Achim und ich geben das gleiche, perfekte Bild ab wie meine Eltern. Wunderschön, professionell, elegant. Mächtig.
Wir sind nicht verheiratet, diese Nähe ist unangemessen. Wir verstoßen gegen jeden Anstand. Vermutlich wird Achim die Geste mit meinem Verlobungsring entschuldigen, der mit seinen blauen Augen um die Wette funkelt, sollte die Presse ihn auf unseren Körperkontakt ansprechen. „Nach dem, was du erzählt hast, war sie vermutlich die Frau in dem Kleid von Chanel. Ich hielt sie anfänglich für eine Angestellte und bat sie um einen starken Espresso.“ Achim gluckst gedämpft und lässt den Blick desinteressiert über die Reihen von Fotografen wandern. „Sie verfluchte mich auf Italienisch als respektlosen Amerikaner. “Ich presse meine Lippen fest aufeinander, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
Ein Kellner bietet uns Champagner an. Das neue Glas fühlt sich willkommen kühl unter meinen Fingern an. Einzelne Tropfen perlen das edle Kristallglas hinab und küssen zart meine Haut. Der Champagner schmeckt noch etwas prickelnder als der letzte. Blumig. Zart und intensiv zugleich. „Woher die Rivas nur wussten, dass du nicht einer ihrer Landsmänner bist“, necke ich Achim. Er hat für diesen Scherz lediglich ein müdes Lächeln übrig. Mein Verlobter ist die letzte Person, die man als ungehobelten Italiener bezeichnen könnte. Anstatt von glühendem Temperament trägt er aalglatte Entscheidungsgewalt und Konsequenz zur Schau. Er verliert sich nicht in Diskussionen, sondern überzeugt binnen weniger Sätze. Vater und Mutter hätten mich nicht mit Achim verlobt, wäre sein Werdegang nicht derart vielversprechend, wie er ist. Ein junger Mann der sein Jurastudium in Harvard binnen von vier Semestern absolvierte, ist mehr als nur reich und engagiert. Achim ist vermutlich die intelligenteste Person im gesamten Raum. Ich selbst fühle mich oft belanglos und dümmlich neben ihm, selten sogar ein wenig tollpatschig. Müsste man männliche Tadellosigkeit in einem Bild beschreiben, würde man Achim malen, genauso wie er hiersteht, eine Hand locker auf meinem Hüftknochen, den Kopf kaum merklich geneigt, um die perfekte Fotografie zu garantieren. Allein mit seiner Liebe mir gegenüber nimmt Achim mir jede Sorge mit der gleichen Leichtigkeit, wie er inkompetente Handelspartner über den Tisch zieht. Vater nannte ihn einmal den Napoleon unter den Brokern. Er hat Recht behalten.
„Monsieur Depót beobachtet dich seit geraumer Zeit“, murmelt Achim in mein Ohr und lässt den Arm von meiner Hüfte gleiten. Kurz stolpert mein Herz. Ich folge seinem Blick zu einem gepflegten Mann mittleren Alters. Monsieur Depót saß bereits einige Male mit meiner Familie am Tisch, um Verträge zu schließen. Ein durchaus kluger Mann, der es versteht, die Karten verdeckt zu halten und die Unterschrift unter einen Vertrag zu zwingen, der einem die Schlinge um den Hals legt. Wenn meine Mutter vor einem Menschen Respekt besitzt, dann ist er es mit seiner undurchsichtigen Art, die man nur zu schnell als freundlich und zuvorkommend auslegen kann. Das ist nicht zuletzt seinem charmanten, französischen Akzent geschuldet. Sobald man aber zu diesem Trugschluss gekommen ist, wäre es Wahnsinn, sich auf einen Vertragsabschluss einzulassen. Mit Sicherheit ruiniert er einen.
„Denkst du, ich kann das?“, flüstere ich Achim zu, während ich Monsieur Depót über meinen Champagner hinweg zunicke. Achims Lippen streifen meine Ohrmuschel. „Halte dich von bindenden Abmachungen fern und achte darauf, dass die Konversation flach bleibt. Das sollte kein großes Problem für dich darstellen.“
Ich sauge sein unerschütterliches Vertrauen in mich auf. Achim setzt seine Hoffnungen niemals in die falsche Person.
