Der Lebensraum der Germanen
Es ist an dieser Stelle angebracht, die räumliche Einordnung der Germanen am Niederrhein zu versuchen. Alle zuvor erwähnten Stämme haben verzweifelt um ihre Unabhängigkeit gekämpft. Es war ihnen nicht zu vermitteln, warum sie ihre Freiheit aufgeben und römische Untertanen werden sollten. Caesar interessierte diese Thematik wenig. Er wollte die germanischen Bewohner als neue Untertanen Roms, auch mit Gewalt. Neben diesen genannten Stämmen, deren Schicksal es war, auf dem falschen Ufer des Rheins, dem linken, gelebt zu haben, müssen noch andere genannt werden, die in unterschiedlicher Art und Weise in die Kriege mit den Römern verwickelt waren:
Sie heißen Ubier, Tenkterer, Usipeter und Sugambrer. Sie gelten als rechtsrheinische Germanen und sind damit Bestandteil der Bedrohungskulisse, die Caesar aufbaute.
Bislang gibt es keine Karten, in denen überschaubar und verständlich die Lebensräume der als germanisch bezeichneten Stämme, wie sie Caesar überliefert hat, dargestellt wurden. Das liegt vor allem daran, dass sie von vielen Historikern als keltisch bezeichnet werden und man ihre germanische Abstammung verschleiern möchte. Es mangelt nicht an jüngeren deutschen Historikern, die sich gar erdreisten, den Begriff germanisch als obsolet abzuschaffen versuchen. Wenden wir uns jedoch wieder dem Lebensraum der niederrheinischen Germanen zu. Sowohl in Droysens Historischem Atlas als auch im Historischen Weltatlas des marixverlags (Dr. Walter Leisering als Herausgeber), ebenso in Wikimedia (Map Gallia Tribes) und anderen Quellen stimmt die geografische Einordnung der linksrheinischen Stammesnamen annähernd überein. Jedoch ohne Grenzziehung.
Um sie mit größerer Präzision, d.h. sogar mit Stammesgrenzen darstellen zu können, ist die Betrachtung der naturräumlichen Gegebenheiten zwingend erforderlich. Die wichtigste Rolle spielen darin die Gewässer, d.h. die Beziehungen zu den Küsten, zu den großen Flüssen und zu den Systemen der Nebenflüsse. Um einen ersten Überblick über das in Frage kommende Gebiet zu geben, wurde die Abb.4 angefertigt.
Die Lage der einzelnen Stammesgebiete entspricht überwiegend den Darstellungen in historischen Atlanten, wie sie heute allgemein gebräuchlich sind. Anhand der spärlichen Quellen sind die Verhältnisse zur Zeit Caesars schwerer einzuschätzen als später unter den Eroberungsversuchen seiner Nachfolger Augustus, Tiberius und Drusus. Geht man davon aus, dass sich in diesem kleinen historischen Zeitabschnitt keine wesentlichen Verschiebungen der Wohnsitze nachweisen lassen, kann von stabileren Verhältnissen ausgegangen werden, als sie von jüngeren deutschen Historikern immer wieder gern erfunden werden. Ich erwähne dies nur, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Stämme auf italienischem, spanischem und französischem Boden noch heute dort angesiedelt werden, wo sie zur Zeitenwende und früher wohnten. Es wird ausschließlich den germanischen Stämmen andauernde Bewegung unterstellt, um sie als Eindringlinge ausweisen zu können. Ganz im Sinne Caesars. Die niederrheinischen Germanenstämme sind in der Abb.3 in grünen Farbabstufungen dargestellt worden. Abgesetzt davon, angeregt durch Caesars Übermittlung, die östlich lebenden Sweben und die Nordseestämme. Es wurden als einheitliche Farbtöne für diese Gebiete gelbliche gewählt.
Abb.3
Die Stammesgebiete der Germanen am Niederrhein zur Zeit der römischen Eroberungskriege 58 v.Chr. bis 50 v.Chr.
Wie man die Treverer zwischen den niederrheinischen Germanen und oberrheinischen Sweben einordnen könnte, ist schwierig zu entscheiden.
Durch das Sekundärgebiet der Mosel verfügten sie über einen abgeschlossenen Lebensraum mit natürlichen Grenzen, gebildet durch die Wasserscheiden der Eifel, Ardennen, Vogesen und des Pfälzer Waldes. Obwohl Caesar die Treverer niemals Germanen oder Sweben genannt hat, konnte er doch nicht verschweigen, dass sie sehr enge Bündnisse mit ihnen eingegangen waren. Vor allem mit den Eburonen unter Ambiorich und mit den Ubiern, ihren anderen Nachbarn. Jede Auseinandersetzung mit den Römern beginnt mit dem Hinweis darauf, dass sie sich Hilfe vom anderen Rheinufer holten. Im wissenschaftlichen Sinne haben wir es bei den Treverern mit Germanen zu tun. Zur Zeit Caesars nannten sie sich Treverer.
