Und überhaupt, wenn ich noch einmal „Und täglich grüßt das Murmeltier“ sehen muss, werde ich doch darüber nachdenken müssen, ob meine Faust nicht vielleicht in das Gesicht des besagten ewigen Wiederkehrers passt. Das Murmeltier geht mir nämlich derart auf den Sack, wenn ich das so sagen darf.
Dass ich bisher alles so gut ertragen habe, muss ich mir persönlich hoch anrechnen. All das, was meine Mitmenschen mit ihrem Verhalten oder ihren Äußerungen auf meine fleischliche semipermeable Feinfühligkeitswand, mein sogenanntes „dickes Fell“, geschossen haben. Alles, was daraufhin ungewollt in mein Innerstes vorgedrungen ist. Gut, dass ich das mal gesagt habe. Wer weiß, wie lange ich noch auf ein solches Lob gewartet hätte!
Ich will nur alle, die mich bereits zu kennen glauben, wissen lassen,: Ich habe bisher immer versucht, mein Bestes zu geben. Das werde ich im Folgenden ausreichend verdeutlichen.
Selbst im Hamsterrad immer das Bestmögliche zu leisten, ist schon mal etwas. Denn mancher Weg erscheint oftmals viel zu lang. So, als befände man sich auf einem Endloslaufband. Und wer weiß, wer noch so an der Uhr des Lebens gedreht hat. Denn die dreht sich seit einiger Zeit nun deutlich schneller. Schwer verdauliche Kost für einen Hobby-Zeitmanager, wie ich es bin.
Und meint der vermeintliche Zeitenbeschleuniger wirklich, ich hätte nicht gemerkt, dass die Zeit sich nicht nur schneller dreht, sondern auch, dass immer mehr in diese immer kürzer werdende Lebensdauer hineingepackt wird?
Da, wo vieles gerade mal angefangen hat, endlich beschaulicher in meinem Leben zu laufen, nehmen andere Dinge erst recht Fahrt auf. Alles in allem kann das doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Ich werde und muss der Sache auf den Grund gehen.
Damals hätte ich noch mithalten können, schließlich war ich sogar über zwei Zentimeter größer als heute und hätte noch größere Schritte machen können. Nun laufe ich im Hamsterrad mit meinen kürzeren Beinen aber sogar noch schneller. Ich muss. Und was sich da so körperlich alles verändert … ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was nützen mir die größer werdenden Ohren, wenn ich all das unausstehliche Gezeter meiner mehr oder weniger geliebten Mitmenschen doch gar nicht hören will? Und, welchen Zweck auf einmal diese vielen Sommersprossen auf meiner Haut haben sollen, das muss mir auch noch jemand erklären. Altersflecken sollen das sein? Pah. Wofür sollen die denn stehen? Für all meine Schandtaten oder wohl eher für die vielen Dummheiten, die man im Leben begangen hat?
Die poppen mittlerweile in solchen Massen auf, dass Pippi Langstrumpf puren Neid verspürt hätte.
Mir gelingt es überhaupt nicht, auch nur annähernd plausible Antworten auf all meine offenen Fragen zu finden. Noch mehr wundert es mich für so manch einen, dass nicht doch eine höhere Intelligenz für einen kurzen Moment die Schwerkraft aufhebt und schwupp: „wech is‘ er oder die.“
Damit hätte er oder sie einem anderen Mitmenschen viel Leid und Kummer erspart und gleichzeitig viel Freude gebracht. Nur schlecht ist es, wenn man in den Augen dieser anderen Menschen selbst derjenige ist, den alle gerne entsorgt sehen würden.
Trotzdem – ich bin mir ziemlich sicher, dass es diese überirdische Intelligenz geben muss. Davon ist beinahe sicher auszugehen, wenn man sich so einige dieser menschlichen „Was-auch-immer hier auf Erden“ ansieht. Leider bin auch ich einer von ihnen. Aber eine Sache ist klar: Wir drehen uns nur allzu schnell im Hamsterrad des Lebens, sich nur einen kurzen Schlaf gönnend und immer wieder mit jedem Tag neu startend. Begleitet von so vielen Hindernissen, die von Leuten erzeugt werden, die diese Welt nun wirklich nicht braucht. Auf den ersten Blick macht es zumindest den Eindruck.
Da muss doch selbst Gott, wenn es ihn tatsächlich geben mag, eine gehörige Portion Humor gehabt haben. Oder war es eher sein Sarkasmus, uns das einst so einfache Leben mit etwas Stimmungsmache versüßen zu wollen?
Für mich wirken unsere Mitmenschen viel eher wie Schläfer. Denn die meisten wollen sich gar nicht am Stück an dieser göttlichen Lebenskomödie beteiligen. Sie befinden sich vielmehr in einer Art Langzeitschlaf. Vielleicht warten sie darauf, vom hübschen Dornröschen oder einem Traumprinzen täglich wachgeküsst zu werden.
