickte. „Ja, so hatten wir uns das gedacht.“
„Sie werden unter Ihrem richtigen Namen an dem Rennen teilnehmen. Die entscheidenden Personen wissen, dass Sie FBI-Agent sind. Sie sehen darin einen zusätzlichen Reiz für das Publikum.“
Ich starrte Clement an wie einen Geist. Wollte der Kerl die ganze Operation schon zum Scheitern bringen, noch ehe sie begonnen hatte? Ich glaubte mich verhört zu haben. „Das kann unmöglich Ihr Ernst sein!“, stieß ich hervor.
„Irrtum, Agent Trevellian. Das musste sein. Ihr Wagen ist so individuell, dass die Leute, mit denen ich zu tun haben, Ihre Identität ohnehin im Handumdrehen ermitteln