Wenn er an mich glaubt, werden die kommenden Minuten ein Kinderspiel. Ohne einen Blick zurück, entferne ich mich von meiner Familie. Die Schleppe schleift leise hinter mir über das gebohnerte Parkett. Ich nehme jeden Zentimeter, den ich mich auf Monsieur Depót zubewege, übermäßig genau wahr. Er nähert sich mir ebenfalls, die Schritte gemessen, seine Hände locker an den Seiten hinabhängend. Mein Lächeln sitzt perfekt.
Heute ist es erstmals an mir, ihm die Hand zu reichen. Bei meinem Fest bin ich es, die in der Rangordnung höher steht. Es gleicht einem kleinen Triumph, ihm den Handschlag anzubieten, und einem noch größeren, als er seine Manieren nicht vergisst, seine Finger unter meine schiebt, und mir einen winzigen Kuss auf den Handrücken haucht. „Miss Clark”, seufzt er, den französischen Akzent schwer in der weichen Stimme. „Es ist mir eine Freude.“ Mein Herz beginnt aufgeregt zu rasen. Das hier fühlt sich an wie der perfekte Augenblick. Endlich bin ich genau dort angekommen, wo ich hingehöre: an der Spitze. Ich nicke Monsieur Depót zu. „Sie ist ganz meinerseits.“ Kurz schweigen wir. Ich weiß, dass es meine Aufgabe ist, unter diesen Umständen das Gespräch zu führen. Halt die Konversation flach. Dieser Ratschlag hallt wider, als ich Monsieur Depót einen Augenaufschlag schenke und den Kopf leicht schief lege. Wenn man mich in diesen Sekunden ablichtet, wird das Ergebnis makellos sein. „Genossen Sie eine angenehme Anreise?“
Monsieur Depót nickt und verzieht dabei leicht die Lippen, wodurch das Ziegenbärtchen an seinem Kinn kaum merklich hin und her schwingt. „Ihre Butler sind äußerst zuvorkommend. Es ist mir jedes Mal aufs Neue eine Freude, mich von ihnen einkleiden und chauffieren zu lassen. Nicht zu vergessen, der feine Wein, den Ihre Eltern mir bereitstellten. Richten Sie ihnen meinen aufrichtigen Dank aus.“ Ich lache kokett auf. „Für die Weinauswahl war ich zuständig. Es erfreut mich, dass er Ihnen geschmeckt hat.“ Monsieur Depót lässt locker die Hände in den Hosentaschen verschwinden. Er ist neben Achim die einzige Person, bei der diese Geste nicht unangebracht wirkt. Lediglich elegant und gelassen. Lächelnd verlagert er das Gewicht. „Beeindruckend, dass eine junge Dame wie Sie die Vorlieben der Gäste derart tadellos einschätzen kann.“ Ich lache leise auf und sehe durch meine Wimpern hindurch zu ihm auf. Eigentlich glich die Weinauswahl einem gezielten Raten, gepaart mit aufwendigen Recherchen und Überlegungen, welche Weinsorten die jeweiligen Gäste bei den zahlreichen Abendessen zu bestellen pflegten.
„Ich frage mich vermutlich zurecht, ob Ihre Fähigkeiten bezüglich der Aktienauswahl ebenso brillant einzuschätzen sind”, fährt Monsieur Depót fort. „Bereits bei unserem letzten Aufeinandertreffen prahlten Ihre Eltern mit ihrer Entscheidung, in Cannabis zu investieren.“
Tatsächlich war es Achims Vorschlag, den ich nur zu gern beherzigt habe. So wird es zukünftig immer sein. Er unterbreitet die Möglichkeiten, lässt sie von Beratern aufs Genaueste durchleuchten und den Großteil der endgültigen Entscheidungen werde ich treffen. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine hübsche Frau, deren Lächeln allen den Kopf verdreht und deren Entschluss niemand anzuzweifeln wagt außer dem eigenen Ehemann. „Über mein Verhandlungsgeschick wird diskutiert“, antworte ich und schenke Monsieur Depót ein makelloses Lächeln. „Ihre atemberaubende Fähigkeit des Kalkulierens ist indiskutabel.“ Monsieur Depóts Mundwinkel heben sich leicht. Er lässt sich von meinen Schmeicheleien ebenso wenig beeindrucken wie ich mich von seinen. Diese Taktik – loben und dadurch siegen – habe ich von ihm übernommen. Es ist nichts, was ich gegen einen der gerissensten Manipulatoren meiner Zeit verwenden kann. „Sie sind erwachsen geworden, Miss Clark. Und wunderschön. Unmöglich es zu leugnen.“ Das ist eine Tatsache, keine Schmeichelei. Ich gehe trotzdem