Eher aber wird vielen unserer hoffnungslosen Zeitstatisten am Ende dann doch nur die Hammerschlagmethode helfen.
Der Irrsinn des Lebens scheint also nicht nur andere, sondern auch mich getroffen zu haben!
Drei Dinge helfen, die Mühen des Lebens zu tragen: die Hoffnung, der Schlaf unddas Lachen
Immanuel Kant
Kapitel 1 – Aller Anfang ist schwer
Ich habe es gewusst. Selbsterfüllende Prophezeiung oder soll ich einfach weniger poetisch sagen: so ne‘ Kacke. Der Wecker klingelt schon wieder. Das muss nun zum vierzehntausendsechshundertsten Mal sein. Und bevor jetzt jemand tatsächlich den Taschenrechner hervorkramt: Es sind genau vierzig Jahre.
Als wenn es mit jeder Wiederholung besser werden würde, das morgendliche Aufstehen. Man könnte glatt schreien vor Glückseligkeit. Nee. Eigentlich hasse ich diesen Wecker. Dieses ekelhafte digitale Ding. Ich hasse meinen Wecker dafür, dass er die Frechheit besitzt, sich nicht mal (digital wie er ist, mit all seinem Funktionsschnickschnack, das der Verkäufer mir so angepriesen hat) an meine Schlafbedürfnisse anzupassen. Nein, das teure Ding besitzt null Komma null Feingefühl. Nichts von dem, was moderne Technik heutzutage können sollte, Empathie übernehmen oder ähnliches. Meinem Wecker ist davon rein gar nichts in seine digitale Feinfühligkeitsplatine einprogrammiert worden.
Er ist einfach ein ganz unsensibles Ding. Tatsächlich überlege ich gerade, ihn einfach mal nicht mit neuer Energie aus dem Stromnetz zu betanken. Strafe muss sein. Basta!
Und während ich noch auf der Bettkante sitze und meine Socken suche, muss ich feststellen, dass die verstreut im dunklen Raum liegen. Alles deutet auf den missglückten Versuch hin, sie vor dem Zubettgehen ordentlich hinlegen zu wollen. Ich erinnere mich, übel auf dem Boden weggerutscht zu sein, die Socken in alle Richtungen fliegend …
Genau, so war es! Ich rutschte vor dem Bett aus und schlug mit dem Kopf auf den Boden, wurde kurz ohnmächtig und bin irgendwann auf dem eisigen Boden und vor Kälte zitternd zu mir gekommen – und daraufhin wohl halbbenommen ins Bett geklettert. Ich ziehe mir nun die Socken, endlich aus den verschiedenen Ecken des Zimmers zusammengeklaubt, gemächlich an. Einer lag hinter dem Wäscheständer, der andere unter dem Bett. Mein Blick fällt eher rein zufällig auf das Thermometer vor dem Fenster: 21° Celsius. Frühling.
Verdammt, vielleicht muss ich mir einfach nur mal merken, wohin ich meinem Kram lege. Dann kann ich mir die eigens so fein konstruierten abenteuerlichen Ausreden sparen. Und wie immer geht es als nächstes ins Bad. Zum üblichen Hygieneprogramm.
Allein das Wort macht einem schon Angst, denn es lässt jeden unbescholtenen Menschen wissen, dass nun ein größeres Pflegeprogramm folgt. Duschen? Check. Achselspray? Check. Ankleiden? Mist! Hose falschherum angezogen. Wieder ausziehen, umdrehen, neu anziehen. Check! Hemd anziehen … geht nicht. Es muss wohl eingelaufen sein, denn es passt auf einmal nicht mehr. Na, das wollen wir doch mal sehen.
Nach gut 7 Minuten und 35 Sekunden hat nicht nur das Hemd nachgegeben, sondern auch diverse Knöpfe. Egal, man trägt heute leger, denke ich. Check.
Zähne putzen, bis die Zahnbürste vibriert, um mir zu sagen, dass ich die Zeit eingehalten habe. Vielleicht könnte die meinem Wecker mal was beibringen. Und überhaupt, wenn sich hier schon so viele elektrische Geräte befinden, warum können die sich nicht mal zur Schwarmintelligenz zusammentun? Okay, weitermachen. Rasieren. Äh, der Rasierer ist leer. Akku auf null Prozent? Hatte ich den etwa auch schon für irgendein Vergehen bestraft und vom Strom getrennt? Gut, dann Akkurasierer laden, Nassrasierer raus. Analoges Rasieren geht schließlich auch.
Kaum angefangen mich mit der Klinge zu rasieren, sehe ich schon verdächtiges Rot unter dem weißen Schaum hervorblitzen. Es zeichnet sich in solch einem schönen