Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036192
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Schweigen währte. Verginius Rufus kämpfte einen aussichtlosen Kampf gegen sich selbst. Dann brach es aus ihm heraus.

      „Nicht Viator und Paratus waren der Grund, euch ziehen zu lassen… Es war Crito! Er war der Kluge, der Bedächtige! Dort wo ich Viator und Paratus hinschicken konnte, Dinge mit dem Gladius zu regeln, würde er manches mit Klugheit und Geschick gewinnen, wo die Fäuste der beiden Anderen versagten… Ehren wir ihn, wie er es wirklich verdient…“ Verginius Rufus wandte sich dem Toten zu, schlug seine rechte Faust auf das Herz in seiner Brust und sprach: „Aulus Ligurius Crito, Pilus Prior der fünften Kohorte der Legio XXII Primigenia, blieb auf dem Feld der Ehre für Rom, Kaiser Nero und seine Legion! Ihn zeichnete Mut, Entschlossenheit, Klugheit und Treue aus!“

      Gerwin merkte, wie sich der Legat entspannte.

      „Wirst du diese Worte vor allen Legionären auch sprechen, wenn er auf dem Feuerholz liegt, Legat?“

      „Ja, das werde ich!“

      „Und Viator, Paratus und …“

      „Nein!“ Die Antwort unterbrach, obwohl leise gesprochen, die weitere Frage Gerwins. Verginius Rufus drehte sich langsam um.

      „Du bist ein überaus kluger, junger Mann. Ich schulde dir mein Leben… Du kannst von mir begehren, was du möchtest, sofern ich, und nur ich, es dir geben kann! Doch Roms Rechte bin ich nicht befugt zu beschneiden oder zu verbiegen… Es ist nicht mein Urteil, was dabei zählt… Viator weiß das!“

      „Was Herr, ist mir entgangen?“ Gerwin spürte Wut aufsteigen.

      Der Legat zögerte erneut, dann aber, nach erneuter Überlegung, sprach er: „Viator und Paratus flohen vom Schlachtfeld! Rom könnte Kämpfern wie diesen leicht verzeihen, denn nicht sie waren es, die versagten… Doch sie flohen und ließen Andere sterbend zurück. Alle diese gefallenen Gefährten fordern ihre Schuld ein. Die Schuld ist ein Leben!“ Der Legat versank in eigenen Gedanken.

      „Aulus gab sein Leben für Rom und seine Legion, selbst wenn er im Kampf für mich fiel! Seine Schuld ist beglichen… Er erlangte seine Ehre zurück! Viator und Paratus stehen weiter in der Schuld dieser Legion und diese Schuld erlischt erst mit deren eigenem Tod, oder an dem Tag, an dem der Letzte in der Legion, zum Tage ihrer Flucht Dienende, ausgeschieden ist… Es liegt nicht in meiner Macht…“ fügte der Legat dann nachdenklich, jedes Wort bewusst setzend, an. „Ich konnte eure Verfolgung einstellen, jede weitere Verfolgung untersagen, euch vor unlösbare Aufgaben stellen und dennoch besitze ich nicht die Macht, diese Schuld von den Schultern deiner Freunde zu nehmen…“

      Sie verharrten in Schweigen, starrten sich an und auch wenn es ihn betroffen machte, konnte sich Gerwin den Argumenten nicht entziehen. Der Legat besaß recht! Die Legion, alle Legionen Roms und damit jeder einzelne Legionär besaß gegenüber Viator und Paratus das größere Recht.

      „Und Sexinius?“

      „… ist mit dem, was ich ihm gab, zufrieden. Er möchte nicht wieder in die Legion, was dann die Einnahme seiner früheren Stellung als Centurio beinhaltete… Es wäre ein Leichtes, diese Forderung durchzusetzen… Dann aber verlor Paratus die eine Hand und wer von uns weiß schon, wann diese Hand sein Fell rettet…“ Verginius Rufus versank in sich. „Außerdem will Sexinius nicht zurück!“ fügte er dann hinzu und setze auch fort: „Er besteht, auch mir gegenüber darauf, bei Viator, Paratus und dir zu bleiben, was immer auch geschieht… Als Speculator gibt er euch eine Handlungsfreiheit, die ihr nutzen könnt. Er erhält Sold und wenn er mehr davon braucht, muss er seinen Mund öffnen…“

      „Herr, dennoch bleiben Viator und Paratus arme Hunde, dürfen jeden Dreck beseitigen und werden mit Nichtachtung, mit Ehrlosigkeit und weil sie keine einzige Münze Roms sehen, mit Armut gestraft… Meinst du, das ist gerecht? Mache sie alle zu Speculatores! Ich denke, dies sollte es dir wert sein…“

      „Nein, Gerwin! Viator und Paratus müssten in die Bestandslisten eingetragen werden und wären damit erneut berufen. Das geht nicht! Dich könnte ich zum Speculator machen… Nur will ich das nicht! Verlasse ich diese Legion, musst du dann bleiben… Es wäre ein schlechter Zug von mir! Außerdem fällst du dann unter den Befehlszwang und dies würde dich eines Teils deiner außerordentlichen Fähigkeiten beschneiden… Schlag dir das aus dem Kopf und bringe es nie wieder vor mich!“ Zorn übermannte den Römer.

