Allerdings fürchte ich, dass mein schrilles »AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHRRRRG GGGGHHHHHHHJJJJJ-JJIIIIIIHIII!!!!!« den Eindruck verfälscht.
Mit einem fetten PLATTTTSCH kommt zuerst die Eisscholle auf dem Wasser und dann ich auf der Eisscholle auf. AUTSCH, denke ich und beisse den Schnabel knirschend zusammen. Zu guter Letzt kommt auch der kleine Eisklumpen hinterher geflogen und landet, NA WO WOHL?, auf meinem Kopf. Ha, dem hab ich es gezeigt, ist wie geplant jemandem auf den Kopf geflogen.
Ich gucke hoch und sehe gefühlte 220 Meter über mir meine Schwester 17. Sie schaut etwas irritiert über die frisch abgebrochene Kante zu mir runter.
»Was machst du denn da unten?«, will sie wissen.
»Wonach fieht ef denn auf?«, rufe ich zurück und erschrecke. Seit wann lispel ich denn? Ach du fetter Wal, ich muss mir bei meiner Snowboardschlitterfahrt den Schnabel ordentlich verrenkt haben. Na toll, hoffentlich wird das wieder.
»Und wieso lispelst du?«, ruft sie zu mir runter.
»Waf weiff denn ich?«, brülle ich.
»Kommst du wieder hoch?«
Ich schaue mich um. Nix zum Hochkommen in Sichtweite.
»Äh, nö«, rufe ich.
»Ach so«, sagt sie.
»Ich glaube, ich fahre mal fo ein biffchen rum«, sage ich und tippe mit der rechten Flosse auf mein Eisfloß. »Daf war nämlich daf, waf ich eh vorhatte. Tolle Fache.« Na, hoffentlich glaubt sie mir das.
»Okay«, sagt 17. »Bist du zum Abendessen zurück?«
Ich überlege. Wenn ich schon hier unten bin, kann ich auch ebenso gut hier unten bleiben und mich etwas umsehen. Hier ist es zwar auch nicht kälter als oben, aber dafür ist es wenigstens mal was Neues. So schnell kann das also gehen: eben noch gemeckert, dass nix passiert und ZACK schon sitze ich auf ner Eisscholle. Egal, einfach mal machen, denke ich. Könnte ja auch gut werden.
»Glaub nicht«, rufe ich ihr zu. »Ich mach mich mal auf Erkundungftour.«
»Na gut, mach das«, sagt sie und watschelt Richtung Zuhause. »Tschüß 45 und viel Erfolg.«
Ich winke ihr zu und während mein Eisfloß aufs offene Meer treibt rufe ich »Tfchüff Füdpol.«
MOIN MOIN
Ich hüpfe auf den Steg vor mir. Auf dem großen Schild, das darüber angebracht ist, steht LANDUNGSBRÜCKEN. Ich krame in meinem Erdkundewissen.
Ah ja, Hamburg, denke ich. Na schön, könnte schlimmer sein.
Falls sich jetzt irgendjemand wundert, wieso ich eben noch am Südpol war und jetzt schon in Hamburg bin: Diese echt LAAAAAAAAAAAAAAAAAANGE und ÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖDE Zeit dazwischen interessiert wirklich keine Seekuh, da ist nämlich nix passiert. Also rein gar nix. Außer, dass mein Eisfloß immer kleiner geworden ist und ich am Ende nasse Flossen bekommen habe. Insofern passt es mir ganz gut, dass ich jetzt hier gelandet bin und mit einem kühnen Sprung an Land gehen kann.
Ich schaue auf mein mittlerweile klitzekleines Floß, das mit einem leisen GLUCK im Wasser versinkt und denke: Weg isses. Tschö.
Also Hamburg. Scheint mir auch nicht gerade kälter zu sein als Zuhause. Aber viel nasser. Anstatt Schnee fällt hier Regen vom Himmel. Sonne und 30 Grad weniger wären schon nett, denke ich und bekomme ruckzuck schlechte Laune. Mit verschränkten Flügeln watschel ich den Steg hoch auf den erstbesten Menschen zu. Es ist ein grummelig aussehender Mann mit Bart und alberner Kapitänsmütze auf dem Kopf, der neben einem Schild hockt auf dem GROßE HAFEN RUND FAHRT steht. Kritisch betrachte ich es.
»Moin Moin«, grunzt er mich an.
Ich schaue zu der großen Uhr, die an dem Hafengebäude hängt. Viertel nach fünf am Nachmittag.
»Gerade erft aufgeftanden?«, frage ich.
Er schaut mich irritiert an und knarzt: »Nä du, ich bin hier schon seit acht Uhr in der Früh am machen.«
»Aha«, wundere ich mich, »dachte nur.«
»Bist wohl nicht von hier?« Er mustert mich mit gerunzelter Stirn. »München?«
Ich tippe erst auf eine meiner schwarzen und dann auf eine meiner weißen Federn. »Fchwarz-weiff, nicht blau-weiff«, sage ich.
»Stimmt.« Er klatscht sich mit der Hand vor die Stirn. »Das verwechsel ich immer.«
»Fagen fie mal, ift ganz fchön trüb hier, kommt die Fonne heute noch rauf?«, will ich von ihm wissen.
Er schaut mich mit großen Augen an und fängt dann lauthals an zu lachen. Was ich nicht besonders nett finde. Ehrlich, das war eine ganz höfliche Frage. Aber die alberne Kapitänsmütze kriegt sich überhaupt nicht mehr ein. Mittlerweile japst er nach Luft und prustet dabei immer wieder: »Ha - Ha - Hamburch - Ham - burch …«
Ich verziehe den Schnabel, deute auf sein Schild und sage: »Hafenrundfahrt fchreibt man zufammen.« Dann drehe ich mich einfach um und lasse ihn stehen. Das wird ihm noch zu denken geben – falls er sich jemals wieder einkriegt.
Ich latsche einen Berg hinauf und komme an eine große Kreuzung. Auf dem Straßenschild links steht Reeperbahn, davor stehen zwei echt große Häuser, die aber total schief sind. Wenn die mal nicht umkippen, denke ich. Der Architekt übt bestimmt noch.
Ehe ich mich versehe, stürzt ein Rudel von sechs Frauen auf mich zu. Sie alle tragen rosafarbene T-Shirts, die mit „Rosa traut sich“ bedruckt sind. Außerdem jeweils mit einem Paar Hand-schellen, die wohl aussehen sollen, als hätten sich die Frauen sie locker um den Hals gehängt. In Wirklichkeit sieht es echt schräg aus, weil die Ringe der Handschellen genau den Busen der Frau einschließen.
»Du siehst voll schick aus in deinem Frack«, sagt die einzige Frau, die keine Brustschellen trägt. Stattdessen steckt sie in einem Einteiler, der nach explodiertem Huhn aussieht. Um den Hals hat sie einen Korb hängen, in dem viele kleine Flaschen klimpern. Aha, denke ich, das ist wohl Rosa. Die hat es bestimmt auch nicht leicht.
»Können wir nen Selfie machen?«, fragt eines der rosa T-Shirts. Bevor ich was sagen kann hat mich die Horde eingekreist und eine Armee Handys aus den Taschen gerissen.
»Partyyyyyyyyyyyyyyyyyyy!«, rufen sie und feuern drauf los. Ich halte mir mit meinen Flügeln die Augen zu, als die Blitze der Handys losgehen und schreie: »Ich bin blind, ich bin blind.«
»Ey,