Sie nahmen niemals an den von Caesar angeordneten Versammlungen der keltischen Stämme teil. Dem niederrheinisch geprägten Germanenverband möchte ich sie aber nicht zuordnen.
Die belgischen Gebiete werden unterschiedlich gefärbt dargestellt, getrennt in Nord- und Südbelger. Caesar hat sie zwar als einen Stammesverband mit eigenem Landtag bezeichnet, doch haben wir anhand der Kriegszüge erkennen können, dass sich die im Süden lebenden unter Galba und die im Norden lebenden unter Boduognatus getrennt mit den Römern schlugen. Besonders die Nervier des Nordens waren mit ihren germanischen Nachbarn enger verbunden und Caesar ließ ihnen aufgrund ihrer Stärke die Freiheit etwas länger als den anderen Belgern. Offensichtlich spielte eine Rolle, dass sich die Nervier, Atrebaten und Viromanduer, also die nördlich der Wasserscheide zwischen Seine und Schelde lebenden Stämme, ihrer germanische Abstammung viel stärker bewusst waren als die südlich davon lebenden, die sich bereits stärker mit keltischen Bewohnern vermischt hatten. Bellovaker und Haeduer waren zeitweise sogar Verbündete gegen Ariovist gewesen.
Keltische Nachbarn haben die Germanen am Niederrhein nicht. Den Übergang zu ihnen bilden die südlichen Belgerstämme. Die Treverer dagegen grenzten im oberen Einzugsbereich der Mosel und der Maas an die keltischen Stämme der Lingonen und Sequaner. Einen Streitfall könnten die Mediomatriker bilden, die vielfach als keltischer Stamm bezeichnet werden und die Region um Metz bewohnt haben sollen. Die alte Reichsgrenze um 1000 und heutige Sprachgrenze geben keine erschöpfende Antwort darauf, wo sich die germanische Sprache (heute Mosel- und Rheinfränkisch) und die keltische schieden. Vielleicht verweist der Begriff Mediomatrici bereits auf eine Art Zwischenstellung zwischen beiden. Auch könnte der Grund für die Spaltung der Treverer zwischen den Anhängern Inditiomarus und Cingetorix darin begründet liegen, dass sich Teile der Stammesbevölkerung des Südens den Kelten näher fühlten als den Germanen. Insofern sind die Stämme in den Übergangsgebieten, die Sequaner, Leuker und Mediomatriker schwer in eines der beiden Großvölker einzuordnen.
Für die weiteren Betrachtungen der Kriege Caesars sollen und können aber diese ethnischen Fragen keine entscheidende Rolle spielen. Nur zum besseren Verständnis: Wenn im weiteren Verlauf der Handlungen von Germanen gesprochen wird, dann sind das unzweifelhaft die am Niederrhein und zwar beidseitig. Auch an der Mosel leben Germanen, aber sie heißen im Buch Treverer. Südlich davon nenne ich die Stämme swebisch. Dazu gehören die Mattiaker im Taunus und die Chatten an der Weser.
Nimmt man die Flusseinzugsgebiete als geografisch abgrenzbare Lebensräume an, dürfte es nur mit dem Oberlauf der Maas Probleme geben. Deren Einzugsgebiet wird so schmal und dringt so tief nach Süden vor, Teile waren noch dazu sehr unwirtlich, dass es bis zur Quelle ganz gewiss nicht mehr von Eburonen oder Condrusern bewohnt wurde. Entweder hatten sich dort Treverer oder weiter flussaufwärts Lingonen niedergelassen. Es könnte auch sein, dass das schmale Tal Niemandsland oder einfach Ödland blieb.
Im nächsten Abschnitt wende ich mich nunmehr wieder dem eigentlichen Feldzug Caesars zu, in dem er über die belgischen Gebiete hinaus an den germanischen Rhein vorzudringen gedachte.
Der Überfall auf die Atuatuker
Herkunft-wer sind die Atuatuker?
In seinem Buch „De Bello Gallico“, (liber II, 4,10) erwähnt Caesar zum ersten Male einen Stamm mit dem Namen Atuatuker (lat. Atuatuci). Von den Remern, Angehörigen des belgischen Stammes der Suessionen, die sich als Römerfreunde abspalteten, erhielt er die Information, dass die Atuatuker im Jahr 57 v.Chr. wie viele andere Stämme auch, dem Oberbefehlshaber der vereinigten belgischen Streitkräfte, König Galba, 19.000 Bewaffnete zugesagt hätten. Als Caesar den Krieg gegen die Suessionen begann, beteiligten sich jedoch die Atuatuker nicht an den Kämpfen. Jedenfalls hat Caesar sie nicht erwähnt. Erst als er gegen die nordbelgische Allianz unter Boduognatus, die aus den belgischen Stämmen der Nervier, Atrebaten und Viromanduer bestand, zu Felde zog, sagten sie angeblich ihre Hilfe zu und schickten ein Heer auf den Weg, dessen zahlenmäßige Größe unbekannt blieb. Caesar sagte