      „Dann Herr, erhöhe Sexinius Wert in Roms Legion! Erhöhe ihn zum Centurio der Speculatores und erteile ihm eine Order, die ihm volles Recht zubilligt, egal was er im Interesse der Legion oder Roms ausführt. Damit bindest du auch Viator und Paratus ein, wenn du Sexinius die freie Anwerbung von Hilfskräften zubilligst!“

      „Ich werde darüber nachdenken! Lass uns jetzt gehen und die Totenwache beginnen…“

      „Herr erlaube, dass ich der Zeremonie fernbleibe… Ich trauere lieber auf meine Art um den verlorenen Freund!“

      „Das überlege dir noch einmal… Es sind deine Legionäre, nicht nur deine Freunde, die um die Toten trauern. Sie achten dich! Auch wenn du keinen Rang trägst, gibt es in dieser Legion wohl keinen Mann, der nicht sofort deinem Befehl folgen würde… Diese Gunst setze nicht aufs Spiel…“

      „Herr wenn du mich so aufforderst…“ Gerwin lächelte und sie bemerkten Beide, dass der Frieden zwischen ihnen einer erneuten Bewährung standhielt und die Verbundenheit, sowie das gegenseitige Vertrauen, eher gestiegen sind…

      Gerwin nahm zur Kenntnis, dass der Legat seine Bedeutung innerhalb der Legion nicht nur wahrgenommen hatte, sondern diese auch noch zu steigern wünschte. Auf keinem Fall wollte Verginius Rufus, das Gerwin an Auctoritas verlor.

      Gerwin ließ dem Legat den Vortritt beim Verlassen des Grubenhauses. Niemals würde einer der drei Gesprächspartner über das Gesprochene reden.

      Der Legat besaß keine Veranlassung, über ihm eigene Bekenntnisse zu sprechen, Gerwin brachte keine allzu große Wirksamkeit seiner Absichten zum Erfolg und Aulus war tot. Er würde das Gehörte mit absoluter Sicherheit für sich behalten…

      Das Schweigen der Toten war ewiglich!

      Legat und Hermundure trennten sich.

      Gerwin stieß auf seine Freunde und musterte diese.

      „Was werdet ihr tun, wenn die Totenehrung beginnt?“

      Viator zuckte mit der Schulter. „Ich denke, wir haben kein Recht uns unter die Mannschaft zu mischen… Vielleicht sollten wir uns damit begnügen, in einem größeren Abstand anwesend zu sein?“

      „Warum?“ fragte Gerwin und blickte ihn starr an.

      „Weil wir ‚Verlorene’ sind, weil wir eine Schuld tragen, die es uns unmöglich macht…“

      „Aber ihr wart es, die den Gegner zersplitterten, ihr drangt in den Feind ein und es hätte auch euer Tod sein können… Viele der Milites haben euch im Kampf gesehen…“ sträubte sich Gerwin.

      „… ist es aber nicht!“ Es war Paratus Stimme die jedes Aufbäumen oder Bedenken hinweg wischte. Diese Stimme entschied auch deshalb, weil sie in einer ernsten Erwägung nur selten zu hören war.

      Gerwin begriff das Unabänderliche. Hatten doch beide Verlorene bestätigt, was zuvor auch der Legat erklärte. Viator und Paratus trugen gegenüber jedem Legionär der Primigenia eine Schuld, die erst mit deren Tod beglichen werden konnte.

      Gerwin erfasste Zorn, weil diese, seine Freunde, den Sieg über die Feinde erzwangen. Sie kämpften dort, wo der Kampf entschieden wurde und wüteten in Nichtachtung für das eigene Leben… Auch diese Beiden waren zum Opfer bereit und jeder, der in ihrer Nähe kämpfte und überlebte, sah dies ebenso wie jeder sterbende Legionär. Warum galt dies, im Lager der Lebenden und auch der Toten, nicht als Beweis für Tapferkeit, Mut und Ehre?

      Noch immer in Erinnerungen versunken, suchte er sich einen umgestürzten Baumstamm in der Nähe der errichteten Holzstöße zur Verbrennung der Toten, setzte sich mit angezogenen Beinen und umfassenden Armen auf den breiten Stamm und legte seinen Kopf auf die Knie. Er wollte weder Sehen noch